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In London kein Konsens über Brexit

Premierministerin May wies Bedingungen der Opposition zurück
Premierministerin May wies Bedingungen der Opposition zurück ©APA (AFP)
In Großbritannien zeichnet sich wenige Tage vor einer erneuten Parlamentsabstimmung kein Konsens über den Brexit-Kurs ab.

Premierministerin Theresa May wies Bedingungen des Oppositionsführers Jeremy Corbyn für eine Unterstützung der Regierung zurück. In einem dreiseitigen Brief an den Labour-Chef zeigte sie sich zugleich aber zu weiteren Gesprächen mit der Opposition bereit.

May wird am Dienstag eine Erklärung im Parlament über den Stand der Brexit-Verhandlungen abgeben. Eine Uhrzeit für die Erklärung wurde noch nicht bekanntgegeben. Trotz des ungelösten innenpolitischen Streits wollten sich am Montagabend die Chefunterhändler der EU und des Vereinigten Königreichs treffen, um eine Lösung der festgefahrenen Verhandlungen auszuloten.

Festgebissen

Die EU und Großbritannien haben sich im Streit über die künftige Ausgestaltung der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland festgebissen. Zwar wollen beide Seiten, dass keine Grenzen mit Kontrollen, Absperrungen und Einschränkungen entsteht. Die EU fordert dafür jedoch, dass Nordirland Teil des Binnenmarktes bleibt, solange kein Handelsabkommen mit Großbritannien abgeschlossen worden ist. May hat dieser unbefristeten Übergangsregelung im Entwurf des Brexit-Vertrages zugestimmt, allerdings lehnt die Mehrheit des Parlaments diesen sogenannten Backstop ab. May hat daraufhin Nachverhandlungen mit der EU angekündigt.

Am Donnerstag will das Parlament in London wieder über Brexit-Pläne der Premierministerin entscheiden. Corbyn hat May die Unterstützung der Labour-Abgeordneten angeboten, dafür aber fünf Bedingungen gestellt. Mays Büro veröffentlichte am Sonntagabend einen Brief an Corbyn, in dem sie die zentrale Forderung des Labour-Chefs nach einer dauerhaften Zollunion mit der EU ablehnte. Ihrer Ansicht nach würde das Großbritannien nach einem Austritt aus der Staatengemeinschaft daran hindern, eine unabhängige Handelspolitik zu verfolgen.

Sie sei sich einig mit Corbyn, dass es weder Neuwahlen noch ein zweites Referendum geben solle, schrieb May. Zugleich machte sie Zugeständnisse etwa bei den Arbeitnehmerrechten. Die “Times” wertete Mays Schreiben am Montag zwar als versöhnlich, es könne aber durch seine “Mehrdeutigkeit” die Spaltung des Kabinetts vorantreiben.

Unterstützung

Corbyn hatte May in der vergangenen Woche die Unterstützung seiner Partei in Aussicht gestellt, falls sie eine Zollunion und eine Anbindung an den EU-Binnenmarkt akzeptiere. Bei einer Zollunion könnte eine offene Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit beibehalten werden. Bei einer “harten” Grenze auf der Insel hingegen wird ein Wiederaufflammen des blutigen Nordirlandkonflikts befürchtet. Damals wurden etwa 3.700 Menschen getötet, fast 50.000 verletzt und 500.000 gelten als psychisch traumatisiert.

Corbyn hatte auch argumentiert, dass Großbritannien im Falle einer Zollunion ein Mitspracherecht bei künftigen Handelsabkommen der EU hätte. May hingegen sieht dann die Handlungsfreiheit Londons eingeschränkt. “Mir ist nicht klar, warum Sie glauben, dass ein Mitspracherecht bei künftigen EU-Handelsabkommen der Fähigkeit vorzuziehen wäre, eigene Abkommen abzuschließen”, schrieb sie.

Treffen

Für diesen Montagabend war ein Treffen des EU-Chefunterhändlers Michel Barnier mit dem britischen Brexit-Minister Stephen Barclay in Brüssel geplant. Allerdings hatten zuletzt führende EU-Politiker erklärt, sie sähen keinen neuen Verhandlungsspielraum. Ohne Vertrag droht ein ungeregelter Ausstieg aus der EU, den beide Seiten wegen der dann erwarteten wirtschaftlichen Rückschläge vermeiden wollen. Bisher ist der 29. März für das Wirksamwerden des Brexits vorgesehen.

Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten verlor die britische Wirtschaft an Schwung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Oktober bis Dezember nur noch um 0,2 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistikamt mitteilte. Im Sommer war noch ein Plus von 0,6 Prozent erreicht worden.

Ungeachtet der Streitigkeiten bereitet sich die britische Regierung auf die Zeit nach dem Ausscheiden aus der EU vor. Der Wirtschaftsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Sultan bin Said al-Mansuri, teilte mit, Großbritannien habe den Kontakt zu den Emiraten und anderen Golf-Staaten gesucht, um Handelsabkommen auf den Weg zu bringen. In London kündigte Verteidigungsminister Gavin Williamson an, die internationale Rolle Großbritanniens solle verstärkt werden.

(APA/ag.)

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