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EU-Krise: Druck auf Blair wächst

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso appellierte am Mittwoch in Brüssel an den britischen Premierminister, sich in der Krise als Vermittler zu verstehen und auf einen schnellen Kompromiss hinzuwirken.

Andernfalls bestehe das „Risiko einer Lähmung“ mit fatalen Folgen vor allem für die neuen EU-Staaten. Blair, der den EU-Ratsvorsitz am 1. Juli übernimmt, warb unterdessen erneut für seine Forderung nach einer Haushaltsreform. Großbritannien sei bereit, „mehr zu zahlen“ und den umstrittenen Britenrabatt zu reduzieren, schrieb Blair in einem Gastbeitrag für die deutsche „Bild“-Zeitung. Das Geld müsse aber den ärmeren EU-Staaten nutzen und für die „richtige Politik“ ausgegeben werden.

„Wir wollen keinen Haushalt, der weiterhin sieben Mal so viel für die Landwirtschaft ausgibt wie für Forschung und Entwicklung, Wissenschaft, Technologie, Bildung und Innovation zusammen“, schrieb Blair. Er verwies darauf, dass 40 Prozent der EU-Ausgaben in die Agrarpolitik flössen, „wo weniger als fünf Prozent der Bevölkerung arbeiten“. Und: „Großbritannien ist für ein soziales Europa, aber es muss ein soziales Europa sein, das in unsere heutige Welt passt.“

Konjunktur als Hauptproblem

In dem Beitrag deutete Blair eine Offensivstrategie an, die er nach britischen Regierungsangaben bei seiner Rede vor dem Europaparlament in Brüssel am Donnerstag vortragen will. Demnach ist nicht Großbritanniens Haltung im Finanzstreit die Gefahr für Europa, sondern die flaue Konjunktur in manchen Mitgliedstaaten.

„Wir müssen herausfinden, warum manche Volkswirtschaften Europas Arbeitsplätze schaffen und andere nicht“, schrieb Blair. Ohne Arbeit und Wachstum könne Europa seine Ziele nicht erreichen. Blair, der sich in dem Beitrag als „leidenschaftlicher Europäer“ bezeichnet, übernimmt am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz.

Verdeckte Kritik

Der britische Außenminister Jack Straw schlug einen ähnlichen Ton an und kritisierte, dass die EU-Länder die im Jahr 2000 in Lissabon vereinbarten Wachstumsziele „bis auf wenige Ausnahmen“ verfehlt hätten. Großbritannien zähle zu den wenigen Ländern, die diese Ziele umgesetzt hätten. Dass viele Staaten bei den Wachstumsvorgaben gescheitert seien, liege „hinter einigen der Unzufriedenheiten, einschließlich des Problems, das wir mit dem Haushalt haben.“

Weder Blair noch Straw nannten die Adressaten ihrer Kritik beim Namen; sie konnte jedoch auf Deutschland und Frankreich mit ihren schlechten Wirtschaftsdaten bezogen werden. Im Streit um den künftigen EU-Kurs versprach Straw eine Versöhnung. „Wir werden den Sprung kitten können und die gegenwärtige Krise als Chance nutzen, sagte er am Rande der Irak-Konferenz in Brüssel.

Chirac angriffslustig

Straw bestand weiter auf einem Abschmelzen der europäischen Agrarhilfen, die vor allem von Frankreich verteidigt werden. Die Briten hatten deshalb beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche ihre Zustimmung zur milliardenschweren EU-Finanzplanung 2007-2013 verweigert. Der französische Präsident Jacques Chirac griff Blair erneut unterdessen wegen dessen Haltung im Finanzstreit an. Die „britische Unbeweglichkeit“ habe zum Scheitern des Brüsseler Gipfels geführt.

Dabei sei alles getan worden, um zu einer Einigung zu kommen, sagte Chirac nach Angaben seines Sprechers auf einer Kabinettssitzung am Mittwoch. „Was am meisten beunruhigt, ist die Verkümmerung des Kompromissgeistes“, klagte Chirac. Führende Politiker aus Tschechien und der Slowakei haben inzwischen Verständnis für die Position Blairs geäußert.

Unterstützung aus Slowakei

Blair habe recht, wenn er mehr EU-Investitionen in die Forschung statt in die Landwirtschaft fordere, sagte der slowakische Premier der Zeitung „Sme“ (Mittwochausgabe): „Wenn der Preis für das Scheitern des Gipfels ist, dass wir uns später auf eine effektivere Verteilung der Mittel einigen, bin ich einverstanden.“

Der tschechische Außenminister Cyril Svoboda sagte in der Zeitung „Pravo“: „EU-Mittel sollten besonders in Forschung und Ausbildung fließen“, unter dem Vorbehalt der Gleichberechtigung der 10 neuen Mitglieder. Eine Einigung auf den EU-Finanzplan sei unter österreichischer EU-Präsidentschaft „realistischer“.

Barrosos Reaktion

Barroso betonte, die EU-Kommission sei zur Zusammenarbeit mit Blair bereit. Die Verantwortung bei der Suche nach einem Kompromiss liege aber bei den Mitgliedstaaten und vor allem beim EU-Vorsitz. Barroso wiederholte seine Forderung nach einer Revisionsklausel. Es sei nicht sinnvoll, schon jetzt die Finanzen bis zum Jahr 2013 festzulegen.

Eine solche Klausel hatte die Luxemburger Ratspräsidentschaft auf dem gescheiterten Gipfel ins Spiel gebracht, um vor allem Großbritannien entgegenzukommen. Barroso sagte in Anspielung auf die Agrarausgaben, es dürfe in den Verhandlungen keine Tabuthemen geben. Getroffene Beschlüsse müssten aber gelten.

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