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Diskriminiert bis zum heutigen Tag – Vorarlberger Kinder von Marokkanern

Karin Trappel stand nach dem Film Johannes Spies und dem Publikum im RIO Feldkirch für Fragen zur Verfügung.
Karin Trappel stand nach dem Film Johannes Spies und dem Publikum im RIO Feldkirch für Fragen zur Verfügung. ©Bandi R. Koeck
Feldkirch. (BK) Im RIO-Kino stieß der Film „Die Schwalben der Liebe“ auf großes Interesse und wurde im Anschluss in Anwesenheit der Hauptdarstellerin heftig diskutiert und analysiert.
Die Geschichte der Vorarlberger Marokkanerkinder

Eine Szene des Filmes erinnert besonders an Steven Spielbergs „Schindlers Liste“, bei der die Kinder mit ihren Eltern in Jerusalem aufmarschieren. Im Dokumentarfilm „Die Schalben der Liebe/Les Hirondelles de làmour“, der teilweise in Vorarlberg gedreht wurde – in Feldkirch, Gurtis oder Bregenz – gibt es diese ähnliche Szene am Bahnhof Feldkirch, wo ein Dutzend Vorarlbergerinnen und Vorarlberger – Nachkriegskinder mit marokkanischem Hintergrund – gemeinsam marschieren. Der 82-minütige Film von Jawad Rhalib, der auf deutsch, englisch, französisch und arabisch ist, wurde erstmals in Vorarlberg gezeigt und stieß auf reges Interesse, da dieser Film ein bis heute dagewesenes Tabu aufbricht.

Die in Bregenz lebende Karin Trappel spielt darin die Hauptfigur. Sie erzählt retrospektiv über ihre frühe Kindheit, die Beziehung zu ihrer Mutter und die Suche nach ihrem leiblichen Vater. „Es war stets ein großer Wunsch, meinen Vater zu finden“ erzählt sie im Film und befindet sich unter den Anwesenden im RIO-Kino. Sie spricht offen über alles Erlebte, etwa davon, dass ihr Nachbarskinder auf der Straße „Negerpuppe“ nachriefen. Wie in vielen Besatzungszonen wurden auch in Vorarlberg ausländische Soldaten 1945 zu Vätern, darunter marokkanische Soldaten der französischen Armee. Sie haben vielleicht 200 bis 300 Kinder zurückgelassen. Im Gegensatz zu anderen Nachkriegskindern hatten sie eine zu dunkle Haut oder zu lockige Haare um nicht aufzufallen. In einer von der Nazi-Propaganda geprägten, ländlichen und sehr katholischen Gegend genügte das, um gesellschaftlich diskriminiert zu werden. Ein lediges Kind zur Welt zu bringen, vor allem das Kind eines Marokkaners, brachte den Müttern Verachtung ein, so sehr, dass viele bis zum Lebensende nicht mehr von diesem Sommer 1945 reden wollten. Karin Trappel reiste vor Jahren zusammen mit Hamid Lechhab, gebürtiger Marokkaner, der schon unzählige Jahre in Vorarlberg lebt, in das Heimatland ihres Vaters und begab sich aktiv auf dessen Suche. Der Film zeigt, wie sich die Vorarlbergerin mit ihrer Herkunft versöhnt. Er ist voller Emotionen, ein sehr persönliches Portrait einer erfolgreichen Spurensuche. Im weiteren Verlauf kommen noch zwei andere Personen aus Vorarlberg zu Wort, welche eine ähnliche Geschichte haben. Neben Marioa Gold ist es auch der charismatische Georg Fritz aus Möggers. Er ist bekannt für seinen Stand am Bregenzer oder Dornbirner Wochenmarkt. Dort würde es regelmäßig vorkommen, dass Passanten meinten, er sei türkischer Herkunft und Aussagen wie „Bei diesem Türken kaufen wir nichts“ äussern würden. Er würde dann immer im breitesten Vorarlberger Dialekt nachrufen, dass er Vorarlberger sei und stets sein Marokkaner-Käppchen aufhaben. Fritz wisse nicht, ob seine Mutter von einem marokkanisch-stämmigen Soldaten, der in der französischen Armee gedient hatte, vergewaltig worden sei oder er aus Liebe gezeugt wurde. Er hoffe aber, das Letzteres der Fall gewesen sei. Auch er spricht – wie Trappel zuvor – frei von der Leber und plaudert aus dem Nähkästchen, zulange hat er wohl zu diesem Thema geschwiegen: „Bei meiner Hochzeit befürchtete die Familie meiner Frau, dass wenn sie von mir schwanger werden würde, sie dann dunkelhäutige Enkelkinder kriegen würden.“ Im Film kommt auch Dompfarrer Rudolf Bischof zu Wort, der für Versöhnung für begangene Fehler seitens der katholischen Kirche einsteht und den durch einen Pfarrer in Möggers stets diskriminierten Fritz zufrieden stimmt: „Damals verbot der Dorfpfarrer den anderen Kindern mit mir zu spielen.“
Der Film des Marokkaners Jawad Rhalib ist auch ein Plädoyer für Menschlichkeit und gegen Vorverurteilung, Schweigen und Stigmatisierung und wusste zu begeistern. Im Anschluss an den Film führte Johannes Spies von der Rhetikus Gesellschaft ein Gespräch mit Karin Trappel. Dabei unternahm Spies den Versuch, den Film mithilfe der Hauptdarstellerin genauer zu analysieren, bevor sie unzählige spannende Fragen seitens des Publikums gestellt bekam.

 

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