Soll das wirklich Haute Couture sein? Lange Fransen an heißen Minikleidern, die zudem noch eine Schulter freilegen und mit Goldstäben in Patronengürtelform durchwirkt sind? Oder schwarze Lederjacken und Bondage-Hosen, die Einblicke bis zum Hüftknochen gewähren? Die Entwürfe von Modemacher Alexandre Vauthier zeigten bei den Pariser Couture-Schauen am Dienstag, wo die “Hohe Schneiderkunst” inzwischen hinsteuern kann. In alle möglichen Richtungen – auch in solche, die früher kaum vorstellbar waren.
Hochelegant, anspruchsvoll und diskret
Für Partygirls mit Sex-Appeal muss genau so etwas dabei sein wie für ältere Damen à la Lee Radziwill. Die 82-jährige Schwester von Jacqueline Kennedy-Onassis wurde bei dem direkt vor Vauthier zeigenden Giorgio Armani vorsichtig von den Ordnern an ihren Platz geleitet. Sie repräsentiert die klassische Couture-Kundin: hochelegant, anspruchsvoll und diskret. Radziwill gilt auch im hohen Alter als Stil-Ikone. Das Magazin der New York Times widmete ihr vor über einem Jahr sogar eine Titelgeschichte.
Das, was Armani da für Herbst/Winter 2015/16 über den Laufsteg rauschen ließ, entspricht genau ihrem Stil: klassischer Chic mit einem Twist. Der lag diesmal in einer Verbeugung vor der Modemacherin Elsa Schiaparelli (1890-1973), deren Lieblingsfarbe Pink und ihrer Liebe zum Surrealen. Zur schmalen schwarzen Hose kombinierte Armani eine in Fuchsia leuchtende Schößchenjacke. Lange Abendroben schimmerten wie der Sternenhimmel, und es gab üppige Marabu-Mäntel in Regenbogenfarben.
Milliardenerbin Athina Onassis unter Zuschauern
Neben Lee Radziwill und der Schauspielerin Naomi Watts (“Birdman”) saß auch ihre Stiefgroßnichte, die erst 30-jährige Milliardenerbin Athina Onassis in der Schau. An Onassis wurde deutlich: Die Haute-Couture-Kundschaft hat sich enorm verjüngt. “Unter unseren Käuferinnen sind zum Beispiel wunderschöne 20-jährige Libanesinnen”, sagt zum Beispiel der deutsche Pressevertreter vom Modehaus Versace. Donatella Versace gingen in die gleiche Richtung wie Alexandre Vauthier: Rockstar-Glam mit Hippie-Attitüde vom Feinsten.
Für die Töchter aus gutem Haus, die es braver lieben, ist Giambattista Valli da, der schon am Montag zeigte. Seine wehenden Tüllröcke und Blütenstickereien erinnerten an Ballettstunde und Abschlussball, allerdings auf höchstem Niveau.
“Die Kunst liegt in der Mischung”
Vallis Kollegin Bouchra Jarrar wurde vor ein paar Saisons als mögliche Nachfolgerin Karl Lagerfelds bei Chanel gehandelt. Auch wenn dieses Thema schon wieder ad acta gelegt scheint (Lagerfeld zeigte sich in seiner Chanel-Schau am Dienstag in Hochform), sind ihre Schauen begehrt. Sportlich und raffiniert zugleich wirken die Entwürfe der Französin für die kommende Saison: Fließende “Pyjama”-Hosen, mehrlagige Tüllröcke in Meergrün, Trikots in pudrigem Rosé und Schwarz sowie gegürtete Oberteile aus Steinen und Federn. “Die Kunst liegt in der Mischung”, erklärte Jarrar nach der Schau. “Es darf nie zu viel von einer Sache sein.”
Zeitgemäße Romantik bei Dior
Die richtige Mischung fand auch Raf Simons bei Dior. Er hatte sich von flämischer Malerei und dem französischen Impressionismus inspirieren lassen. Heraus kam dabei kein Historienschinken, sondern zeitgemäße Romantik. Gotisch anmutende Mäntel aus langen Samtbahnen, mehrlagige Kleider aus weißem Mousseline zwischen Bauerntochter und Prinzessin sowie wadenlange Tanzkleider mit Blütenmustern ließen kaum Wünsche offen. “Paris in Bloom at Couture-Week” lautete titelte das Branchenblatt “Women’s Wear Daily” am Mittwoch. Paris blüht bei der Couture – die Dior-Schau bewies es.
Edle Schneiderkunst für gehobene Ansprüche
Für die Haute Couture (“gehobenes Schneidern” auf Französisch) produzieren renommierte Modehäuser in Handarbeit maßgeschneiderte Unikate aus teurem Material zu hohen Preisen. Als ihr Begründer gilt der Engländer Charles Frederick Worth. 1858 gründete der Brite in Paris das “Maison Worth” als erstes Modehaus, ließ als Erster seine Garderobe von Mannequins in spektakulären Modeschauen präsentieren und machte Paris zur Mode-Metropole.
Welches Modehaus zur weltweit tonangebenden Haute Couture zählt, entscheidet traditionell der Verband “Chambre Syndicale de la Couture Française”. Nach von ihm festgelegten Kriterien wird jährlich überprüft, ob die Designer ihre Produkte als Haute Couture bezeichnen dürfen. Die aufwendigen Kreationen werden zweimal im Jahr in Paris bei großen Shows gezeigt.
(DPA)
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