VN-Heimat: Sie kennen die Situation in Deutschland und auch das Modell der Sprachförderung für Kinder in Nenzing. In Vorarlberg hat das Nenzinger Modell Vorzeigecharakter. Hält Nenzing dem Vergleich mit Deutschland stand?
Elke Schlösser: Das Modell Sprachfreude enthält alle Komponenten, die für wichtig erachtet werden: Eine sorgsame Beobachtung, die Förderung der Muttersprache egal welcher, die praktische Alltagsförderung in Bildungseinrichtungen ebenso, wie zu Hause sowie die Förderung der Mehrsprachigkeit. Es gibt heute kaum jemanden, der von Mehrsprachigkeit nicht profitiert. Und: Je jünger man ist, desto leichter erlernbar sind Sprachen.
VN-Heimat: Sehen Sie Sprache als Schlüssel zur Integration?
Elke Schlösser: Die Sprache ist sicherlich ein maßgeblicher Schlüssel, aber nicht der alleinige. Man kann von der Sprache nicht automatisch eine gelungene Integration ableiten da gibt es genug Beispiele, die das widerlegen.
VN-Heimat: Wie definieren Sie den Begriff Integration?
Elke Schlösser: Meine Lieblingsdefinition: Integration ist ein wechselseitiger Prozess des Gebens und Nehmens im Geiste der Toleranz der die Mehrheitsgesellschaft und die Zuwandererfamilien zum beiderseitigen Nutzen verändert. Als Konsequenz bedeutet das, dass auch die Mehrheitsgesellschaft nicht stehen beleiben kann und warten darf, bis die Zuwanderer integriert sind und auch umgekehrt die Zuwanderer nicht darauf warten, dass entsprechende Angebote an sie herangetragen werden.
VN-Heimat: Wie gehen Sie persönlich mit Ausländerfeindlichkeit um?
Elke Schlösser: Wichtig ist es, dass viele Gesellschaften aufeinander zugehen. Das kann durchaus auch Diskussionen bedeuten. Am schlimmsten ist es meiner Meinung, wenn Funkstille herrscht. Es braucht einen Motor in Form von Menschen, die sich engagieren. Das hat Modellcharakter für die ganze Gesellschaft.
VN-Heimat: Was ist ihre Vision von einem Miteinander von Migranten und Einheimischen?
Elke Schlösser: Am wichtigsten ist eine Basis, die auf gegenseitiger Achtung beruht. Man darf nicht glauben, dass das, was man selbst für normal hält, automatisch für den anderen ebenfalls gilt. Ich halte es hier mit einem Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach: Was ich mir vertraut gemacht habe, macht mir keine Angst mehr.
Zur Person:
Elke Schlösser
Diplom-Sozialarbeiterin aus Eschweiler (Nordrhein-Westfalen, Deutschland)
Mitarbeiterin Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, mehrfache Buchautorin (Wir verstehen uns gut Spielerisch Deutsch lernen oder Zusammenarbeit mit Eltern interkulturell, erschienen im Ökotopia-Verlag)
Infos: www.wir-verstehen-uns-gut.de
BU (Foto im Gespräch)
Elke Schlösser im Gespräch mit Andreas Holzknecht (Obwohl). (Fotos: em)
Zitate:
Wichtig ist es, dass viele Gesellschaften aufeinander zugehen. Das kann durchaus auch Diskussionen bedeuten.
Elke Schlösser
Man darf nicht glauben, dass das, was man selbst für normal hält, automatisch für den anderen ebenfalls gilt.
Quelle: Kager Elke
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