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Eskalation der China-Japan-Antipathie?

"Boykottiert japanische Waren!" - so chinesische Aufrufe, die im Internet schon seit langer Zeit eine anti-japanische Bewegung formieren und nun die Massen erreicht. Ist ein Wald für zwei Tiger zu klein?

„Ich habe wirklich nichts gegen Japaner, nur gegen die japanische Regierung“, sagt Lu Yunfei. Gewöhnliche Japaner hätten „absolut keinen Grund zur Sorge“ in China, sagt der Chinese beim Abendessen in einem Pekinger Restaurant. Er erhebt das Glas und stößt mit einer japanischen Studentin am Tisch an. Lu ist einer der bekanntesten Anführer der antijapanischen Bewegung. „Wir sagen jetzt: „Boykottiert japanische Waren, fangt mit Mitsubishi an!“, zitiert Lu Yunfei eine neue Parolen. Mitsubishi sei wegen angeblicher Beziehungen zum japanischen Militär ausgesucht worden, sagt der Aktivist, der seit Jahren die Proteste und eine Internet-Kampagne gegen Japan anführt.

Die antijapanischen Demonstrationen vom vergangenen Wochenende seien spontan gewachsen, nachdem Aufrufe im Internet und über Kurznachrichten verbreitet worden seien, sagt Lu Yunfei. Es sei eine „Volksbewegung“ gegen Japan, die keine Beziehungen zur Regierung habe. Er stimmt der Ansicht zu, dass die kommunistische Führung in Peking manchmal schon von der Bewegung in ihrer Japan-Politik beeinflusst wird. „Wenn Nationalisten eine härtere Außenpolitik fordern, gerät das Außenministerium in eine Zwickmühle“, sagt auch Peter Gries, Experte der Universität Colorado und Autor eines Buchs über Chinas neuen Nationalismus.

Chinas ideologisches Vakuum

Mit der wachsenden internationalen Rolle der Volksrepublik China und dem zunehmenden Wohlstand wächst das Selbstbewusstsein der Chinesen, die sich längst „nicht mehr herumschubsen lassen“. Nationalismus füllt auch das ideologische Vakuum, die der Kommunismus hinterlässt. „Mit dem Niedergang der kommunistischen Lehre als Quelle der Legitimität für die Kommunistische Partei hängt sie noch stärker vom Nationalismus ab, um sich zu legitimieren“, sagt Gries. Das neue chinesische Selbstbewusstsein muss aber nach Ansicht von Beobachtern schon zwangsläufig mit Japans Drang nach größerer internationaler Bedeutung kollidieren. Es kann „nicht zwei Tiger in einem Wald geben“, besagt eine chinesische Volksweisheit.

Das Ausmaß der Empörung in China über die Verharmlosung der japanischen Kriegsvergangenheit erklärt sich aber auch daher, dass in diesem Jahr der 60. Jahrestag der Niederlage der Japaner im Zweiten Weltkrieg begangen wird, den viele Asiaten als Befreiung von Besatzung und Kolonialherrschaft erlebt haben. Keiji Ide, Sprecher der japanischen Botschaft in Peking, beklagt, dass die Chinesen jetzt in den Zeitungen ständig an die Gräueltaten erinnert werden: „Das Bild der Chinesen von Japan und das Verständnis ist nicht ausgewogen.“

Der 60. Jahrestag war ursprünglich auch Anlass für die länger geplante Reise von Japans Außenminister Nobutaka Machimura kommenden Sonntag nach Peking. Er wollte mit Außenminister Li Zhaoxing eigentlich über einen „Aktionsplan“ zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen sprechen. Nach den Protesten und seiner knallharten Forderung nach Entschuldigung und Entschädigung demonstrierte Machimura aber nach Ansicht von Beobachtern nicht unbedingt das nötige Feingefühl für die jetzt vielleicht schwierigste Reise seiner erst kurzen Amtszeit.

„Es ist ein großes Problem, wenn es kein Vertrauen zwischen zwei Völkern gibt“, sagt Chu Xiaobo. Der Professor für Internationale Beziehungen an der Peking-Universität (Beida) sieht die Zukunft wenig rosig, trotz der wirtschaftlichen Verflechtung. Immerhin löste China im vergangenen Jahr die USA als größter Handelspartner Japans ab. Im Moment laufe es „politisch kühl, wirtschaftlich heiߓ, sagt Chu. „Vielleicht wird es politisch und wirtschaftlich kalt.“

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