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Deutsche: Arbeit statt Urlaub

Seit 1999 doppelt soviel deutsche Gast­arbeiter in Vorarlberg: "Mir gefällt es in Vorarlberg sehr gut, man wird besser bezahlt – und in meiner Heimat Thüringen sieht es trist aus", sagt die 26-jährige Sina Kneisel aus Gera.

Die Gastronomiekraft arbeitet am Hochjoch und ist eine von 5102 deutschen Gastarbeitern im Ländle. Vor fünf Jahren haben in Vorarlberg 2241 deutsche Staatsbürger gearbeitet, zum Jahreswechsel 2005 waren es mehr als doppelt so viele. Zuletzt waren Zuwachsraten von bis zu 28 Prozent jährlich zu verzeichnen. Bevorzugte Branchen: Tourismus, Gesundheitsbereich – aber auch die Industrie setzt auf Leiharbeiter aus Deutschland. Drei große Gruppen Von den insgesamt in Vorarlberg beschäftigten 137.378 Personen besitzen 8900 eine türkische Staatsbürgerschaft, 8656 stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die drittgrößte Gruppe an Ausländern sind die Deutschen – alle anderen Nationen sind in der Statistik nur verschwindend gering vertreten.In einzelnen Orten ist der Anteil der deutschen Beschäftigten noch markanter angestiegen.

Deutsche: Boom in Lech

Lech/Zürs beschäftigt jeden Winter rund 3000 Mitarbeiter. 500 davon kamen im Winter 2003/2004 aus Deutschland. Ein Jahr später, in der nun zu Ende gegangenen Saison, waren bereits 930 Deutsche beschäftigt – ein Plus von 86 Prozent. Damit stellen die Deutschen in Lech den Löwenanteil, die nächstgrößte Gruppe bilden Schweden und Großbritannien – mit nur je 30 Dienstnehmern. „Die Hotelbetriebe wollen nun verstärkt wieder Österreicher – damit das Lokalkolorit nicht verloren geht“, sagt Dietmar Müller, Tourismus-Experte beim Arbeitsmarktservice Bludenz (AMS). Für nächsten Winter sucht das AMS deshalb wieder verstärkt Innerösterreicher als Saisonkräfte.

Das bessere Deutschland

Dass Ösiland bei den Deutschen hoch im Kurs steht, ist unumstritten. Das renommierte Hamburger Managermagazin kürte Österreich jüngst in einem Standortvergleich zum „besseren Deutschland“ und seit die deutsche Arbeitsagentur ihre Gangart verschärft hat, wächst der Druck auf Arbeitslose. „Seit ,Hartz IV‘ angekündigt wurde, ist die geographische und die berufliche Mobilität nochmals immens angestiegen“, so AMS-Landesgeschäftsführer Dr. Werner Schelling. Zu früh sei es allerdings, die Auswirkungen von Hartz IV auf Vorarlberg zu bewerten: „Da die Regelung erst am 1. Jänner in Kraft getreten ist, sind die konkreten Auswirkungen noch nicht in Zahlen zu fassen.“ Deutsche Fachkräfte wurden in den vergangenen Jahren von AMS und Wirtschaftskammer auf Jobbörsen – vorwiegend im Osten Deutschlands – aktiv angeworben. „Das führt aber nicht dazu, dass mehr EU-Bürger nach Vorarlberg kommen – es kommen die besseren Mitarbeiter“, weiß Hubert Salzgeber, Geschäftsführer der Tourismus-Sparte bei der Wirtschaftskammer. Mittlerweile wird aber keine Werbung mehr gemacht – Vorarlberg sei ein „Selbstläufer“.

Wichtige Verstärkung

Im Wintertourismus ist Vorarlberg auf Saisoniers angewiesen. „Jeden Winter haben wir einen zusätzlichen Bedarf von 2000 Personen“, erklärt Schelling. Insgesamt dürften mittlerweile 13.000 Personen im Vorarlberger Tourismus tätig sein – 4000 davon sind Deutsche. Der 26-jährigen Sina Kneisel aus Thüringen jedenfalls gefällt es im Montafon so gut, dass sie für die Sommersaison verlängert hat. Im Hochjochstöbli.

“Hartz IV”

  • Das Hartz-Konzept – benannt nach dem Experten Peter Hartz – soll den deutschen Arbeitsmarkt reformieren. Der vierte Teilbereich trat am 1. Jänner in Kraft. Unter anderem wurde darin das Arbeitslosengeld auf die Hälfte der Laufzeit reduziert und Langzeitarbeitslose müssen nun jeden legalen Job annehmen, sofern er nicht sittenwidrig ist.
    Quelle: wikipedia.de

Deshalb kommen die Deutschen

Experten beantworten Fragen zum Phänomen der deutschen Gastarbeiter. Nehmen Deutsche unsere Arbeitsplätze weg? Nein, da sind sich die Experten einig. Im Wintertourismus ist Vorarlberg seit Jahren auf Saisoniers angewiesen, da es einen zusätzlichen Bedarf von 2000 Arbeitskräften gibt. „Wir würden uns nicht derart für ausländische Mitarbeiter engagieren, wenn hiesige Arbeitnehmer dadurch arbeitslos würden“, so die Wirtschaftskammer. Das Arbeitsmarktservice versichert: Kein Deutscher hat in diesem Winter einem Vorarlberger Arbeitnehmer den Job weggeschnappt. Im Gegenteil: Das AMS versucht konkret, beispielsweise arbeitslose Verkäuferinnen aus Vorarlberg als Zimmermädchen an Beherbergungsbetriebe zu vermitteln.

Wo sind die Ostösterreicher geblieben, die früher in Vorarlberger Betrieben gearbeitet haben?
Die Kärntner, Steirer, Burgenländer und Wiener kommen nicht mehr im selben Ausmaß wie früher nach Vorarlberg, da viele durch den boomenden Thermentourismus in ihrer Heimat Ganzjahresjobs erhalten haben. Die so in Vorarlberg entstandene Lücke haben im Wesentlichen die Deutschen aufgefüllt. Da der Thermenmarkt gesättigt ist, hofft das AMS wieder auf mehr Saisoniers aus anderen Bundesländern.

Nach welchen Kriterien werden Jobs im Tourismus vergeben?
„Am liebsten einheimisch, toll ausgebildet, nicht unansehnlich, qualifiziert und direkt aus dem Ort stammend, so dass man kein Quartier braucht“, heißt es bei der Wirtschaftskammer. Weil das die Ausnahme ist, und die benötigten Kräfte auf dem heimischen Arbeitsmarkt nicht zu finden sind, sehen sich die Wirte nach Mitarbeitern aus anderen österreichischen Bundesländern um, in weiterer Folge auch um Mitarbeiter aus EU- oder Dritt-Ländern. Was ist mit heimischen Fachkräften? Nur noch 10 Prozent der Absolventen von Tourismusschulen landen tatsächlich im Gastgewerbe – und viele davon arbeiten dann lieber im Ausland. Die kalte Wintersaison über arbeiten zahlreiche Österreicher lieber auf den Kreuzfahrtschiffen der Weltmeere.

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