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"Der Gott des Gemetzels" in Salzburg

Salzburg - Riesenerfolg bei der Uraufführung 2006 in Zürich, dann auf mehr als 60 deutschen Bühnen gefeiert und zuletzt am Wiener Burgtheater ein Renner: "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza hat hohen Identifikationswert für das gegenwärtige Theaterpublikum.

Das Zertrümmern der bürgerlichen Ehe-Maske und das Hinausrotzen von Aggressionen ohne Rücksicht auf die Fassade, das erwischt die Leute ganz offensichtlich. Auch bei der Premiere dieses Schauspiels gestern, Samstag, in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters, kam das Publikum auf seine Rechnung.

Zwei gut situierte Ehepaare begegnen einander, um die Schlägerei ihrer Söhne zu besprechen und den Streit der Kinder zu schlichten. Pikiert und förmlich am Anfang, bröckelt die manierliche Zurückhaltung mit jedem von Rezas weniger literarischen als vielmehr alltäglich-banalen Wirkungstreffern mehr und mehr. Immer krasser geht es zur Sache, am Ende werden Handys in Vasen versenkt, Handtaschen verwüstet oder Kunstgegenstände vollgekotzt. Die Kinder haben einander die Zähne eingeschlagen. Die Erwachsenen bohren genüsslich, bösartig und zielstrebig im Karies des anderen und stolpern dabei zunehmend unkontrolliert in ihre eigenen Abgründe.

Der Gott des Gemetzels ist ein tragikomischer Einakter, in dem die Autorin den schmalen Grat erwischt zwischen Spaß und Schmerz, Unterhaltung und Gemeinheit. Kichern wie in einer Farce ist angesagt und zugleich rückt dieser Text für vier Schauspieler an manchen Stellen unangenehm nahe. Yasmina Reza ist da wirklich gutes Gebrauchstheater gelungen.

Dass das 85-minütige Gemetzel in den Kammerspielen nicht platt wurde und die im Detail oft übertrieben hysterischen Eruptionen dieser “zivilisierten” Menschen nicht zu nerven begannen, ist Regisseur Johannes Zametzer zu danken. Auf der zurückhaltenden Wohnzimmer-Bühne von Markus Blaha hat Zametzer in seiner letzten Regiearbeit als einer der Hausregisseure von Noch-Intendant Peter Dolder den Text gekürzt, präzisiert und ein “Winning Team” geformt aus seinen vier Schauspielern.

Die Akteure auf der Bühne präsentierten sich in diesem Gemetzel samt und sonders von ihrer Schokoladenseite. Franziska Sörensen etwa kotzt so meisterlich, dass der Ekel vor ihrem Mageninhalt auch die letzte Zuschauer-Reihe ergreift. Sprachlich ist sie wie so oft eine der besten auf der Bühne des Landestheaters. Christoph Sommer gibt den spießigen Duckmäuser, der virtuos und verschlagen die Chance ergreift, endlich einmal jemand anderen zu attackieren als den Hamster seiner Tochter. Hartmut Scheyhing als zynischer Rechtsanwalt gibt den besten Arsch der Salzburger Theatergegenwart, und Claudia Dölker nervt und ätzt genau an der Grenze zwischen Bürgermoral, verstecktem Alkoholismus und Wut auf die Verlogenheit im eigenen Leben.

Diese vier Darsteller haben den Abend getragen und den Leuten Rezas Text saftig-kraftvoll und zugleich mit süffisanter Finesse um die Ohren geworfen. Ausgerechnet diese vier (und eine Reihe anderer Leistungsträger des Schauspieler-Ensembles) bekommen vom designierten Intendanten Carl Philip von Maldeghem keinen Vertrag mehr und werden Salzburg verlassen. Aber Schauspieler, die ihr Publikum derart hineinziehen können in ein Stück, die muss Maldeghem erst einmal auftreiben.

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