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Bundesanwalt dementiert Berichte über Festnahmen

Anis Amri soll Anschlag auf Berliner Adventmarkt verübt haben
Anis Amri soll Anschlag auf Berliner Adventmarkt verübt haben ©APA (AFP/Bundeskriminalamt)
Bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäter durchkämmen die Ermittler das Umfeld des verdächtigen Tunesiers Anis Amri. Der deutsche Generalbundesanwalt bestätigte am Donnerstag zwar Medienberichte über Razzien in Berlin und in Nordrhein-Westfalen nicht, wies sie aber auch nicht zurück.

Es gebe im gesamten Bundesgebiet Ermittlungsmaßnahmen. Aus ermittlungstaktischen Gründen würden aber keine Auskünfte über die auf Hochtouren laufende Fahndung gegeben, sagte der Sprecher des obersten Strafverfolgers. Dagegen dementierte er einen “Bild”-Bericht, vier Personen, die Kontakt mit dem 24-Jährigen gehabt haben sollen, seien in Dortmund festgenommen worden.

Bei der Fahndung nach dem Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt verdichten sich nach Medienberichten die Hinweise auf den Tunesier Anis Amri. Fingerabdrücke des Mannes seien an der Fahrertür des Lkw gefunden worden, berichtete der Rechercheverbund von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” am Donnerstag mit.

Europa fahndet nach Verdächtigem Amri

Nach dem Anschlag von Berlin fahnden die Ermittler weiter nach einem Verdächtigen aus Tunesien. Der 24-jährige Anis Amri sei “dringend tatverdächtig”, schreiben Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt in ihrem öffentlichen Aufruf. Gegen den Mann wurde bereits früher in Berlin wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt – allerdings ohne Ergebnis.

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Medienberichten zufolge hat der Verdächtige ein langes Vorstrafenregister: Er soll bereits in Italien und Tunesien zu langen Haftstrafen verurteilt worden sei.

100.000 Euro Belohnung

Die deutsche Bundesanwaltschaft rief die Bevölkerung zur Mithilfe auf und setzte 100.000 Euro Belohnung aus – das Schreiben dazu wurde auch auf Arabisch, Dari, Farsi und Urdu veröffentlicht. Zugleich mahnte sie zur Vorsicht: “Bringen Sie sich selbst nicht in Gefahr, denn die Person könnte gewalttätig und bewaffnet sein!” Im Berliner Stadtteil Kreuzberg überprüfte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei am Mittwochabend einen Mann, bei dem es sich aber nicht um Amri handelte. Auch europaweit wird nach ihm gefahndet.

Seine Duldungspapiere wurden in dem Lastwagen gefunden, der am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gefahren war. Zwölf Menschen wurden getötet, rund 50 teils lebensbedrohlich verletzt. Ein zunächst festgenommener Pakistaner kam wieder frei.

Aktualisierung: Detailkarte Karte Berlin, Lokalisierung GRAFIK 1360-16, 88 x 160 mm
Aktualisierung: Detailkarte Karte Berlin, Lokalisierung GRAFIK 1360-16, 88 x 160 mm ©Aktualisierung: Detailkarte Karte Berlin, Lokalisierung GRAFIK 1360-16, 88 x 160 mm

Gemeldet war der gesuchte Tunesier in einer Asylbewerberunterkunft in Nordrhein-Westfalen, laut “Spiegel Online” in Emmerich bei Kleve. Nach Angaben der NRW-Landesregierung war er 2015 über Freiburg nach Deutschland eingereist und verwendete mehrere Identitäten. Seit Februar hielt er sich demnach vor allem in Berlin auf.

Dort wurde Amri nach Hinweisen von Bundesbehörden von März bis September dieses Jahres überwacht, wie die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Es habe Informationen gegeben, wonach der in Nordrhein-Westfalen als islamistischer Gefährder geführte Verdächtige einen Einbruch plane, um Geld für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen – “möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen”, hieß es.

