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"Drei Fünfer" provozieren

Schwarzach (VN) -  Im VN Interview spricht Ex-Vizekanzler Hannes Androsch (SPÖ) über das Bildungs-Volksbegehren. Initiator Androsch wirft der Regierung vor, unausgegorene Vorschläge zu machen.
Herr Dr. Androsch, die bisherige Unterstützung zur Einleitung des Bildungs-Volksbegehrens bezeichnen Sie als „erfreulich, aber nicht ausreichend“. Worauf ist das zurückzuführen?

Hannes Androsch: Wir haben sehr hohe Ansprüche: Wir wollen mit einem ordentlichen Unterstützungssockel, also einer entsprechenden Startrampe ins eigentliche Volksbegehren im Herbst gehen. Wobei jede Unterschrift, die zur Einleitung in einem Gemeindeamt getätigt wird, bereits für das Ergebnis des Volksbegehrens zählt. Die Umfragen versichern uns eine große Zustimmung und eine geringe Ablehnung – und viele Unentschlossene. Sie gilt es zu mobilisieren.

 
Ist der Forderungskatalog zu kompliziert, steckt zu wenig Emotion hinter dem Bildungs-Volksbegehren?

Androsch: Die Leute sind mit Informationen übersättigt. Viele wissen noch nicht einmal, dass ein Bildungs-Volksbegehren geplant ist.

 
Sie fordern eine große Bildungsreform – vom Kindergarten über die Lehrerausbildung bis zur Universität. Nun scheint die Regierung ja aufzuwachen. So hat sie soeben eine Oberstufenreform vorgelegt …

Androsch: Das war wieder eine dieser unausgegorenen Detailfragen.

 
Sie meinen das „Sitzenbleiben mit bis zu dreiFünfern“?

Androsch: Es muss doch vielmehr darum gehen, zu verhindern, dass jemand so weit kommt, dass er sitzenbleiben könnte. Man kann nicht einfach sagen, „du musst mit drei Fleck nicht wiederholen“. Wie soll das dann bei der Matura gehen? Damit wird die Latte so niedrig gelegt, dass das Niveau sinkt. Wir müssen das Niveau heben, die Begabten fordern und die anderen fördern.

 
Auch Ihnen hat Unterrichtsministerin Schmied (SPÖ) die Oberstufenreform also noch nicht erklären können.

Androsch: Auch (ÖVP-Bildungssprecher) Amon nicht. Ich rede ja mit allen.

 
Sie sagten, die Reform sei unausgegoren.

Androsch: Das passiert ja jetzt immer wieder. Was wir stattdessen brauchen, ist ein Gesamtkonzept als Perspektive, um nicht zu sagen: Mission. Schließlich braucht die Umsetzung einer solchen Reform zehn, 15 Jahre.

 
Könnte die großkoalitionäre Pattstellung durch eine Kompromisslösung aufgebrochen werden: Die ÖVP schluckt die Gesamtschule, die SPÖ die Studiengebühren?

Androsch: Die Studiengebühren sind eine Nebenfrage. Viel wichtiger ist die Zugangssteuerung. Die Studiengebühr könnte nur eine Schutzgebühr sein oder ein Steuerungselement, wobei man auch die Studienförderung entsprechend ausgestalten müsste.

 
Viele Schüler haben ein größeres Sprachdefizit. Integrations-Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) meint daher, schon Vierjährige sollten den Kindergarten besuchen müssen.

Androsch: Aber nicht nur Migranten!

 
Nein, alle, die ein Sprachdefizit aufweisen.

Androsch: Wahrscheinlich wäre das schon im Alter von drei Jahren sinnvoll. Elementarpädagogen sagen, wer mit Fünf mit einem Defizit in den Kindergarten kommt, kann das nicht in einem Jahr wettmachen; dazu sind drei Jahre notwendig. Man muss die Kinder also viel früher in den Kindergarten schicken. Das würde auch der gesellschaftlichen Wirklichkeit gerecht werden: Viele Väter und Mütter sind berufstätig.

 
Die Regierung will die Ganztagsbetreuung an Schulen ausweiten. Auch das müsste Sie freuen.

Androsch: Die Ganztagsbetreuung als Aufbewahrung ist kein Ersatz für eine Ganztagsschule. Am Nachmittag „ein bissl aufpassen“ ist nicht einmal eine Notlösung.

 
Wer, wenn nicht die große Koalition, ist zu einer großen Bildungsreform fähig?

Androsch: Notwendig ist das Engagement der Bürger.

 
Sie hoffen, das Volksbegehren führt zum Durchbruch?

Androsch: Es hat zumindest dazu geführt, dass Bildungsfragen stärker thematisiert werden. Aber es muss zu einer Massenbewegung kommen, die diese Lähmung der Politik hinwegschwemmt.

 
Wie viel Unterstützung erwarten Sie für das Begehren?

Androsch: Ich will keine Zahlen nennen, aber so viel wie möglich.

 
Der nächste Kanzler heißt möglicherweise Strache. Er lehnt fast alle Forderungen des Volksbegehrens ab.

Androsch: Die Bildungsferne, die er damit zum Ausdruck bringt, ist ein weiterer Grund dafür, dass er ungeeignet ist. Das ist ein Weckruf für alle konstruktiven Kräfte im Land.

 
Wann werden Sie das Volksbegehren wieder einmal in Vorarlberg bewerben?

Androsch: Im Herbst. VN-JOH

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