AA

"Eine dunkle und schauderhafte Justizgeschichte": Ratz vor Gericht

Salzburg, Dornbirn - Mehr als zwei Jahre ist es nun her, als die Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz (48) vom Dienst suspendiert wurde. Gestern betrat sie zum ersten Mal wieder einen Gerichtssaal. Doch anstatt wie üblich auf dem Richterstuhl Platz zu nehmen, musste die Feldkircher Juristin mit fünf weiteren Beschuldigten auf die Anklagebank.
Alles zur Testaments-Affäre
Richterin Ratz schwer belastet
Tag sieben im Fälscher-Prozess
Resümee zum 7. Prozesstag
Kornelia Ratz vor Gericht
Anwalt Stieger übt Kritik an Jürgen H.

Ihr wird vorgeworfen, ein gefälschtes Testament bestellt zu haben – zugunsten ihrer Mutter und ihrer Tante. Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung, nennt es die Staatsanwaltschaft. Wie erwartet erwies sich der erste Auftritt der angeklagten Richterin als Publikumsmagnet. Zu Beginn des gestrigen Prozesstages waren die Zuschauerbänke nahezu voll. Auch mehrere Geschädigte aus Lustenau waren extra für die Verhandlung angereist.

Emotionales Eröffnungsplädoyer

„Wie solle ich nur beginnen?“ Mit dieser rhetorischen Frage startete Staatsanwalt Andreas Pechatschek sein teilweise sehr emotionales Eröffnungsplädoyer. Er sei immer stolz gewesen, Teil der österreichischen Justiz zu sein. An „italienische Verhältnisse“ innerhalb der Justiz habe er nicht geglaubt. „Dieses positive Bild musste ich leider zu Grabe tragen“, zeigte sich der Ankläger fassungslos. Als ihm der Fälschungsfall Mutschler Anfang März 2010 zugeteilt worden sei, habe er zunächst nicht glauben können, dass es „hier eine Vereinigung von Gerichtsmitarbeitern gibt, die in Bereicherungsabsicht Testamente umlenken“. Pechatschek sprach wörtlich von einer „dunklen schauderhaften Justizgeschichte“. Er sei enttäuscht darüber, dass keiner außer dem Hauptangeklagten und dessen Bruder bereit sei, für das Unrecht der Taten einzustehen. „Stattdessen versuchen sie mit abstrusen abenteuerlichen Geschichten ihre Unschuld zu beweisen“, adressierte der Staatsanwalt harsche Worte an Richterin Kornelia Ratz und die beschuldigten Gerichtsbediensteten Clemens M., Walter M. und Kurt T.

„Nichts damit zu tun“

„Meine Mandantin hat mit der Sache nichts zu tun“, wies Ratz-Verteidger Bertram Grass die Vorwürfe zurück. Jürgen H. bezeichnete er als „ausgeklügelten Fälscher, der mit fantastischer Fantasie“ nicht nur Testamente, sondern auch Urkunden und Zustellscheine gefälscht habe. Seine Masche sei es, andere Leute zu belasten, „und das hat Methode“. Jürgen H. habe in vielen Fällen versucht, falsche Fährten zu legen. Als Beispiel nannte Grass die Erbeinsetzung von Ratz Tante. „Sie war die Sachwalterin des Erblassers. Man hat hier vielleicht versucht, einen starken Partner zu finden“, vermutete Grass. Die Beschuldigungen des Hauptangeklagten seien ein Racheakt von Jürgen H., weil Ratz Druck auf dessen Bruder ausgeübt habe. Kritische Worte fand Grass auch für den Vertreter der Anklage. „Von den verschiedenen Verantwortungen des Hauptangeklagten ist nur eine einzige herausgenommen worden.“ Man habe nie versucht auf­zuklären, warum gerade diese Version stimmen sollte.

Zähe Befragung

Der Hauptangeklagte Jürgen H. wurde gestern den ganzen Nachmittag über einvernommen. Der Senatsvorsitzende Andreas Posch und die Verteidiger der nicht geständigen Gerichtsmitarbeiter konfrontierten den ehemaligen Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn dabei mit zahlreichen widersprüchlichen Aussagen, die H. in seinen Vernehmungen vor der Polizei gemacht hatte. So wie in den ersten sechs Prozess­tagen, gestaltete sich auch die gestrige Befragung zäh. Die Angaben des sichtlich angeschlagenen Angeklagten wurden von Stunde zu Stunde spärlicher und ungenauer. Gegen Ende meinte H. auf beinah jede dritte Frage: „Das weiß ich jetzt nicht mehr.“ Grundsätzlich hielt der Hauptangeklagte aber an seinem Geständnis fest – und belastet die Richterin damit weiterhin schwer. Ratz habe ihn 2004 angerufen und „gejammert, dass es zu einer Zersplitterung des Erbes kommt“ und jene Menschen erben würden, die sich nie um den Verstorbenen gekümmert hätten. Seine Frage, ob „ein plötzlich auftauchendes Testament“ hilfreich wäre, habe die Richterin bejaht. Die Staatsanwaltschaft legte eine Auswertung der Telefonate vor. Demnach habe Ratz H. tatsächlich angerufen, was die Richterin aber vehement bestreitet.

Ratz-Einvernahme morgen?

Am Dienstag geht es mit der Einvernahme der anderen Angeklagten weiter. Ob im Laufe des Tages auch Richterin Kornelia Ratz Rede und Antwort stehen wird müssen, ist noch nicht sicher. Ratz ist Fünftangeklagte und wird deshalb erst als Fünfte befragt.

Ausblick auf den achten Prozesstag

Nachlese: Siebter Prozesstag im Fälscherprozess
home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Testaments-Affäre
  • Dornbirn
  • "Eine dunkle und schauderhafte Justizgeschichte": Ratz vor Gericht