AA

Eckart Ratz: "Weiterer Eingriff in die Pressefreiheit wäre unverhältnismäßig"

OGH-Präsident Eckart Ratz über den Einsatz von Livetickern bei Gerichtsprozessen.
OGH-Präsident Eckart Ratz über den Einsatz von Livetickern bei Gerichtsprozessen. ©APA
Pascal Pletsch (VOL.AT) pascal.pletsch@russmedia.com
Schwarzach. - Die VOL.AT-Liveberichterstattung von der Testamentsaffäre sorgt - nach einer Beschwerde von Richter Andreas Posch - derzeit für Aufsehen. Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshofs in Österreich, im VOL.AT-Interview über den Einsatz von Livetickern bei Gerichtsprozessen.

VOL.AT: Wie schätzen Sie als Präsident des OGH die Verwendung von Livetickern bei Gerichtsprozessen ein?

Eckart Ratz (OGH-Präsident): Durch Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und die Meinungsfreiheit des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention –  insbesondere unter deren Aspekt der sogenannten Pressefreiheit – wird die Kontrolle der Gerichtsbarkeit sichergestellt. Einschränkungen bedürfen daher einer besonderen gesetzlichen Rechtfertigung. Soweit ich der Medienberichterstattung entnehme, wurde hier ein Vorrang des Interesses der Wahrheitsfindung im Strafprozess als möglicher Grund für einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit erwogen.

VOL.AT: Welche Konsequenzen würden Sie sich aus der aktuellen Diskussion wünschen bzw. welche sind notwendig?

Eckart Ratz: Noch zu vernehmende Zeugen sollten tatsächlich möglichst unbeeinflusst von den Vorgängen im Gerichtssaal berichten. Diesem Aspekt trägt § 241 Abs 1 zweiter Satz der Strafprozessordnung Rechnung, der Vorsitzende verpflichtet, „die nach den Umständen erforderlichen Vorkehrungen zu veranlassen, um Verabredungen und Besprechungen der Zeugen zu verhindern”.

VOL.AT: Das Justizministerium strebt keine Gesetzesänderung an und sieht in der Berichterstattung via Liveticker kein grundsätzliches Problem. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?

Eckart Ratz: Soweit Zeugen ohnehin erst zu einem späteren Verhandlungstermin vernommen werden sollen, wird die Möglichkeit ihrer Beeinflussung durch Liveticker nicht mehr berührt als durch die sonstige Berichterstattung. Soweit die Zeugen am selben Tag vernommen werden sollen, genügt es, deren Zugriff auf Liveticker zu unterbinden. Das kann durch ähnliche Maßnahmen geschehen wie sie angebracht sein können, um Zeugen dem Einfluss von Informanten über das im Gerichtssaal Vorgekommene zu entziehen (zB Aufenthalt in einem eigenen Zimmer, zu dem Personen, die aus dem Gerichtssaal kommen, keinen Zugang haben). Da das zur Sicherstellung der Wahrheitsfindung durch unbeeinflusste Zeugen genügt, wäre ein darüber hinaus gehender Eingriff in die Freiheit der Presseberichterstattung unverhältnismäßig, sodass der Gesetzgeber meines Erachtens zu Recht davon abgesehen hat. Ein Problem unter dem Aspekt des Verbots von Fernseh-, Hörfunk-, Film- und Fotoaufnahmen im Sinn des § 22 MedienG besteht durch Liveticker nicht.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Eckart Ratz: "Weiterer Eingriff in die Pressefreiheit wäre unverhältnismäßig"