“Der afrikanische Freund” (Wallstein Verlag) spielt in der Festspielstadt an der Salzach, wo ein nicht mehr ganz junger Mann, Max, mit seinen engsten Freunden das “Weekend” vor der Festspieleröffnung in den Kellergewölben seiner Burg mit einem kleinen, dekadenten Fest zu begehen pflegt. Max ist einstiger Mitschüler des Ich-Erzählers, der eigentlich nach Salzburg gekommen ist, um die Beerdigung seines Vaters zu organisieren. Plötzlich findet er sich widerstrebend hineingezogen in Geschehnisse, die die Freundesrunde eine ganze Woche in Atem halten.
Max hat eine ausgeklügelte Orgie organisiert, bei der sich enorme Mengen an Alkohol mit ausgesucht raffinierten mittelalterlichen Speisen und einem Quartett aus einem Bordell bestellter Prostituierter zu einem Fest der Opulenz und Dekadenz verbinden, das auch ein spätpubertärer Widerstandsakt gegen jenes Establishment ist, in das sich die Männer längst eingegliedert haben: Hugo, den es als Koch nach Reykjavik verschlagen hat, ist für die Komposition der großen Festspielempfänge engagiert, Marcel, Starfotograf in London, absolviert Foto-Shootings mit den prominentesten Festspielstars, und Max, der das von seinem Vater geerbte Aktienvermögen durch einen Zufall rechtzeitig vor einem Börsencrash in Sicherheit gebracht hat, wird an der Seite seiner Mutter brav den Premierentrubel absolvieren.
Schwerverletzter im Keller und “Jedermann”-Premiere
In der Woche vor den Festspielen jettet die Frau Mama jedoch stets nach Mallorca, “um Sommerbräune für die Premieren zu tanken”, und der nicht mehr ganz so junge Sohnemann feiert in den Kellerräumen der familieneigenen Burg Neugebäude, in denen der Partykeller noch mit den Postern der 80er Jahre von Ambros bis ABBA, von U2 bis zu den Talking Heads geschmückt ist und Separees wie die “Paschasuite” und das “Safarizimmer” vom einstigen nicht weniger ausgelassenen Zeitvertreib des Herrn Papa zeugen. Entdeckung der kleinen Schweinereien ist in diesen Tagen nur von der moldawischen Putzfrau zu befürchten, und doch steht mitten im ausgelassenen Treiben plötzlich ein Fremder vor der Türe. Der Schwarze, der an den Tisch gebeten wird, entpuppt sich jedoch nicht als Drogenkurier, sondern als gläubiger Mann mit Prinzipien. Es kommt zum Streit, aus den in Frage gestellten Allmachtsgefühlen entsteht Aggression. Mit einem Mal geht es um Leben und Tod, und im Keller liegt ein Schwerverletzter, der sich nicht problemlos loswerden lässt.
Johannes Gelich, von dem zuletzt 2006 bei Droschl der Roman “Chlor” erschienen ist, kontrastiert die aufgeregten, morbiden Ereignisse in der Burg mit den stoischen Tätigkeiten, die der namenlose Ich-Erzähler unten in der Stadt bei der Auflösung der Existenz seines Vaters zu verrichten hat. Der Autor erliegt trotz suggestiver Szenen nie der Versuchung, sich schreibend in die Opulenz der Ereignisse fallen zu lassen: Von den vier “Freunden”, die nun unversehens zur Schicksalsgemeinschaft werden, erfährt man kaum etwas in die Tiefe Gehendes, im Mittelpunkt steht die in allen Farben schillernde Oberflächlichkeit und der zum Scheitern verurteilte Versuch, sich “rauszuhalten”. Den Ich-Erzähler zieht es trotz stets beteuerter emotionaler Distanz immer wieder an den Ort des Geschehens, der wie eine Strindberg’sche Vorhölle keinen Beteiligten entkommen lässt. Der vermeintlich Distanzierte nimmt schließlich die Dinge selbst in die Hand.
Zum Showdown wartet Gelich mit ein paar Szenen auf, die sich auch in einer Verfilmung glänzend machen würden, und am Ende sitzt die ganze Gesellschaft doch noch glücklich und zufrieden bei der “Jedermann”-Premiere am Domplatz. Dort geht es beim Leben und Sterben des reichen Mannes ja schließlich bloß um Theater…
Johannes Gelich: “Der afrikanische Freund”, Roman, Wallstein Verlag, 174 S., 16,50 Euro, Lesungstermine im September: 20.9., 12.30 Uhr, Wien, bei “Rund um die Burg”; 24.9., 19.30 Uhr, Salzburg, Rupertus-Buchhandlung, mehr Infos unter http://www.johannesgelich.com
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