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Der Kronprinz als Vizekönig

Wilhelm Molterer (51) ist mit seiner Ernennung zum Vizekanzler, Finanzminister und geschäftsführenden Obmann aus dem Schatten seines Mentors Wolfgang Schüssel getreten.

Der jahrelang als eine Art politischer „Personalchef“ und „Strippenzieher“ bezeichnete Ex-Landwirtschaftsminister und Klubobmann muss für die Volkspartei in der Regierung die Pferde zusammenhalten, wie er es während der letzten vier Jahre im Parlamentsklub verstanden hatte. Entgegenkommen müsste Molterer dabei sein Knowhow als zentrale Figur in Koalitionen mit drei verschiedenen Parteien.

Überhaupt gilt Molterer seit Jahren als politisches Multitalent in der ÖVP. Wenn es etwas Wichtiges auszuverhandeln gab, war der Oberösterreicher immer im Zentrum. Ob es nun um Finanzen ging oder um Soziales, die ÖBB oder um ganz etwas anderes – wenn es lichterloh brannte, wurde der ob seiner predigerhaften Reden als „Pater Willi“ bewitzelte Molterer immer herangezogen. Dabei drängte er sich selbst gar nicht so gern ans Rampenlicht, sondern sah sich eher in einer Rolle als Regisseurs denn als Schauspieler.

Seinen Ruf als „Personalchef“ erarbeitete sich Molterer vor allem im ORF, in dem er als langjähriger Mediensprecher seinen Einfluss zu nutzen wusste. Überhaupt gehören Belehrungen von Journalisten durch den künftigen Vizekanzler in manchen Zeiten fast schon zum Alltag, was Kabarettist Alfred Dorfer zur Erfindung des „Moltofons“ motivierte. Und das umso mehr, als die Koalition zwar vier Jahre überlebte, es aber gerade im von ihm betreuten Medien-Bereich Schlappen für die ÖVP setzte. Neben der Niederlage bei der Publikumsratswahl gingen auch Generaldirektorin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück für die Volkspartei verloren. Der von langjährigen Weggefährten als ein wenig cholerisch geschilderte VP-Vize soll getobt haben.

Molterer wurde am 14. Mai 1955 um 21 Uhr in Steyr geboren, drei Stunden später und er wäre ein echtes Staatsvertragskind. Mit 14 wurde er von seinem Onkel, dem früheren ÖVP-Abgeordneten Josef Molterer, adoptiert, weil dieser einen Erben für seinen Hof suchte. Der Bauernhof im Sierning ist heute verpachtet, da Molterer mit seiner Familie – er ist Vater von zwei Söhnen – in Wien lebt.

Die politische Karriere begann bei der Hochschülerschaft. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften in Linz arbeitete er im Büro von Landesrat Leopold Hofinger. 1987 übersiedelte er nach Wien und wurde Sekretär von Landwirtschaftsminister Josef Riegler. Rieglers Nachfolger, Franz Fischler, machte Molterer zum Büroleiter. 1990 kam er in den Nationalrat, wurde Generalsekretär und 1994 Nachfolger Franz Fischlers als Landwirtschaftsminister. Im Februar 2003 mutierte er zum Klubobmann.

Sein Aufstieg zum Vizekanzler und Quasi-Parteichef war irgendwie logisch, war Molterer doch schon seit langem zweiter Mann in der Volkspartei. Bei Molterers 50er-Feier sprach dann auch sein Noch-Chef Schüssel: Der „Willi“ habe das Format, Parteiobmann, Bundeskanzler oder Bundespräsident zu werden. So weit ist es noch nicht, aber immerhin hat er das parteiinterne Ringen gegen den von Schüssel mächtig gepushten Karl-Heinz Grasser gewonnen. Das gibt ihm wohl Hoffnung auf mehr.

Generalsekretär noch offen

Der designierte Vizekanzler und ÖVP-Parteichef Wilhelm Molterer sagte am Dienstag, klares Ziel sei, die Arbeit gemeinsam mit der SPÖ auf Basis des ausgehandelten Regierungsprogrammes die volle Legislaturperiode durchzuziehen. Wer neben dem künftigen Sport-Staatssekretär Reinhold Lopatka die weiteren beiden schwarzen Staatssekretariate bekleiden wird, wollte Molterer ebenso wenig beantworten wie die Frage nach dem neuen Generalsekretär der ÖVP.

Zum Abtreten von Karl-Heinz Grasser als Finanzminister erklärte der scheidende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, die ÖVP habe Grasser gebeten, die Verhandlungen zu führen und auch dem nächsten Team zur Verfügung zu stehen. Grasser habe ihm aber bereits am 2. Oktober gesagt, dass er in die Privatwirtschaft wechseln wolle und sei schlussendlich auch dabei geblieben, so Schüssel. Er sprach dem unabhängigen Minister ein „großes Dankeschön“ aus. „Wir wünschen ihm in der Privatwirtschaft alles Gute“, so Schüssel, der Grasser „auf eine Stufe“ mit den „besten Finanzministern“ der Zweiten Republik stellte.

Ob die ÖVP Grasser den Vizekanzler angeboten habe, um ihn zu halten, wollten weder Schüssel noch Molterer beantworten: Man habe Grasser gebeten, im Team zu bleiben, hieß es. Ebenso offen ließen die Parteigranden die Frage, ob Grasser im Parteivorstand die Zustimmung erhalten hätte. Molterer sagte lediglich, der Vorstand habe das gesamte Paket abgesegnet, nachdem Grasser seinen Entschluss kundgetan hatte. Gegenstimmen gegen das Paket habe es zwei gegeben, „wohl aus regionaltaktischen Gründen“, so Molterer.

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