Anna Katherina Hämmerle erlebte viel in ihrem langen Leben: ein Kaiserreich, zwei Weltkriege voller Hunger und Elend, zwei Republiken. Heute ist die Lustenauerin mit ihren 108 Jahren die älteste Vorarlbergerin – und weiß viel zu erzählen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.
Anekdoten vom Kaiser
Sie sitzt im Rollstuhl, die Augen und Ohren sind nicht mehr die besten. Die geistig rüstige Greisin erzählt gern von Besuch des Kaisers in Lustenau. Stundenlang hätten die Schüler auf den Monarchen gewartet, der dann recht angetrunken mit stundenlanger Verspätung eingetroffen ist. So schön die Anekdote klingt, deckt sich die Geschichte der spitzbübisch lachenden Hämmerle nicht mit den historischen Gegebenheiten. So war sie beim letzten Vorarlbergaufenthalt des Kaisers Franz Josef gerade einmal drei Jahre alt. Doch den zu Schulzeiten gelernten Reim auf den Kaiser kann sie bis heute auswendig.
Der Glaube an den kurzen Krieg
Auch die Aufregung rund um den Ersten Weltkrieg sind der Ur-Uroma noch in Erinnerung. Wie die Menschen auf dem Kirchplatz den Krieg begrüßten, wie ihr Vater damals über den naiven Glauben an einen kurzen Krieg lachte. Sie war damals acht Jahre alt – und fürchtete sich vor dem Krieg, unter dem sie sich nichts vorstellen konnte.
Kriegsjahre als Hungerjahre
Während den Kriegsjahren litt man Hunger. Satt wurde man damals nie, erinnert sie sich. Da ihr Vater als Sticker arbeitete, hatte man bei Grabhers, so der Mädchenname Annas, kein eigenes Vieh zu Hause. Auf den Tellern landeten meist nur Steckrüben. Mit dem Kriegsende war das Hungerleiden noch nicht vorbei. Noch heute erinnert sich die Seniorin lebhaft daran, wie die Schweizer einmal Brot an der Grenze ausgaben. Nicht für einen Bonbon hätte man den errungenen Wecken Brot hergegeben.
Frieden im Alter
Der Krieg löst in ihr immer noch Unbehagen aus. “Ein Krieg bringt so viel Elend. Und trotzdem tun die Menschen das.” Ihr Vater starb im Ersten, zwei ihrer Brüder im Zweiten Weltkrieg. Sie selbst hatte das Glück, einen langen Frieden und die Fürsorge ihrer Familie erleben zu dürfen – bis ins höchste Alter.
(MRA)
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