AA

Der Kaiser isst Tafelspitz

Gaststätte Gütle mit Kutschen um 1897.
Gaststätte Gütle mit Kutschen um 1897. ©FMH
Franz Josef I. bewundert 1881 das erste Außerhaustelefon Österreich-Ungarns und lässt sich anschließend im Gasthaus Gütle bewirten.
Gasthaus Gütle

Dornbirn. Rein zufällig kommt vermutlich niemand in das etwas abgelegene Gütle, in dem vieles noch an frühere Zeiten erinnert. Auch Kaiser Franz Josef I. kam seinerzeit aus einem ganz bestimmten Grund hierher.

Der Dornbirner Ortsteil Gütle wird auch beschrieben als Tor zur Rappenlochschlucht, die allerdings erst später als Naturjuwel auch Wanderern zugänglich gemacht wurde. Immerhin ist sie eine der größten Schluchten Mitteleuropas. Nach dem spektakulären Felssturz von 2011 wurden gesicherte Wege und Stege teilweise hoch über der Ache neu angelegt. Atemberaubende Ausblicke auf dem Weg zum Wasserspeicher Staufensee und zum Kraftwerk Ebensand mit zwei funktionierenden Turbinen lassen die Besucher staunen. Hier kommt man auch gerne öfter her und setzt seinen Weg fort durch die Alplochschlucht und weiter ins Bergdorf Ebnit oder durch die Wälder bis nach Kehlegg. Beliebter Treffpunkt für viele Ausflugsziele sind der alte Mammutbaum und die kleine Fontaine, die an den einst höchsten Springbrunnen Europas mit 60 Metern Höhe erinnert. Im Gütle gibt es noch weit mehr als das: Die Fatima-Kapelle, die kleine Volksschule für rund 20 Schüler, das Rolls-Royce-Museum, ein Krippenmuseum, das Poolhaus der Billard-Academy und das Gasthaus Gütle.

Es begann mit der Wasserkraft

Als Industriestandort erlangte der an der Ache liegende Ortsteil Berühmtheit. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete der Firmengründer der Textilwerke, Franz Martin Hämmerle, hier eine Baumwollspinnerei. Bereits im Jahr 1872 fanden 189 Menschen Arbeit. Neben den Werksgebäuden entstand ein Wohnhaus für Mitarbeiter, auch beschrieben als Meisterwohnhaus, das inzwischen seit vielen Jahren als Gaststätte bekannte Haus.

Das Gasthaus Gütle haben sich das Wirtepaar Rüscher vor sieben Jahren nicht nur zu ihrer neuen Arbeitsstätte gemacht. Gemeinsam mit ihren Kindern ist es auch ihr Wohnort. Die ursprüngliche Großwalsertalerin aus Fontanella, Bettina Rüscher, bezeichnet das Gütle in Erinnerung an ihre Wurzeln gern als „Der rote Brunnen“ von Dornbirn. Gerade deshalb fühlt sie sich hier rundum wohl, und sie mag das Glockengeläut der in der Nähe weidenden Schafe, sogar nachts. Küchenchef Artur Rüscher, 1967 geboren und aufgewachsen in Haselstauden, gilt selbst in Fachkreisen als solider Könner seines Fachs. „Und das, obwohl auch er mit Wasser kocht“, stellt seine Frau fest.

„Und mit Wein“, könnte man frei nach dem französischen Meister Paul Bocuse ergänzen. „Das gediegene und teilweise urige Ambiente dieses Hauses hat uns von Anfang an fasziniert“, erinnert sich Bettina Rüscher. Vor ihrem Einzug wurde die Restaurantküche komplett neu eingerichtet. Seither lassen sich darin Artur Rüschers bodenständige, nach eigenen Ideen und Rezepten verfeinerte Gerichte, hervorragend zubereiten. Der Chef spricht nicht viel über sein Können, er überlässt das lieber seinen Gästen. Als kleiner Geheimtipp gilt zum Beispiel Arturs geröstete Kalbsleber. Den einzigartigen Gastgarten  mit schattenspendenden Bäumen finden Einheimische wie Gäste aus nah und fern idyllisch und erholsam.

Der Besuch des Kaisers

Das Gasthaus Gütle ist mit Sicherheit eines der wenigen Wirtshäuser mit einem eigenen Kaiserzimmer. Der Monarch soll es seinerzeit persönlich besucht haben. Die Geschichte, die man sich rund um den legendären Besuch erzählt, will das so. „Das beeindruckt unsere Gäste sehr“, weiß auch die Wirtin. Bis zu 38 Besucher können in diesem Raum speisen wie der Kaiser von Österreich, seine Majestät Kaiser Franz Josef I. Seine Lieblingsspeise gibt es hier noch heute: Klare Rindsuppe, Tafelspitz mit Salzkartoffeln und Gemüse. Eine leere Flasche wird als Preziose im Kaiserzimmer aufbewahrt. Der Überlieferung nach sei darin der Champagner enthalten gewesen, den der Monarch anlässlich seines Besuches hier genossen habe.

Die Aufregung um den Besuch von Kaiser Franz Josef I. in Dornbirn war tatsächlich sehr groß. Zu seinen Ehren war sogar das Gütle damals, vor über 130 Jahren, mit einer Triumphpforte festlich geschmückt worden. Seine Majestät kam aber nicht ausschließlich zum Einkehren an diesen Ort.

Das erste Telefon Österreich-Ungarns

„Am 10. August 1881 wurde das Gütle über Nacht in die europäische Öffentlichkeit und die Geschichtsschreibung katapultiert“, schreibt Autor Franz J. Huber im Buch „Das Dornbirner Gütle“. Der Grund war ein ganz bedeutender: Dem Kaiser konnte anlässlich seines Besuches der Spinnerei F.M. Hämmerle eine technische Errungenschaft vorgeführt werden. Und „er zeigte sich sehr erfreut“, garantiert. Denn das über Ortsbezirke hinweg funktionierende und verbindende Telefon zwischen dem Büro Oberdorf der F.M. Hämmerle und der Spinnerei Gütle war tatsächlich das erste Außerhaustelefon Österreich-Ungarns.

Auch viele Jahre nach dem kaiserlichen Besuch ist hier manches noch ein bisschen so wie damals. Die Tische im Kaiserzimmer sind festlich gedeckt. Zum Feiern bei erlesenen Speisen wird diesmal eine kleine Hochzeitsgesellschaft erwartet. Ob des Kaisers Leibgericht dabei ist, wird derweil nicht verraten. Die Kutsche mit dem  Brautpaar Annelies und Karl ist indes schon vorgefahren. Alt und neu lassen sich hier vortrefflich kombinieren. Den Kutscher des Pferdegespanns erreichte das Signal zur Abholung des Paares in der nahe gelegenen Kapelle ganz einfach per Mobiltelefon.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Dornbirn
  • Der Kaiser isst Tafelspitz