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Die Schicksale hinter der Pleite

110 Mitarbeiter werden bei Bug-AluTechnic gekündigt (die NEUE berichtete). Helmut Gutensohn ist einer von denen, die gehen müssen. Die NEUE sprach mit drei Mitarbeitern. Interviews

„Wie kann ich meine Familie weiter ernähren?“

„Wie kann ich meine Familie weiter ernähren?“ Darüber zermarterte sich Helmut Gutensohn (40) letzte Nacht den Kopf. An Schlaf war nicht zu denken. Wie denn auch? Erfuhr der Bug-Alu-Mitarbeiter doch Stunden vorher, dass er seinen Arbeitsplatz verlieren würde.

Am Dienstag erschien er mit Augenringen in der Firma. Und mit der Hoffnung im Herzen, dass er zumindest noch einige Monate einen gesicherten Zahltag bekommt.

Der 40-Jährige, der seit fünf Jahren bei Bug-Alu arbeitet, will sich nicht ausmalen, was es bedeuten würde, wenn er stempeln müsste. Aber so viel weiß er: „Es wäre schrecklich. Denn vom Stempelgeld allein könnten wir nicht leben“, so der Vater zweier minderjähriger Töchter zur NEUE.

Reicht doch selbst sein Lohn von 1300 Euro netto kaum aus, um die Familie durchzubringen. Deshalb ging ja auch seine Frau arbeiten. Bis letzte Woche. Da wurde sie gekündigt. Gutensohn lapidar dazu: „Auch Adeg baut Personal ab.“

Gemeinsam geweint

Als er seiner Frau Elisabeth erzählte, dass es nun so weit sei, dass die Produktion geschlossen und nach Ungarn verlagert würde, fing sie an zu weinen. Da konnte auch er seine Emotionen nicht mehr zurückhalten. Da flossen auch bei ihm, dem hartgesottenen Mannsbild, die Tränen.

Gemeinsam beweinte das Ehepaar seine triste Situation. Auch heute ist der Arbeiter noch aufgewühlt. „WennÑs kommt, dann kommtÑs dick“, sagt er. Und: „Dieses Jahr ist für mich das schlechteste Jahr überhaupt. Zuerst kriselte unsere Ehe. Und dann das jetzt.“ Gutensohn kann es kaum glauben, dass über einen Menschen in so kurzer Zeit so viel Ungemach hereinbrechen kann.

Dennoch: Der gelernte Tischler will dem Leben die Stirn bieten. Und sich nicht unterkriegen lassen. „Ich kann nicht den Kopf in den Sand stecken. Ich muss mich nach einer anderen Arbeit umschauen“, sagt der Mann, der bei Bug-AluTechnic einen sehr guten Ruf hat – weil er so fl eißig und überall einsetzbar ist.

Weihnachten wäre gerettet

Der Vater einer acht- und fünfzehnjährigen Tochter könnte sich zum Beispiel gut vorstellen, bei der Firma Blum in Bregenz zu arbeiten. Aber der Lauteracher wagt es kaum zu hoffen, dort einen Job zu bekommen. „Das wäre zu schön. Dann wäre Weihnachten gerettet.“ SagtÑs und wischt sich mit einem Papiertaschentuch verlegen die Augen.


Eher zuversichtlich
Bruno Kreidl arbeitet seit sechzehn Jahren bei Bug-Alu-Technic. Der 52-Jährige hat nie eine Lehre gemacht. „Für eine Ausbildung reichte das Geld nicht. Ich war das älteste Kind von neun Kindern.“ Zuerst arbeitete er in einer Lederfabrik, dann in einem Sägewerk. Dass es mit Bug-AluTechnic abwärts geht, ahnte er schon lange. „Die Jubiläumszahlungen und die Essensmarken wurden gestrichen.“ Kreidl trifft der drohende Jobverlust hart: „Ich habe noch Schulden. Und eine kranke Frau zuhause.“ Nachsatz: „Letzten Monat gaben wir nur für Medikamente 75 Euro aus.“ Der Krumbacher ist aber zuversichtlich, dass er einen neuen Job im Wald findet. „Wenn ich die Kündigung bekomme, bewirb ich mich bei der Fräserei Höckle in Langenegg.“


„Im ersten Moment fällt man in ein Loch“

Frederike Aiello arbeitet bei Bug-AluTechnic am Empfang. Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder hofft, dass sie ihren Job behalten kann.

Frederike (48) bereitet ihre Arbeit viel Freude. „Ich telefoniere wahnsinnig gerne und bin gern mit Menschen zusammen“, erzählt sie. Die Harderin arbeitet seit vier Jahren am Empfang bei Bug-Alu. Sie ist dankbar, dass sie diesen Job hat. Denn an ihm hängt viel. „Ich bin alleinerziehende Mutter von drei Buben im Alter zwischen 14 und 18 Jahren.“

Am Montag erfuhr sie, dass Personal abgebaut wird. Überraschend kam es für sie nicht. „Denn man wusste schon lange, dass es kriselte.“ Aber insgeheim hatte sie gehofft, „dass ich hier so lange arbeiten kann, bis meine Buben für sich selber sorgen können“.

Obwohl sie nicht zu denen gehört, bei denen von vornherein feststeht, dass sie gehen müssen, hat sie in der Nacht kein Auge zugetan. Denn ihr ist klar: Das Damoklesschwert der Kündigung schwebt auch über ihr.

Frederike ist ein positiver Mensch. „Aber im ersten Moment fällt man in ein Loch.“ In der Nacht habe sie sich im Bett gewälzt und Alternativen überlegt. „Einfach wird es nicht. Denn ich bin ja schon 48“, so Frederike zur NEUE. Aber sie ist sich sicher, dass sie auch diese schwierige Situation meistern wird. „Ich habe schon einmal bei Null angefangen, nach meiner Scheidung. Also werde ich es auch dieses Mal schaffen, sollte es nötig sein.“ Doch die Hoffnung, dass sie nicht zu denen gehört, die gehen müssen, hat sie noch nicht aufgegeben.

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