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"Draußen tobt die Dunkelziffer"

Manchmal ist die Kunst der Realität tatsächlich um ein paar Nasenlängen voraus. Als hätte sie die internationale Finanzkrise vorausgesehen, hat die Salzburger Autorin Kathrin Röggla ein Stück über die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Schlecht-Verdiener dieser Welt geschrieben.

“Draußen tobt die Dunkelziffer” ist ein buntes Mosaik in 72 Szenen, in dem Röggla die zunehmende Massenverschuldung parodiert und ein buntes Mosaik von treffenden, ironischen sowie komischen Auswüchsen des konsumorientierten Zeitgeistes auf die Bühne bringt. “Draußen tobt die Dunkelziffer” ist seit Mittwoch im Salzburger Schauspielhaus zu sehen.

Kauf- und Spielsüchtige, Arbeitsscheue, aber auch Arbeitswütige sowie die Weltmarktführer und ihre Jünger sind die Helden in diesem knapp zweistündigen Einakter in der Regie von Martin Scharnhorst. Vom Geld beherrscht werden sie alle, aber ihrer eigenen Geiselhaft ins Gesicht zu schauen, das wagen weder die Reichen noch die Armen. Das ist die zentrale Botschaft dieses Stückes, und die ist ganz schnell klar geworden an diesem Premierenabend. Allzu schnell.

Individuelle Charaktere hat Röggla nicht vorgesehen für ihre durchaus beißende und auch bunte sowie gesellschaftskritische Revue. Eher sind es Stereotypen, die sich im kühlen und geheimnisvoll-raffinierten Bühnendesign von Ausstatter Friedrich Despalmes tummeln. Einmal mit fetzig gedachten, aber nicht immer gelungenen Musik- und Tanzeinlagen, dann wieder in einsamen Monologen. Manchmal hektisch und verzweifelt, manchmal witzig und ironisch, apathisch oder kalt. Irgendwo kann und wird sich jeder finden in diesem Kaleidoskop der Geldnot. Denn Röggla stichelt durchaus gekonnt in den in Krisenzeiten so allgegenwärtigen Abstiegs-Ängsten.

Und doch ist die Luft bald draußen, und die Dunkelziffer theatralischer Wiederholungen in Text und Inszenierung hat auch ihre zähen Seiten. Wir wissen eh schon längst, was Röggla faul findet und was wohl auch faul ist im Staate Dänemark. Auch ohne Riesenspiegel am Ende wären wir drauf gekommen, dass wir alle gemeint sind. Aber mit Skurrilität, deftiger Übertreibung und Spott am Rande des Absurden rettet sich das Schauspielhaus mehr als respektabel über die Distanz.

Dazu tragen die Schauspieler nicht unwesentlich bei: Hansi Anzenberger, Ulrike Arp, Daniela Gnoycke, Ute Hamm, Oliver Hildebrandt, Georg Reiter, Olaf Salzer, Volker Wahl und Christiane Warnecke schlüpfen gekonnt von einer Rolle in die nächste, liefern eine sprachliche Bandbreite von Theaterdeutsch bis zu schwäbisch, sächsisch sowie österreichischen und bayerischen Dialekten und unterhalten das Publikum mit kabarettistischen Einlagen. “Draußen tobt die Dunkelziffer” ist flottes Theater mit klarer Botschaft. Aber Einmal-Sagen hätte genügt.

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