Die Observierung und Überwachung der Kommunikation sei sogar verlängert worden, habe aber keine Hinweise auf ein staatsschutzrelevantes Delikt erbracht, erklärte die oberste Berliner Ermittlungsbehörde. Es habe lediglich Hinweise gegeben, dass Amri als Drogendealer tätig und an einer körperlichen Auseinandersetzung, vermutlich in der Dealerszene, beteiligt gewesen sein könnte. Deshalb sei die Überwachung im September beendet worden.

Kontakte zu radikalen Salafisten

Die Sicherheitsbehörden tauschten nach Worten von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ihre Erkenntnisse über Amri im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum aus, zuletzt im November 2016. Laut “Süddeutscher Zeitung”, NDR und WDR tauchte er im Dezember unter. Demnach hatte er Kontakte zum Netzwerk des kürzlich verhafteten Hildesheimer Predigers Abu Walaa, den Jäger früher einmal als “Chefideologen” der Salafisten in Deutschland eingestuft hatte.

Amri wurde bereits im Juni als Asylbewerber abgelehnt, wie Jäger erklärte. “Der Mann konnte aber nicht abgeschoben werden, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte.” Tunesien habe lange Zeit bestritten, dass es sich um seinen Staatsbürger handle. Die für die Abschiebung wichtigen tunesischen Ersatzpapiere seien erst an diesem Mittwoch bei den deutschen Behörden eingetroffen, sagte der Minister.

In Tunesien verhörten Ermittler nach einem Bericht der Zeitung “Al-Chourouk” die Familie des möglichen Attentäters in der nordöstlichen Provinz Kairouan, einer Salafisten-Hochburg. Die Familie habe ausgesagt, dass sie keinen steten Kontakt mit Amri hatte, seitdem er das Haus Ende 2010 verlassen habe. Sein Vater sagte dem tunesischen Sender Mosaique FM, Anis Amri habe Tunesien vor rund sieben Jahren verlassen. Dem Bericht zufolge wurde er in Abwesenheit wegen Raubes zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Nach dem Anschlag in Berlin führten die tunesischen Behörden laut “Welt” Ermittlungen zu Amri und seiner Familie durch. Ersten Erkenntnissen zufolge habe er 2010 einen Lastwagen gestohlen und sei daraufhin zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Lange Liste an Straftaten

2011 kam er als Flüchtling nach Italien, wie die dortige Nachrichtenagentur Ansa berichtete, und wurde in einem Auffanglager auf Sizilien untergebracht. Weil er Sachbeschädigungen und “diverse Straftaten” beging, kam er demnach in Palermo vier Jahre ins Gefängnis. Nach Informationen der “Welt” wurde er wegen Gewalttaten, Brandstiftung, Körperverletzung und Diebstahls verurteilt. Mithäftlinge hätten ihn als gewalttätig beschrieben.

Im Frühjahr 2015 wurde Amri laut Ansa entlassen, konnte wegen Problemen mit den tunesischen Behörden aber nicht ausgewiesen werden. Er sei dann nach Deutschland weitergereist.

Den italienischen Behörden liegen nach Information der “Welt” Fingerabdrücke von Amri vor. Sie könnten dabei helfen, offene Fragen zum Tathergang in Berlin zu klären. So ließe sich durch Vergleiche mit Fingerabdrücken am Lkw und Tatort möglicherweise eindeutig feststellen, ob Amri am Steuer des Sattelschleppers saß. Bisher ist das nicht erwiesen.

Verbindung zum IS unklar

Unklar ist auch, ob die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wirklich hinter dem Anschlag steht. Sie hat den Angriff für sich reklamiert und sich schon in der Vergangenheit immer wieder über ihr Sprachrohr Amak zu Anschlägen in unterschiedlichen Ländern bekannt. Täterwissen gab der IS – wie in früheren Fällen – nicht bekannt.

Derweil hat die Polizei ihre Tatortarbeit auf dem Breitscheidplatz abgeschlossen und ihn offiziell wieder freigegeben. Der nach dem Anschlag geschlossene Weihnachtsmarkt zu Füßen der Gedächtniskirche soll am Donnerstag wieder öffnen. Um 11.00 Uhr soll es in der Kirche zudem eine Andacht geben.

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