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Erziehungscamps - Vorarlberg setzt auf individuellen Ansatz

Bregenz - Von Erziehungscamps, "die mit Willensbruch und Autorität arbeiten", halte sie nicht viel, so Martina Gasser vom Vorarlberger Institut für Sozialdienste (IfS). Sie hat vor rund zehn Jahren das Jugendintensivprogramm (JIP) mit aufgebaut, das einen individuelleren Ansatz verfolgt.

Dabei werden sogenannte “schwierige” Jugendliche auf Reisen geschickt und sollen so über eine Neuorientierung einen Neuanfang schaffen.

Zwölf Vorarlberger Jugendliche pro Jahr fahren seither jeweils zu zweit mit einem Betreuer nach Rumänien, in die Türkei, nach Tschechien, nach Polen oder Indien. Die Erfahrungen mit solchen Reisen seien sehr gut, so Martina Gasser.

Nach einem Monat gemeinsamer Vorbereitungszeit verbringen die 14- bis 18-jährigen Jugendlichen mit ihrem Betreuer zehn Wochen im Ausland. Im ersten Stadium sollen die verhaltensauffälligen Heranwachsenden, die mit emotionalen Krisen oder Problemen wie Drogenmissbrauch kämpfen, in der Natur “auf sich selbst zurückgeworfen werden” und an ihrer Persönlichkeit arbeiten. Im zweiten Teil folgt laut Gasser ein Arbeitseinsatz in einer Sozialinstitution, in der die Jugendlichen leben und arbeiten wie die Einheimischen.

Pro Jugendlichem koste das gesamte Programm rund 24.000 Euro, so Gasser. Das komme die Gesellschaft aber immer noch günstiger als verpfuschte Existenzen. Laut Langzeit-Evaluierungen des JIP zeigten 75 bis 80 Prozent der Heranwachsenden positive Verhaltensänderungen, ein Drittel benötigte keinerlei Betreuung mehr. “Das sind keine Vergnügungsreisen. Die neue Umgebung bringt eine Irritation, die eine Veränderung im Verhalten der Jugendlichen bewirkt”, stellte Martina Gasser klar. Sowohl für die Heranwachsenden als auch ihre Betreuer sei die Reise eine Herausforderung. “Die Jugendlichen spüren, dass das an die Substanz geht”, so Gasser. Dass Teilnehmer im Gastland ausreißen, komme regelmäßig vor. “Wir sind aber in so abgelegenen Gegenden, dass die Jugendlichen nach drei, vier Stunden einsamen Fußmarsches meist von selbst wieder zurückkommen”, so die Sozialarbeiterin.

Inzwischen erfolge zu Hause ein intensives “Elterncoaching”, so Gasser. Das Programm sehe zudem eine zehnwöchige Nachbetreuung vor. Dazu kommt die sogenannte “Power Bag”, ein Unterstützungskreis, der sich aus Personen aus dem Umfeld der Jugendlichen zusammensetzt. “Diese Nachhaltigkeit ist auch der Grund für unseren Erfolg”, erklärte die Sozialarbeiterin. Gezwungen werde zu dem Programm niemand, höchstens überzeugt. “Wir sagen: Wir unterstützen dich, aber verändern musst du dich selber.”

Von Camps, die mit Zwang arbeiten, riet Gasser ab. In der Zeit im Camp passten sich die Jugendlichen zwar an, wieder daheim fielen sie aber zurück in alte Muster, begründete die Sozialarbeiterin. Das Sibirien-Camp in Deutschland verfolge einen ganz ähnlichen Ansatz wie das JIP in Vorarlberg, “aber ohne Elternarbeit”. Gerade diese sei aber sehr wichtig für einen dauerhaften Erfolg.

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