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Ermittler: Co-Pilot brachte Germanwings-Airbus absichtlich zum Absturz

©EPA
Der Stimmenrekorder enthüllt Unvorstellbares: Der Co-Pilot steuerte die Germanwings-Maschine mit Vorsatz in die Katastrophe. Sein Kollege war aus dem Cockpit ausgesperrt. Es bleibt die Frage: Warum? Hinweise auf einen terroristischen Akt gebe es nicht. Die Passagiere indes ahnten erst wenige Sekunden vor dem Aufprall etwas.
Pilot vor Absturz nicht im Cockpit
Wie gehen die Rechtsmediziner vor?
Trauer um die 150 Opfer
Bilder der Absturzstelle
Airbus-Absturz in Frankreich
"Löst höchste Traumastufe aus"

Der Co-Pilot der verunglückten Germanwings-Maschine, Andreas L., hat den Airbus mit 150 Menschen an Bord offensichtlich mit Absicht in die Katastrophe gesteuert. “Es sieht so aus, als ob der Co-Pilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht und so zerstört hat”, sagte Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Marseille. Zuvor waren die Angehörigen über die neuesten Erkenntnisse informiert worden.

»“Es sieht so aus, als ob der Kopilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht und so zerstört hat.” (Staatsanwalt Brice Robin)«

Zum Zeitpunkt des Absturzes der Germanwings-Maschine am Dienstag in Frankreich befand sich der 27-Jährige (Alter wurde korrigiert; Anm.) allein im Cockpit und hat den Sinkflug offenbar bewusst eingeleitet. Die Ermittler stützen ihre Schlussfolgerungen auf die Auswertung des am Mittwoch geborgenen Voice Recorders. Hinweise auf einen Terrorakt gebe es nicht. Die Motive des 27-Jährigen aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur sind unklar. Die Staatsanwälte erwägten nun Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes.

Rettungskräfte bargen unterdessen erste Opfer des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen. Vielerorts in Deutschland versammelten sich Menschen zu einer Schweigeminute für die 150 Insassen.

Das geschah auf Flug 4U9525

Der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz über die neuesten Erkenntnisse zur Flugzeug-Katastrophe von Seyne-les-Alpes informiert.

Die zentralen Aussagen der Ermittler – ein Überblick:

  • Der Co-Pilot hat den Sinkflug selbst ausgelöst und den Airbus mit 150 Menschen an Bord so absichtlich zum Absturz gebracht.
  • Er war zum diesem Zeitpunkt allein im Cockpit. Der Pilot war aus der Kabine ausgesperrt.
  • Auf einen terroristischen Anschlag deutet nach derzeitigem Stand nichts hin.
  • Der Co-Pilot war der 27 Jahre alte Andreas L. Über seine Motive ist bisher nichts bekannt.
  • Auf Ansprache des Towers in den letzten acht Minuten vor dem Zerschellen der Maschine reagierte der Mann nicht. Ein Notruf wurde nicht abgesetzt.
  • Der Pilot konnte nach einem Gang zur Toilette die automatisch verriegelte Kabine nicht mehr öffnen. Zuletzt hämmerte er mit der Crew von außen an die Tür.
  • Der Stimmenrekorder zeichnete bis zum Aufprall schweres Atmen aus dem Cockpit auf. Der Co-Pilot war also am Leben.
  • Schreie von Passagieren sind erst in den letzten Sekunden zu hören.
  • In den ersten 20 Minuten nach dem Start unterhielten sich Pilot und Co-Pilot ganz normal.
  • Der zweite Flugschreiber ist noch nicht gefunden.
  • Die Bergung und Identifizierung der Opfer in dem unwegsamen Gelände kann mehrere Wochen dauern. Erste DNA-Proben werden analysiert.

Was bislang bekannt ist und was nicht

Pilot aus Cockpit ausgesperrt

Der Pilot hatte nach Erkenntnissen der Ermittler das Cockpit verlassen, um auf die Toilette zu gehen, und das Kommando seinem Kollegen übergeben. Als er zurück ans Steuer wollte, habe er die automatisch verriegelte Kabinentür nicht mehr öffnen können, schilderte der Staatsanwalt. Die plausibelste Deutung gehe dahin, dass der Copilot vorsätzlich verhindert habe, dass die Tür geöffnet werde. Auf Ansprache des Towers habe der Mann nicht reagiert. Ein Notruf sei nicht abgesetzt worden.

Code zur Identifizierung

An der Cockpit-Tür der Unglücksmaschine war nach Angaben von Staatsanwalt Brice Robin kein Code zum Öffnen, sondern einer, mit dem sich der jeweils Zugangsberechtigte identifiziert. Die Tür verriegle sich ganz automatisch und werde dann von innen geöffnet, sagte der Vertreter der Anklagebehörde in Marseille, die weiterhin wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Tür bleibt fünf Minuten verschlossen

Für den Fall von Bewusstlosigkeit im Cockpit gebe es einen eigenen Code und dann ein Klingelzeichen, sagte der Vorstandsvorsitzende von Germanwings, Carsten Spohr. Wenn auch dann keine Antwort komme, gehe die Tür auf. Der Kollege im Cockpit könne dies durch Umstellen des Schalters auf ‘lock’ verhindern. Dann sei die Tür für fünf Minuten verschlossen.

