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Ein Oberländer in der Geisterstadt

Wenn man im Outback zu Fleisch kommen will, muss man sich schon mal ein Känguruh schießen – Verarbeitung bei über 40 Grad im Schatten inklusive.
Wenn man im Outback zu Fleisch kommen will, muss man sich schon mal ein Känguruh schießen – Verarbeitung bei über 40 Grad im Schatten inklusive. ©Privat
Mario Hartmann aus Sulz lebte fast 32 lang in der australischen Geisterstadt Wittenoom.
Auswanderer Mario Hartmann

Von Christoph Steindl (Wann&Wo)

Die „Aussie“-Band Midnight Oil hatte Wittenoom, das jahrelang für Asbest-Abbau bekannt war, 1989 in ihrem Song „Blue Sky Mine“ kritisch thematisiert. 2019 lebten in diesem „Lost Place“ laut Wikipedia drei Menschen, einer davon war Mario Hartmann, der dort knapp 32 Jahre seiner Lebenszeit verbracht hat. Vor rund zwei Jahren war auch ein Filmteam der Pro-7-Sendung „Galileo“ vor Ort.

Rund dreißig Jahre im Outback – dafür muss man kein Misanthrop sein. Mario erklärt: „Ich hatte vor der Pandemie oft Besuch von Verwandten und Freunden aus Österreich. Eine Runde kam jedes Jahr für einen ganzen Monat vorbei.“

Auch mit den wenigen Einheimischen hat sich Mario schnell verstanden. Die meisten Nachbarn waren Nachkommen der Aborigines, den Ureinwohnern Australiens, die mittlerweile mehr Brüder als Freunde sind.

Die Schönheit der Landschaft rund um Wittenoom hatte es Mario von Anfang an angetan. „Zimperlich sollte man hier allerdings nicht sein“, weiß der Vorarlberger. „Will man Fleisch essen, muss man sich eben ein Känguru schießen, welches man dann auch verarbeiten muss. Bei 42 Grad können schon die kleinsten Arbeiten sehr anstrengend werden.“ Auch die berüchtigte australische Fauna hat einiges zu bieten: Skorpione in den Schuhen und im Wohnzimmer, massive Tausendfüßler und Spinnen, sowie Besuche von fünf Meter langen Pythons gehören zum Alltag.

„Doch irgendwann ist auch der härteste Sulner zu alt, um auf Dauer alleine in der Wildnis zu leben“, erzählt Mario. „Ich bin 57, der Körper lässt nach. Ich brauche nun öfter Ärzte.“ Um seinen Einkauf zu erledigen, musste er erst einmal 130 Kilometer durch die Pampa fahren. Ein Arztbesuch war, mit 200 Kilometern Autofahrt und anschließendem Flug, eine Odyssee. So zog Mario näher an die Zivilisation, nach Chidlow, im Westen Australiens.

„Im Winter brennt hier alles“

Alles ist hier ein bisschen näher, dennoch lebt der Vorarlberger weg vom Schuss in den „Perth Hills“. Mario filmt mit dem Handy rund um sein Haus. Ein Garten, Wasserspeicher, der Fuhrpark – sonst sieht man auf Marios zwei Hektar Grundstück nur Bäume. Mario zeigt Brandspuren vom vergangenen Jahr. „Damit es im Sommer nicht unkontrolliert brennt, müssen wir im Winter, wenn es feuchter ist, brandroden.“ Wie wichtig das ist, merkte er vor ein paar Wochen, als die Buschbrände nur unweit von seinem Haus entfernt waren.

Trotz der besseren Infrastruktur in Perth, lässt Mario Wittenoom nicht los. So fährt er jeden Sommer ein paar Monate in den Norden, wo er in der Wildnis campiert. „Es ist die Landschaft, die mich immer wieder ruft. Die Zivilisation ist mir auf Dauer zu langweilig“, sagt der Abenteurer.

Doch nicht nur der Busch ruft den 57-jährigen. Mario möchte nach der Pandemie in Vorarlberg vorbeischauen, um seine Mutter nach über 30 Jahren wiederzusehen.

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