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Debatte über Konsequenzen der Ermittlungen gegen Kurz

Kurz will bei Anklage bleiben - Opposition hält Rücktritt für geboten.
Kurz will bei Anklage bleiben - Opposition hält Rücktritt für geboten. ©AP
Die Ermittlungen der WKStA gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) haben die Politik auch am Wochenende beschäftigt. Diskutiert wurde vor allem, wann Konsequenzen angebracht wären.
Ermittler müssen Kurz Vorsatz nachweisen
Grüne bleiben zurückhaltend
Rendi-Wagner sieht eine "rote Linie"

Kurz bekräftigte, dass er auch im Fall der Anklage nicht an Rücktritt denkt. ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger hält einen solchen offenbar auch bei einer Verurteilung nicht für nötig. Die Grünen vermieden weiter eine Festlegung. Die SPÖ pocht auf Rücktritt bei Anklage, die FPÖ spätestens dann.

SPÖ: Anklage ist "rote Linie"

"Eine Anklage wäre mit der Amtsfähigkeit nicht vereinbar", begründete SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im "Kurier" (Sonntags-Ausgabe), warum ein Strafantrag für sie die "rote Linie" ist - und zwar "unabhängig von Partei oder Amt", wie sie mit Blick auf ihren burgenländischen Parteifreund LH Hans Peter Doskozil (gegen den ebenfalls wegen Falschaussage ermittelt wird) sagte. Sollte der Kanzler trotz Anklage im Amt bleiben, würde ihm die SPÖ "das Misstrauen aussprechen, weil er Land und Amt großen Schaden zufügt". Schließlich käme es dazu nur, wenn die Staatsanwaltschaft an den Schuldspruch glaubt, merkte Rendi-Wagner an.

Kurz rechnet mit Freispruch

Kurz selbst hingegen geht - wie er in Interviews mit "Kronen Zeitung" und "Österreich" bekräftigte - zwar von einer Anklage aus, rechnet aber mit einem Freispruch. "Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird", unterstrich er, dass seine "Aussagen im U-Ausschuss richtig" gewesen seien. Einen Rücktritt schon bei Anklage "schließe ich definitiv aus", ließ er wissen.

ÖVP steht hinter dem Kanzler

Unterstützung bekam Kurz aus der ÖVP-Regierungsriege. "Nein" antwortete Landwirtschaftsministerin Köstinger auf die Frage der "Presse", ob Kurz zurücktreten sollte, sollte er angeklagt oder verurteilt werden. "Ich habe manchmal den Eindruck: Weil man ihn und uns bei Wahlen nicht besiegen kann, versucht man es halt vor Gericht", argumentierte sie ganz auf Linie des Gegenangriffs auf die Opposition - und hielt dieser vor, mit ihrem "System der Anzeigen dem politischen Klima" zu schaden.

Diesbezüglich eher zurückhaltend, aber doch stellte sich auch der Anfang Jänner von Kurz in die Regierung geholte frühere IHS-Chef Martin Kocher - der keine Parteimitglied ist - in diese Reihe. Es herrsche derzeit eine starke Polarisierung zwischen Regierung und Opposition - auch durch die "Anzeigen", mit einem "gewissen System dahinter". Aber eine solche sei in der Corona-Krise weltweit festzustellen, ergänzte er. Keinen Zweifel ließ Kocher an seiner Haltung zu Kurz: Er verwies auf dessen Stellungnahme und meinte, dass er "das sehr ähnlich sehe". Er könne sich "beim besten Willen nicht vorstellen, dass er (Kurz) bewusst die Unwahrheit gesagt hat im U-Ausschuss". Für Spekulationen über Konsequenzen sei es "viel zu früh". Neuwahlen hält Kocher für "sehr unwahrscheinlich".

Die Grünen bleiben still

Darauf, dass solche - zumindest nicht unmittelbar - bevorstehen, lässt die große Zurückhaltung der Grünen schließen. Auch am Wochenende war von ihnen keine Kritik und keine Forderung Richtung ÖVP zu hören. Parteichef Werner Kogler räumte zwar - im "Standard" - ein, dass es "Grenzen der Amtsfähigkeit und des politischen Vertrauens der Bevölkerung" gebe. Aber wo die liegen, werde "schrittweise zu beurteilen sein."

Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein wich dem in der ORF-Reihe "Im Journal zu Gast" aus: Jetzt sei "nicht Zeit über irgendwas zu spekulieren", jetzt müsse die Justiz prüfen und die Grüne Justizministerin Alma Zadic sei "Garant, dass nix daschlogn wird", trug er parteilinien-konform vor. Ebenso Umweltministerin Leonore Gewessler im "Ö3-Frühstück bei mir": Sie räumte aber ein, dass - was das Regierungsklima betrifft - "jetzt gerade eine Zeit ist, wo sehr viel Wind von allen Seiten bläst". Der Frage, ob die Grünen die Koalition platzen lassen, wich sie aus mit der Bemerkung, es sei solange es möglich sei, Dinge in eine positive Richtung zu entwickeln, sei es auf jeden Fall gut, wenn die Grünen in der Regierung sind".

FPÖ stellt Misstrauensantrag

Spekulationen über Neuwahlen oder einen fliegenden Regierungswechsel gab es freilich dennoch - hat doch auch die FPÖ versucht, die anderen Oppositionsparteien für einen Misstrauensantrag gegen Kurz gleich am Montag in der Sondersitzung des Nationalrats zu gewinnen. Eine Mehrheit dafür zeichnete sich im Vorfeld allerdings nicht ab.

Aus Sicht der FPÖ kann der Kanzler "im Falle einer Anklage mit seinem Team nicht länger im Amt bleiben", betonte Generalsekretär Michael Schnedlitz am Sonntag in einer Aussendung - und merkte an: "Besser wäre, er würde lieber heute als morgen den Hut nehmen und den Weg für einen Neustart freimachen." Kurz' Kritik wies er zurück: "Anstatt der Opposition die Schuld für die Ermittlungen gegen seine Person zuzuschieben, sollte er endlich Verantwortung für sein Tun und Handeln übernehmen", meinte er.

Ludwig: Schlechter Zeitpunkt

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hielte von einer Neuwahl wenig: "In der jetzigen Situation, in einer Pandemie, mit starken Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt, sollte es andere Herausforderungen geben, als eine Neuwahl vom Zaun zu brechen", meinte er in der "Kronen Zeitung" - und hielt sich auch bei der Rücktrittsfrage auffällig zurück. Eine Anklage gegen einen Kanzler wegen vermeintlicher Falschaussage im U-Ausschuss wäre "das erste Mal in der Zweiten Republik. Von daher wäre das eine sehr ernste Situation", sagte er nur - und schloss für den Fall einer Neuwahl eine Koalition mit der ÖVP nicht aus.

Sondersitzung des Nationalrats

Die Auseinandersetzung zwischen ÖVP und Opposition findet am Montag eine Fortsetzung. Auf Verlangen von SPÖ, FPÖ und NEOS findet eine Sondersitzung des Nationalrates statt. Sie war eigentlich aus dem Anlass einberufen worden, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) Unterlagen erst nach einem Exkutionsantrag des VfGH an den U-Ausschuss geliefert hatte. Die Opposition will deshalb eine Ministeranklage gegen Blümel einbringen, die aber - ebenso wie ein Misstrauensantrag gegen Kurz - so gut wie keine Erfolgsaussichten hat.

(APA)

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