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EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier in Wien

In Wien kam es zum Treffen von Kurz und Barnier.
In Wien kam es zum Treffen von Kurz und Barnier. ©APA/BUNDESKANZLERAMT/ARNO MELICHAREK
Nach Einschätzung des EU-Brexit-Chefverhandlers Michel Barnier ist eine Verlängerung der Verhandlungsperiode möglich - allerdings stelle sich die Frage, "wofür und wozu".

Das sagte Barnier am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und EU-Minister Gernot Blümel (beide ÖVP) in Wien. “Eine Verlängerung kann technisch sein, um dem britischen Parlament die Zeit zu geben, ein Gesetz für die Umsetzung des Austrittsvertrags zu verabschieden. Wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir uns fragen, wozu soll die Verlängerung dienen. Das Problem soll ja nicht hinausgeschoben werden, das Problem soll gelöst werden”, betonte Barnier.

Britischer EU-Austritt kann laut Barnier verschoben werden

Auf die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Verschiebung des britischen EU-Austritts auch im Hinblick auf die EU-Wahl Ende Mai sinnvoll wäre, sagte Barnier, wenn es sich nur um eine derartige technische Verlängerung handle, “nur ein paar Wochen, bis vor die Wahl zum Europäischen Parlament”, dann werde sich diese Frage nicht stellen.

Wenn es sich allerdings um eine längere Verlängerung handeln sollte, beispielsweise vielleicht, “weil das britische Volk eine neue Entscheidung treffen will”, dann müsste das Vereinigte Königreich, wenn es juristisch gesprochen noch Mitglied der EU sei, auch “eine Wahl organisieren”. Der demokratische Prozess müsse unbedingt geachtet werden, so Barnier.

Brexit “idealerweise noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament”.

Kurz pflichtete dem EU-Chefverhandler bei. “Natürlich sollte unser Ziel sein, dass die Organisation des Brexit bis vor den Wahlen zum Europäischen Parlament stattgefunden hat. Denn eine Teilnahme eines Landes, das die Europäische Union verlassen möchte, an Wahlen zum Europäischen Parlament, das würde, glaube ich, mehr als nur absurd erscheinen.” Das Ziel müsse daher sein, dass der britische EU-Austritt, “wenn er schon stattfinden muss”, geordnet erfolge und “idealerweise noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament”.

Kurz sagte, er hoffe, dass es bei der nächsten Abstimmung im britischen Unterhaus eine Mehrheit für das Brexit-Abkommen geben werde. “Sollte es mehr Zeit brauchen, sollte es nicht möglich sein, diesen geordneten Brexit bis in den März stattfinden zu lassen, so werden wir uns dafür einsetzen, dass es zu einer Verlängerung kommt.” Diese könne selbstverständlich nur stattfinden, “wenn (Premierministerin) Theresa May das möchte und auch einen Antrag dafür stellt”.

Auch der Bundeskanzler sagte, wenn dieser Aufschub stattfinden solle, dann müsse man die Frage stellen, “was ist das Ziel für den Zeitraum, was bringt uns diese Verlängerung”. Aber wenn dies der Ausweg sei, um einen ungeregelten Brexit zu vermeiden, “dann werden wir uns dafür einsetzen, diesen Weg zu gehen”.

Backstop wird nicht geändert

Michel Barnier verwies auch auf die laufenden Gespräche seines Teams mit Vertretern Großbritanniens. Derzeit werde unter anderem an Klarstellungen und Garantien zum Backstop – eine Notfallregelung zur Vermeidung einer harten Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland nach dem Brexit – gearbeitet. Barnier bekräftigte jedoch auch, dass der Backstop nicht geändert werde.Wien. “Wir wollen eine Lösung finden, die den Leitlinien der Europäischen Union entspricht”, sagte Barnier. Es gehe um “Frieden und Stabilität in Irland” und “die Integrität unseres Binnenmarktes”. Diese Lösung müsse jedoch auch von einer klaren Mehrheit im britischen Unterhaus getragen werden.

Es gebe hier “keine Ideologie” und “keine Dogmatik”, unterstrich Barnier. Produkte oder Lebendtiere, die von Großbritannien nach Nordirland gingen, könnten auch nach Irland oder letztlich auch Österreich gebracht werden, denn es gebe ja den gemeinsamen Binnenmarkt. Es gehe um Konsumentenschutz, Schutz für das Budget durch fiskalische Kontrollen und Schutz für Unternehmen, fügte der EU-Chefverhandler hinzu.

Barnier sagte, er sei froh, wieder in Wien zu sein, wo er zum fünften Mal in dieser Funktion zu Gast sei. Er sprach von einem “schwierigen Zeitpunkt” in den Brexit-Verhandlungen, denn das Vereinigte Königreich habe sich ja entschieden, die EU am 29. März zu verlassen, also in einem Monat. “Es bleibt uns also sehr wenig Zeit. Ich habe immer wieder gesagt, dass die Uhr tickt.”

Bundeskanzler Kurz sprach von einer “sehr herausfordernden Phase”: “Wir erleben, dass in Großbritannien noch immer keine Mehrheit für den zwischen der EU und Theresa May ausverhandelten Deal vorhanden ist.” Er hoffe aber auf eine Mehrheit bei der nächsten Abstimmung für einen geordneten Austritt.

“Wir alle hoffen, dass der Deal im Unterhaus durchgeht”, betonte auch EU-Minister Blümel bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Man sei aber auch auf einen ungeregelten Brexit vorbereitet, sagte der Minister unter Verweis auf das am Mittwoch im Nationalrat beschlossene entsprechende Begleitgesetz.

(APA/Red)

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