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Ein sicherer Ort der Ruhe

Cat Power veröffentlicht nach acht Jahren erneut ein Cover-Album. Die "Jukebox" enthält elf Beiträge aus den Schatztruhen des Blues, Rock und Folk, dazu zwei Eigenkompositionen. 

Der Inhalt von Cat Powers “Jukebox” ist ein paar Universen von dem entfernt, was Cat Power auf ihrem ersten Cover-Album demonstrierte. Das Album hat Cat Power mit ihrer Tourband eingespielt, die Songs hören sich an, als träten die Sängerin und ihre Musiker in einer leeren Arena vor imaginären Publikum auf, Cat Power im Dialog mit sich selbst. Zum Einstieg fährt Cat Power den strahlenden Evergreen “New York” gleich auf Rock-Mittelmaß runter: Wenn Chan Marshall in einer Stadt aufwacht, die niemals schläft, dann hört sich das nach den letzten Takten einer feindseligen Nacht an – Swinging Frankieboy hätte da längst unter dem Tresen gelegen.

Womit wir bei einer Etappe in der Karriere der heute 36-jährigen Amerikanerin wären, die zwar abgeschlossen ist, aus den Erinnerungen der Fans aber so schnell nicht zu tilgen sein wird. Jahrelang lieferte Cat Power Bilder einer psychisch Verletzten und Desorientierten, deren Auftritte nur eins blieben: unberechenbar. Die Künstlerin in alkoholisiertem Zustand, dem Publikum abgewandt, mit sich selbst beschäftigt, ewig ihre Gitarre stimmend, Songs immer wieder neu startend oder ohne Punkt und Komma spielend, nur um sich nicht dem Applaus des Publikums auszusetzen. Manchmal auch göttlich. Cat Power heute: “Ich möchte heulen, wenn ich an diese Shows denke.”

Ein Richard-Avedon-Foto im Jahr 2003 katapultierte Cat Power in die Liga der “sonderbaren und wunderbaren Menschen”, wie Henri Cartier-Bresson die Objekte im Universum Avedons nannte. Das Schwarz-Weiß-Foto zeigte die Sängerin mit Zigarette, Bob-Dylan-Tuch und einer bis zum Schamhaar geöffneten Jeans. Kommentar Cat Power: “Ich war so betrunken, dass ich mich kaum aufrecht halten konnte. Ich war auch nicht in der Lage, den Reißverschluss hochzuziehen, weil mein Magen schmerzte.”

Jahre später entdeckte Karl Lagerfeld Chan Marshall vor dem Eingang des New Yorker Mercer Hotels, auf einem Stapel Louis-Vuitton-Koffern sitzend, zwei Gitarren neben ihr und eine Zigarette in der Hand. Lagerfeld soll ganz charmant geworden sein: “Nur eine Frau kann so glamourös aussehen, wenn sie raucht.” Chan nahm ihre Sonnenbrille ab, zeigte auf ihre Tränensäcke und fragte: “Mit denen?”. So wurde Cat Power zum Gesicht von Chanel.

Zur Klatschspaltenkönigin ist die heute in Miami lebende Musikerin dennoch nicht avanciert. Nach den Aufnahmen zu ihrem Album “The Greatest” (2006), das inzwischen über zwei Millionen Mal verkauft war, erlitt Cat Power einen Zusammenbruch und musste ihre US-Tournee absagen, seitdem aber gibt es nur noch gute Meldungen aus dem Camp der zerbrechlichen Künstlerin. Cat Power bezeichnet sich selbst als trocken. Das Album, das sie uns jetzt reicht (mit Songs von Songs von Nick Cave, Joni Mitchell, Hank Williams, James Brown) vermittelt selbst im größeren Gitarrenlärm eine Art sicherer Ruhe. Es wird Cat Power mehr neue Freunde bescheren als alte Fans enttäuschen.

Cat Power – New York:

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