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Direktdemokratie hält Einzug in Vorarlberger Landesverfassung

Die Volksbefragung: Eines der Direktdemokratischen Instrumente, die zukünftig öfters zum Einsatz kommen sollen.
Die Volksbefragung: Eines der Direktdemokratischen Instrumente, die zukünftig öfters zum Einsatz kommen sollen. ©VOL.AT/Roland Paulitsch
Bregenz – Im Landtag wird heute eine Änderung der Landesverfassung beschlossen. Ziel ist, das direktdemokratische Element in Vorarlberg zu stärken. Manchen geht die Vorlage der Regierung aber nicht weit genug.

„Das Land bekennt sich zur direkten Demokratie in Form von Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen und fördert auch andere Formen der partizipativen Demokratie.“ So soll der neue Absatz 1 (4) der Vorarlberger Landesverfassung lauten, über den der Landtag heute abstimmt. Erwartet wird ein einstimmiger Beschluss aller Parteien.

Bekenntnis zur partizipativen Demokratie

Die Bedeutung dieses Vorganges beschreibt Michael Lederer vom Büro für Zukunftsfragen folgendermaßen: „Der Landtag wird einstimmig ein Bekenntnis zur direkten Demokratie ablegen und insbesondere auch andere Formen der partizipativen Demokratie in der Landesverfassung verankern – das ist in Europa einzigartig.“ Denn während direktdemokratische Instrumente wie Volksabstimmungen und Volksbegehren in den meisten modernen Demokratien zum fixen Inventar zählen, sind partizipative Instrumente noch eher selten anzutreffen. Gemeint sind damit jene Formen der Bürgerbeteiligung, bei denen die Bürgerinnen und Bürger nicht nur über eine bestimmte vorgegeben Frage abstimmen können, sondern selbst in die Entscheidungs- und Willensbildung einbezogen sind.

Bürgerräte bereits umgesetzt

In Vorarlberg wird das bereits in Form von Bürgerräten praktiziert. Das Prinzip ist einfach: 12 bis 16 Personen werden aus dem Melderegister ausgewählt. Sie erhalten dann eine Aufgabenstellung, zu der sie einen gemeinsamen Standpunkt entwickeln sollen. Das Ergebnis ihrer Überlegungen wird schließlich Politik und Öffentlichkeit präsentiert. Auf diese Weise wirkt die Bevölkerung bereits bei der Problemdefinition mit. Zuletzt ist das geschehen beim Bürgerrat zur Frage „Wie gelingt gute Nachbarschaft?“ Im Frühjahr soll das Thema Bildung diskutiert werden. Wie genau die Bürgerräte der Zukunft aussehen werden, ist freilich noch offen: Die Landesregierung will in knapp einer Woche eine Richtlinie vorlegen, die über die genaue Verfahrensweise Auskunft geben soll.

„Mit direkter Demokratie wenig zu tun“

Armin Amann von der Initiative „Mehr Demokratie!“ gehen die Vorschläge der Landesregierung allerdings noch nicht weit genug. Deswegen haben er und seine Mitstreiter schon im Dezember letzten Jahres eine alternative Formulierung des Art. 1 (4) vorgeschlagen, die ein Bürgerinitiativrecht, obligatorische Volksabstimmungen und die Direktwahl eines Teils der Volksvertreter vorsah. Die Bürgerräte in ihrer jetzigen Form hätten mit „mit direkter Demokratie wenig zu tun“, so Amann. Denn letztlich gehe die Initiative immer von den Herrschenden aus. Und diese rekrutierten sich nicht „aus dem Volk“, sondern aus Parteien und Verbänden. Was ihm stattdessen vorschwebt, ist ein dreistufiges Modell, an dessen Beginn ein Initiativrecht der Bürger steht. Wird dieses Anliegen nicht gehört, könnte in einer zweiten Stufe ein Bürgerbegehren in die Wege geleitet werden. Bei erneutem negativem Bescheid der Regierenden müsste in einem letzten Schritt die Bevölkerung in Form einer Abstimmung entscheiden. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Stimme des Volkes auch tatsächlich gehört werde.

Direkte Demokratie „besser“?

Einig sind sich Lederer und Amann hingegen in einem anderen Punkt: Selbst eine nicht perfekte Form der direkten Demokratie sei besser als das gegenwärtige, repräsentative System. „Mehr Mitbestimmung ist allseits gewünscht von den Bürgerinnen und Bürgern“, meint etwa Lederer. Auf das Problem mangelnder Wahlbeteiligung in der Schweiz angesprochen, entgegnet er: „Immer noch besser, 30 Prozent der Bevölkerung beteiligt sich, als ein kleiner Kreis entscheidet sozusagen intransparent über die Zukunft der Gemeinde, der Region, des Landes.“ Und Amann rechnet vor: Wenn sich nur ein Drittel der Wahlbeteiligten auch tatsächlich engagieren, wären das allein in Vorarlberg 45.000 Menschen. Und das sei auf jeden Fall Entscheidungen vorzuziehen, die von bloß 19 Menschen getragen werden. So viele Stimmen braucht nämlich ein Entwurf, um den Vorarlberger Landtag zu passieren. (MST)

Michael Lederer im Gespräch

 

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