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"Eine Katastrophe für die Justiz"

©VMH/Bernd Hofmeister
VN: Herr Dr. Flatz, das Thema „Verlassenschaft“ ist ja im Allgemeinen ein sehr sensibles und heikles. Jetzt stehen zwei Mitarbeiter des Bezirksgerichts Dornbirn im Verdacht, über Jahre hinweg Testamente gefälscht und sich selbst bereichert zu haben.
Gelder sichergestellt
Vorbericht: Vermögen erschlichen
LKA bittet um Hinweise
Dicke Konten bei Verdächtigen

Neben dem Schaden für die wahren Erben droht hier doch die gesamte Vorarlberger Justiz in Verruf zu geraten.

Reinhard Flatz: Ehrlich gesagt ist es eine Katastrophe für die Vorarlberger Justiz. In dem Moment, als die Vorfälle bekannt geworden sind, ist bei uns eine Welt zusammengebrochen. Dass Leute, die zentral in der Justiz tätig sind, ihre Kenntnisse und Möglichkeiten derart ausgenützt haben sollen, hat tiefe Bestürzung ausgelöst.

VN: Haben Kontrollmechanismen versagt oder stellten sich die mutmaßlichen Täter so geschickt an?

Reinhard Flatz: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Zuerst muss genau nachvollzogen werden, wie da vorgegangen wurde. Es kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass gewisse Kontrollmechanismen versagt haben. Im Moment ist aber noch kein Fall bekannt, bei dem tatsächlich sofort etwas auffallen hätte müssen.

VN: Es soll aber bereits im Jahr 2002 Hinweise auf Ungereimtheiten gegeben haben …

Reinhard Flatz: Dazu kann ich nichts sagen, das ist Sache der Staatsanwaltschaft. Aus meiner persönlicher Erfahrung als Richter kann ich jedoch sagen, dass es natürlich Fälle gibt, die einem komisch vorkommen. Der Klassiker im Zusammenhang mit Verlassenschaftsverfahren: nachweislich vorhandenes Vermögen des Erblassers, das zum Zeitpunkt seines Todes plötzlich verschwindet. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass eine Straftat geschehen ist. Das passiert immer wieder.

VN: Derzeit läuft eine Sonderrevision der Justiz-verwaltung. Was darf man sich darunter genau vorstellen?

Reinhard Flatz: Tausende Verlassenschaftsakten des Bezirksgerichts Dornbirn sind sichergestellt worden und unter Verschluss in Feldkirch. Diese werden jetzt von sieben Justizbeamten des Oberlandesgerichts Innsbruck durchforstet.

VN: Es sollen auch Akten aus den 60er-Jahren dabei sein. Geht man davon aus, dass bereits Vorgänger Schaden angerichtet haben könnten?

Reinhard Flatz: Diese Befürchtung gibt es, ja. Und um diese Befürchtung auszuräumen, werden alle Akten, die noch vorhanden sind, durchforstet. Nur so kann die Sache restlos aufgeklärt werden.

VN: Wann verjähren derartige Straftaten und wie lange können Geschädigte ihr Recht einfordern?

Reinhard Flatz: Bei schwerem Betrug gilt eine zehnjährige Verjährungsfrist. Wenn die Straftaten allerdings unter Ausnutzung einer Amtsstellung gesetzt worden sind, verjähren sie erst nach 20 Jahren. Begeht jemand immer wieder die gleichen Straftaten, be­ginnt die Verjährungsfrist erst mit der letzten Tat. Im Zivilrecht sind es 30 Jahre. So lange können Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Ist der entstandene Schaden ‚in Vollziehung der Gesetze‘ entstanden, haftet die Republik. Hier gibt es aber eine kürzere Verjährungsfrist.

VN: Welche Strafen drohen den Tatverdächtigen?

Reinhard Flatz: Bei schwerem Betrug mit einem Schaden von über 50.000 Euro beträgt der Strafrahmen ein bis zehn Jahre Haft. Werden die Straftaten unter Ausnutzung einer Amtsstellung begangen, erhöht sich die Strafdrohung um 50 Prozent, die Höchststrafe wäre in diesem Fall 15 Jahre.

VN: Gab es bereits dienstrechtliche Konsequenzen?

Reinhard Flatz: Der Beamte wurde suspendiert, der Vertragsbedienstete entlassen.

VN: Wie will die Justiz den erlittenen Imageschaden nun beheben?

Reinhard Flatz: Durch lückenlose Aufklärung. Weiters wird die Kontrolle bei Verlassenschaftsverfahren auf mögliche Lücken untersucht, um derartige Vorfälle künftig zu verhindern oder zumindest schon im Frühstadium entdecken zu können.

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