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"Dialoge" mit Schönberg und Mahler

"Musikbilder" heißt die Herbst-Ausgabe des Salzburger Festivals "Dialoge", und die Internationale Stiftung Mozarteum nimmt ihren Titel wörtlich: So ist es der Film, der diese fünftägigen Reise zu den Wurzeln der Moderne begleitet.

Das Auftakt-Konzert der “Dialoge” am Freitag im Großen Saal des Mozarteums begann mit einer Film-Doku von Frank Scheffer, in der Musiker wie John Cage, Michael Gielen, Bernhard Haitink oder Luciano Berio über Schönberg und Mahler reflektieren. Und dann, erst dann, spielte die Camerata die Musik, von der die Rede war.

Keine Frage, Schönberg verwirrt noch heute. Seine “Fünf Orchesterstücke” opus 16 aus dem Jahr 1908 gelten als Durchbruch zur Moderne. Ohne innere Struktur und ohne symphonischen Aufbau, ist dieses Werk bloß ein Spiel von Farben, Rhythmen und Stimmungen. Und es enthält den Keim für viele der wichtigen musikalischen Blüten des 20. Jahrhunderts. Die Camerata Salzburg und Gerd Albrecht realisierten die Kammermusik-Fassung (aus dem Jahr 1920) dieses Schlüsselwerkes. Dabei machten sie deutlich, dass sie Schönberg spielen können, auch wenn dieser Komponist nicht zur Kernkompetenz des Ensembles gehört.

Besonders die weitgehend umgebaute und mit einigen neuen Gesichtern ergänzte Gruppe der ersten Geigen wackelte gelegentlich und wirkte alles andere als homogen und sicher. Dafür strahlten die Holzbläser aus Schönbergs Geflecht, und als Ganzes haben sich die Camerata und der umsichtige und souveräne Gerd Albrecht mit Haltung aus der “Affäre Schönberg” gezogen. Das gilt auch für Mahler.

Dessen “Lied von der Erde”, zum Teil nach chinesischen Gedichten und im Tonsystem der Pentatonik komponiert, entstand im Eindruck des Todes einer Tochter und könnte als neunte Symphonie gelten. 1921 versuchte Schönberg, das Große und Mächtige aus Mahlers Klangsprache zu nehmen und eine Kammermusik-Fassung zu erstellen. Er kam aber über die Hälfte des ersten von sechs Sätzen nicht hinaus, und so war es Rainer Riehn vorbehalten, Schönbergs Plan im Jahr 1982/83 zu vollenden. Diese wunderbare Version gab es gestern zu hören, und dabei war es vor allem der Mezzosopranistin Birgit Remmert zu danken, dass Mahlers traurige Suggestionskraft “Von der Schönheit” oder in “Der Abschied” ein Gewicht bekam, wie es mit ganz großem Orchesterapparat in Mahlers Originalversion auch nicht beeindruckender hätte sein können.

Von der tiefsten Altlage bis zur strahlenden Höhe, in Remmerts Stimme gab es alles, was “Das Lied von der Erde” braucht. Innig-melancholisch aber nie sentimental oder gefühlsduselig-übertrieben gestaltete die deutsche Sängerin diese zentrale Mezzo-Partie. Sie stemmte Mahler, aber sie plagte sich nicht. Das gilt nicht für den relativ kurzfristig eingesprungenen John Treleaven, der seinen Tenor nur mit angestrengtem Druck im bestimmt nicht rücksichtslos-lauten Orchesterklang durchsetzen konnte.

Heute, Samstag, geht die filmisch-musikalische Begegnung der “Musikbilder” im Festival “Dialoge” weiter. Elliott Carter wird im Zentrum stehen, es spielt das Österreichische Ensemble für Neue Musik. Morgen, Sonntag, stehen Mahlers “Kindertotenlieder” und Mozarts “Requiem” auf dem Programm. Der Montag und der Dienstag gehören Edgar Varese und John Cage sowie den filmischen Reflexionen von Frank Scheffer.

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