Sicherung: Warum der Pilot die Türen nicht öffnen konnte

Kein Hinweis auf terroristischen Anschlag

Der Name des Copiloten wurde mit Andreas L. angegeben. Laut Robin war er nicht als Terrorist erfasst. Bekannt war bereits, dass der Mann seit 2013 bei Germanwings beschäftigt war.

“Wenn ein Mensch 149 andere mit in den Tod nimmt, ist das für mich ein anderes Wort als ‘Selbstmord'”, sagte indes Spohr bei der Pressekonferenz in Köln. Haftungen seien in internationalen Abkommen geregelt. Der Lufthansa-Konzern sei stark genug, um Forderungen nachkommen zu können. Um welche Summe an Forderungen es geht, wollte Spohr bei der Pressekonferenz nicht sagen.

Bis zuletzt Atmen im Cockpit zu hören

Der Stimmenrekorder habe bis zuletzt schweres Atmen aus dem Cockpit aufgezeichnet, gesagt habe der Copilot nichts mehr, erklärte der Staatsanwalt. In den letzten Minuten, bevor der A320 mit 150 Menschen an Bord an einer Felswand zerschellt sei, hätten der ausgesperrte Kapitän und die Crew von außen gegen die Cockpit-Tür gehämmert. “Die Schreie der Passagiere hören wir erst in den letzten Sekunden auf dem Band”, sagten die Ermittler. In den ersten 20 Minuten nach dem Start haben sich Pilot und Co-Pilot demnach ganz normal unterhalten.

»“Eine schier unfassbare Tragödie.” (Angela Merkel)«

Schreie in den allerletzten Augenblicken

Im letzten Abschnitt der Aufzeichnung sei ein Alarm zu hören gewesen, offenbar durch die Annäherung an den Boden, auch eine Art Einschlag, weil die Maschine möglicherweise einen Berg streifte. “Das ist ein kompliziertes Katastrophen-Szenario”, meinte der der Staatsanwalt weiter.

Den 144 Passagieren sei wahrscheinlich erst ganz am Schluss klar geworden, dass der Crash bevorgestanden habe. Erst in den allerletzten Augenblicken seien Schreie zu hören gewesen. Die Menschen an Bord seien wegen der hohen Geschwindigkeit, mit der die Maschine zerschellte, sofort nach dem Aufprall tot gewesen, der Staatsanwalt.

Andreas L.: Was über den Co-Piloten bekannt ist

Seinen “Traum vom Fliegen”, den habe er sich erfüllen können und teuer mit seinem Leben bezahlt – so hieß es in der Traueranzeige für den Co-Piloten der Germanwings-Maschine. Dass der 27-Jährige den Absturz nach Erkenntnissen der Ermittler absichtlich herbeiführte und mit sich 149 andere Menschen in den Tod riss, konnte der Verein LSC Westerwald nicht wissen, als er die Anzeige für den Co-Piloten ins Internet setzte.

Andreas L. wuchs nach Stadtangaben in der Westerwald-Kommune Montabaur auf, in einem ruhigen Wohngebiet im Süden der Stadt, inmitten von Einfamilienhäusern mit Gärten und nicht weit von einem Freizeitbad. Dort ist er auch noch teilweise zu Hause, auch in Düsseldorf soll er gewohnt haben.

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Andreas L. soll die Germanwings-Maschine absichtlich auf Todeskurs gebracht haben. Warum ist absolut unklar. Foto: Twitter/Reuters

Seine Mutter arbeitet als Organistin, sagte Pfarrer Johannes Seemann von der evangelischen Kirchengemeinde in Montabaur. Ihren Sohn, einen sportlichen jungen Mann, kennt er aber nicht persönlich.

L. lernte das Fliegen im Luftsportclub Westerwald (Montabaur) lieben. Lange Jahre stieg er dort in die Flieger und landete sie sicher. Im vergangenen Jahr habe er seine sogenannten Scheinerhaltungsflüge gemacht, sagte der Vereinsvorsitzende Klaus Radke. “Da habe ich ihn als sehr netten, lustigen und höflichen Menschen kennengelernt”, sagte er weiter. Die Internet-Seite des LSC Westerwald war nach den Meldungen aus Frankreich nicht mehr abrufbar.

“Zu 100 Prozent flugtauglich”

Warum der Co-Pilot den Airbus absichtlich zum Absturz gebracht hat, ist ein Mysterium. “Wir haben keinerlei Erkenntnis, was den Co-Pilot zu dieser schrecklichen Handlung veranlasst haben könnte”, sagte Airline-Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr am Donnerstagnachmittag bei einer Pressekonferenz.

