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Der Betrug hat Hochkonjunktur

Schwarzach - Das Ausmaß des allein in Österreich jährlich inszenierten Versicherungsbetrugs wird auf bis zu 500 Mill. Euro geschätzt.

Die Vorgehensmuster sind hinlänglich bekannt. Da werden Ski oder Snowboards als gestohlen gemeldet, die im Pkw von Bekannten verstaut wurden, da werden nach Autounfällen auch solche Dellen repariert und in Rechnung gestellt, mit denen man vielleicht schon jahrelang herumfuhr. Der gelegte Brand oder fingierte Einbruch ins eigene Haus/Geschäft sind ebenso geläufig wie die in der Hektik demolierte Brille, aus der rasch ein „Fall“ für die Haushaltshaftpflicht konstruiert wird. Das Ausmaß des allein in Österreich jährlich inszenierten Versicherungsbetrugs wird auf bis zu 500 Mill. Euro geschätzt.

Diese Zahl verlautbarte letzte Woche zumindest die A.F.I.L.A. (Austrian Federation of Independent Loss Adjusters) in Wien, ein Verband von 33 selbstständig arbeitenden Schadensabwicklern. Aber selbst wenn das Betrugsausmaß „nur“ 250 Mill. Euro betragen sollte, wie der Versicherungsverband schätzt, gilt: Jeder Versicherungsbetrug zieht höhere Versicherungsprämien nach sich, schädigt also die Versichertengemeinschaft insgesamt.

Robert Sturn, Vorstandschef der Vorarlberger Landesversicherung (VLV), wies auf unsere Anfrage auf die in der Branche herrschende Meinung hin, dass „fünf bis zehn Prozent“ der zur Liquidierung beantragten Schadensfälle getürkt sein dürften. Bei der VLV bewege man sich gottseidank „deutlich unter fünf Prozent“, also bei 100 bis höchstens 200 Fällen pro Jahr. Sturn: „Betrogen oder Betrug probiert wird in allen Schichten, beileibe nicht nur in wirtschaftlich schlechter gestellten. Und es ist erstaunlich, wie wenig Unrechtsbewusstsein hinsichtlich Versicherungsbetrug existiert, obwohl der Betrüger ja indirekt auch seinen Verwandten, Bekannten, den besten Freunden schadet.“ Häufigste Betrugs-Konstellationen bei der VLV: Schäden durch indirekten Blitzschlag (die heute freilich dank modernstem Blitzortungssystem rasch als Betrugsversuch entlarvt werden), fingierte Fahrraddiebstähle, beschädigte Brillen/Handys, die man der Privathaftpflicht unterjubeln möchte. Auch Kfz-Versicherte ohne Bonus/Malus-System werden, weil ihnen nach einem Unfall kein Malus droht, schon mal „für eine selbst verschuldete Havarie als Verursacher namhaft gemacht“ (Sturn).

Burkhard Berchtel, Landesdirektor der Wr. Städtischen Versicherung, spricht ebenfalls von „fünf Prozent unseres Schadensaufwandes“, der wohl als Versicherungsbetrug einzustufen sei. Oft lasse sich nämlich „Betrug nicht in letzter Konsequenz nachweisen, obwohl Verdachtslage bzw. Gefühl eindeutig sind“ (Berchtel). Bei der Wr. Städtischen spielt sich das Betrugsgeschehen primär in den Sparten Privathaftpflicht/Haushaltshaftpflicht, Kfz-Kasko bzw. als fingierte Einbrüche ab. Der im Jahr durch Betrug angerichtete Schaden wird von Berchtel mit 700.000 bis 1 Mill. Euro beziffert.

Arno Schuchter, Landeschef der Generali, berichtete auf unsere Anfrage von „Fällen im Ausmaß von 160.000 Euro im Jahr 2008, die unser eigens dafür geschulter Spezialist als Betrug enttarnte – wir gehen von einer vier bis fünf Mal so hohen Dunkelziffer aus“. Die Zahl der aufgedeckten Fälle war übrigens genau 100. 120.000 der 160.000 Euro entfielen auf den Kfz-Bereich. Geradezu in Mode zu kommen droht laut Schuchter folgender Schmäh: „Da werden uralte Kübel gekauft, um 1000 oder 1500 Euro. Die fahren gezielt in andere Autos, richten Schäden von sagen wir 2000 oder 3000 Euro laut Gutachten an, die aber nie repariert werden. Auftraggeber und Auftragausführer teilen sich einfach die von der Versicherung geforderte Summe“, verdeutlichte Schuchter das Betrugsmuster, dem die Generali freilich immer öfter auf die Schliche kommt.

 

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