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Ein krummer Wald in Polen

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 Conrad Amber auf der Spur von rätselhaften Bäumen. 
Conrad Amber

 

Dornbirn. Anlass für das Gespräch mit Conrad Amber, 63 – Naturfotograf, Autor, Vortragender – ist sein Besuch im Krummen Wald nahe des Nationalparks Unteres Odertal an der deutsch-polnischen Grenze, der selbst Fachleuten Rätsel aufgibt. Vor kurzem gab es einen TV-Beitrag mit dem Dornbirner Naturliebhaber im rbb, Radio Berlin Brandenburg.

Wie haben Sie den Kiefernwald mit krumm gewachsenen Bäumen, dem ein großer Mythos anhaftet, entdeckt?

CONRAD AMBER: Durch mein Netzwerk von Fachleuten habe ich Kenntnis von zahlreichen skurrilen Besonderheiten, die die Natur hervorbringt. Sobald es ein Ort auf meine Shortlist schafft, nutze ich die nächste Gelegenheit, mir das anzusehen. Auslöser, den Krummen Wald in Polen zu besuchen, war aber die Anfrage der Journalistin Martina Hiller von Gaertringen vom Rundfunk Berlin Brandenburg, die ganz unvermutet ins Haus flatterte. Sonst wäre ich nicht so schnell in den zwei Autostunden von Berlin entfernten „Krzywy Las“ gelangt.

Welche Erklärung gibt es für das Phänomen dieser krumm gewachsenen Bäume?

CONRAD AMBER: Es gibt keine Erklärung, wohl aber hartnäckige Gerüchte. Nach vielen Gesprächen schließe ich nichts aus – außer vielleicht Hexenzauber (lacht). In Polen und bei Dendrologen ist dieser Wald seit langem bekannt, wie mir der Förster Daniel Pogorzelec erzählte. Die ungewöhnliche und unerklärliche Wuchsform der vor dem zweiten Weltkrieg gepflanzten Kiefern blieb lange Zeit unentdeckt. Seit den 1960er-Jahren ist der Wald Thema von Spekulationen. Dass fast alle erdnahen Krümmungen in dieselbe Richtung zeigen, ist Indiz für einen zeitgleichen Eingriff von Menschenhand, der nach einem orkanartigen Sturm passiert sein könnte.

Ihr Buch „Baumwelten und ihre Geschichten“ ist durch viele Lesungen und Vorträge bekannt geworden. Wovon erzählt der 447 Seiten starke Bildband?

CONRAD AMBER: Von den ältesten Bäumen ihrer Art und den letzten Urwäldern, mitten in Europa. Ihre Geschichte, ihr bewegendes Leben, ihre letzten Geheimnisse.

Wie ergründen Sie das Wesen der Bäume von Ahorn bis Zirbe?

CONRAD AMBER: Je tiefer ich in die Materie eintauche, umso faszinierter bin ich vom Lebewesen Baum. Das Wesen von Naturdenkmälern erschließt sich mir einerseits nach dem Standort und andererseits nach dem Alter. Eichen oder Linden können über 900 Jahre alt werden. Bäume sehe ich als komplexe Lebewesen die kommunizieren, reagieren und sogar agieren können.

Sie sind oft barfuß im Wald unterwegs. Es ist vor allem der Urwald, der es Ihnen angetan hat. Sie schreiben, dass es in unserer Gegend elf nahezu unberührte Wälder gibt. Wie fühlt es sich da an, wo es kaum Menschen gibt?

CONRAD AMBER: Barfuß gehen bringt Sinngewinn, aber auch eine Gratismassage und ein herrliches, geerdetes Gefühl. Es macht mich langsamer, behutsam und achtsam. Du entdeckst so die Natur völlig neu, denn als hastender Mensch oder im sportlichen Training bleibt vieles verborgen. Im naturnahen Wald, der sich größtenteils ohne menschlichen Einfluss regelt, wird die Vielfalt der Flora und Fauna unermesslich und das Erlebnis unvergesslich.

Detaillierte Recherchen haben Sie mittlerweile zum Experten gemacht. Wie ist es angesichts des Klimawandels um unsere Wälder bestellt?

CONRAD AMBER: Das Klima hat sich nie so drastisch und schnell gewandelt wie heute. Der Mensch ist eindeutig der Verursacher oder der Verstärker. Flora und Fauna müssten sich quasi anders anpassen, als ihr biologischer Bauplan das vorsieht. Das geht aber nicht. Die Fichte ist als nordischer Baum in unseren Regionen stark gefährdet. Trockenheit, Starkwind und Käferbefall nehmen zu. Wer heute noch Waldbau betreibt, wie in den 1980er-Jahren, denkt nicht an die Zukunft. Vorausschauende Waldbesitzer und Förster bauen deshalb die Waldgesellschaft schon seit längerem um. Robinie, Walnuss, Edelkastanie, verschiedene Eichenarten und Ulmen findet man inzwischen oft in unseren Wäldern, wo sie noch vor wenigen Jahren keine Überlebenschance hatten. Im übrigen muss den Stadtbäumen in heißen Sommermonaten vermehrt Wasser gegeben werden, was kaum gemacht wird. Vertrocknete Bäume kosten sehr viel Geld.

Conrad Amber, Badgasse 7, Dornbirn www.conradamber.com

TV-Beitrag Krummer Wald:

https://www.rbb-online.de/kowalskiundschmidt/

 

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