»“Wir haben keinerlei Erkenntnis, was den Co-Pilot zu dieser schrecklichen Handlung veranlasst haben könnte.” (Carsten Spohr)«

Der 27-Jährige sei zu 100 Prozent flugtauglich gewesen, ohne Einschränkungen und Auflagen, sagte Spohr. Der Mann habe 2008 bei Germanwings eine Ausbildung begonnen und für elf Monate unterbrochen. Eine solche Unterbrechung sei nicht unüblich. Zu den Gründen sagte Spohr nichts. In dieser Zeit habe der spätere Co-Pilot als Flugbegleiter gearbeitet und seine Piloten-Ausbildung später wieder aufgenommen.

Seit 2013 sei er als “Erster Offizier” auf einem Airbus A320 eingesetzt gewesen und hatte 630 Flugstunden absolviert. Er habe alle Tests und Prüfungen bestanden, versicherte Spohr, der auf den psychologischen Eignungstest der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt verwies, der weltweit als das führende Verfahren zur Auswahl von Cockpit-Personal gelte.

»“Ich habe ihn als sehr netten, lustigen und höflichen Menschen kennengelernt.” (Klaus Radke)«

“Andreas starb als erster Offizier im Einsatz auf dem tragischen Flug”, hieß es in der Anzeige des Vereins weiter. Er habe als Segelflugschüler begonnen und es bis zum Piloten auf einem Airbus A 320 geschafft. “Er konnte sich seinen Traum erfüllen, den Traum den er jetzt so teuer mit seinem Leben bezahlte.” Die Internet-Seite des Luftsportclubs war nach den Meldungen aus Frankreich nicht mehr abrufbar.

Kollegen: “Andreas war ein netter, junger Mann”

27-Jähriger von der Luftaufsicht mehrfach überprüft

Bei den routinemäßigen Sicherheitsüberprüfungen des Co-Piloten hat die Luftaufsicht keine Auffälligkeiten festgestellt. Das teilte die Düsseldorfer Bezirksregierung am Donnerstag mit. Zuletzt sei dem 27-Jährigen Ende Jänner bescheinigt worden, dass keine strafrechtlichen oder extremistischen Sachverhalte gegen ihn vorliegen.

Die Luftaufsicht habe ihn im Jahr 2008 zum ersten Mal sicherheitsüberprüft und zum zweiten Mal 2010, auch die beiden vorigen Male ohne jede belastende Erkenntnis. Die Sicherheitsüberprüfungen finden jetzt alle fünf Jahre statt, früher alle zwei Jahre.

Die Luftaufsicht überprüft sämtliches Boden-, Kabinen- und Cockpitpersonal der im Rheinland ansässigen Airlines, sowie alles Personal, das den Sicherheitsbereich der Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf und Weeze betreten darf.

Ermittler durchsuchen Wohnung von Andreas L.

Ermittler haben mit der Durchsuchung der Düsseldorfer Wohnung von Andreas L. begonnen. Sie betraten am Donnerstag das Haus am Stadtrand, in dem der 28-Jährige wohnte. Grundlage ist ein Ersuchen der französischen Justiz.

Kriminalbeamte suchen nun nach Hinweisen auf ein mögliches Motiv oder Anzeichen für eine psychische Erkrankung. Auch die Durchsuchung des Wohnsitzes in Montabaur in Rheinland-Pfalz steht unmittelbar bevor.

Allerdings suchte die Polizei nach dpa-Informationen auch generell die Wohnsitze von getöteten Passagieren und Besatzungsmitgliedern auf, um DNA-Material für die Identifizierung sicherzustellen.

Bergung und Identifizierung dauert Wochen

Die zweite Black Box, auf der die Flugdaten aufgezeichnet werden, ist nach Angaben von Robin noch nicht gefunden worden.  Die Bergung und Identifizierung der Opfer könne mehrere Wochen dauern.

Der Airbus mit der Flugnummer 4U9525 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als er über Südfrankreich minutenlang an Flughöhe verlor und am Bergmassiv Les Trois Evêchés zerschellte. An Bord waren 72 Deutsche. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 50 Opfer.

Angehörige in Marseille gelandet

Angehörige der Opfer landeten am Donnerstag auf dem südfranzösischen Flughafen Marseille-Provence. Die rund 50 Angehörigen waren am Morgen von Düsseldorf aus gestartet, um in die Nähe des Absturzortes zu gelangen. Mit an Bord des Airbus A321 reiste auch ein Betreuer-Team aus Seelsorgern, Ärzten und Psychologen. Außerdem war ein zweiter Sonderflug mit einer Germanwings-Maschine für Angehörige der Crew am Donnerstagvormittag ab Düsseldorf geplant. Auch aus Barcelona wurde ein Flieger mit Angehörigen spanischer Opfer erwartet. (red/dpa/APA)

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