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„Das Unkomplizierte geht mir ab“

Wolfgang Frick ist überzeugt, dass die Gesellschaft eine Kehrtwende, weg von der Digitalisierung, vollziehen muss.
Wolfgang Frick ist überzeugt, dass die Gesellschaft eine Kehrtwende, weg von der Digitalisierung, vollziehen muss. ©Stiplvosek
Marketing-Experte, Autor und Tausendsassa Wolfgang Frick im Sonntags-Talk über seine Jugend, Konsum und unsere digitalisiserte Welt.

WANN & WO: Warum leben Sie noch immer in Frastanz, wo Sie ja schon seit zehn Jahren bei Spar (drei Jahre in der Geschäftsleitung) in der Schweiz arbeiten?

Wolfgang Frick: Ich bin Frastner mit Leib und Seele. Mein Elternhaus liegt zentral, mitten im Dorf. Auch meine Frau ist eine waschechte Frastnerin. Dieser starke Bezug zur Heimatgemeinde ist lange gewachsen und wurde trotz vieler Auslandsaufenthalte nie aus den Augen verloren. Bei uns ist es einfach am schönsten.

WANN & WO: Sie sind in einer Großfamilie aufgewachsen?

Wolfgang Frick: Ich habe fünf Schwestern und drei Brüder. Meine älteste Schwester ist 22 Jahre älter, der älteste Bruder 20. Als ich jung war, waren sie schon aus dem Haus.

WANN & WO: Sie haben auch sehr früh ihre Eltern verloren.

Wolfgang Frick: Mein Vater starb, als ich fünf war, meine Mutter elf Jahre später. Daher waren wir relativ früh ,führungslos‘. Da hat man gemerkt, wie wichtig Eltern sind – das wissen heutzutage viele nicht mehr zu schätzen. Als meine Mutter mit knapp über 50 auf einmal alleine mit so vielen Kindern dastand, war das eine harte Zeit. Wir haben nie im Überfluss gelebt. Ich habe aber schon gelernt, dass nur sehr bescheidene Mittel verfügbar sind. Zu dieser Zeit alleine neun Kinder großzuziehen, war ganz bestimmt nicht einfach für unsere Mutter.

WANN & WO: Wie geht man damit um, dass man mit 16 Jahren schon Vollwaise ist?

Wolfgang Frick: Ich hätte auch auf die schiefe Bahn geraten können, mit allen Konsequenzen, es ist aber gut gegangen. Wer nie eine zweite Meinung hört und das macht, was er für richtig hält, lernt zu entscheiden und entwickelt ein Gespür, was funktionieren könnte.

WANN & WO: Haben Sie sich immer richtig entschieden?

Wolfgang Frick: Wer behauptet, immer richtig entschieden zu haben, lügt. Eine Entscheidung mag im Moment richtig sein, kann sich aber schon in einer halben Stunde als falsch erweisen. Alles richtig gemacht habe ich nicht, aber ich habe aus den Fehlern gelernt. Jeder darf Fehler machen, nur Idioten machen den gleichen zwei Mal.

WANN & WO: Warum haben Sie sich nach ihrem Studium so stark in der Gemeinde engagiert?

Wolfgang Frick: Wenn ich daran denke, wie wir ,Urfrastner‘ das Jugendhaus K9, damals „Da Hock“, aufgebaut haben, bestätigt das meine Ansicht, dass es immer Leute geben muss, die mehr tun als ihre Pflicht. Als der Obmann des Pfarrzentrums auf tragische Weise tödlich verunglückt ist, suchte man einen Nachfolger. Da fühlte ich mich in der Pflicht. In fünf intensiven Jahren haben wir versucht, das Haus als Marke für Veranstaltungen und Seminare zu positionieren.

WANN & WO: Wie ist man an die prominenten Vortragenden herangekommen?

Wolfgang Frick: Durch jugendlichen Leichtsinn: Da hat man einfach zum Hörer gegriffen. Alt-AK-Präsident Josef Fink, Martin Purtscher, Herbert Sausgruber waren z.B. Gäste. So gaben wir den Jungen die Chance zu sehen, dass das Leute sind wie du und ich. Wenn ich alte Programmheftchen ansehe, trauere ich der Zeit ein bisschen nach. Diese Unbeschwertheit, das Unkomplizierte geht mir ab.

WANN & WO: Was hat sich seither in der Gesellschaft verändert?

Wolfgang Frick: Wir sind ein bisschen paranoid geworden, unterschätzen das Positive, überschätzen das Negative und bleiben in der Komfortzone. Wenn wir immer nur machen, was wir können, werden wir immer bleiben, was wir sind. In zehn Jahren wird man sich nach den heutigen Zeiten sehnen, obwohl man jetzt nicht zufrieden ist.

WANN & WO: Was kann man gegen diese Unzufriedenheit machen?

Wolfgang Frick: Unsere Neidgesellschaft, die Unzufriedenheit mit sich selbst, dem Umfeld, dem Job und so weiter verstellt den Blick auf das Wesentliche. Früher hat man kaum mal etwas weggeworfen. Bei uns war eine Firmuhr ein Heiligtum. Wenn ich – ohne böse zu sein – sehe, dass die Jugend diese Einstellung zum Besitz nicht mehr kennt, frage ich mich schon, was da noch kommt.

WANN & WO: Wie kann man diesen Entwicklungen begegnen?

Wolfgang Frick: Darüber schimpfen hat keinen Wert. Wir leben in einer „Zuvielisation“. Damals hat man gespart und viel selbst gemacht. Heute ist es einfacher: Du gehst auf die Bank und bekommst einen Kredit. Das Materielle ist einfacher zu bekommen, wodurch die Wertigkeit verloren geht.

WANN & WO: Wohin führt das?

Wolfgang Frick: Heute muss sich die Industrie jeden Tag neu erfinden, bringt Innovationen, schürt Bedürfnisse und Unzufriedenheit. Es gibt das iPhone 3, 4, 5, 6 und man will schon das 7er. Das ist eine Herausforderung für die Zukunft, die neue Wertigkeit zu definieren und die Jugend wieder zu „entdigitalisieren“.

WANN & WO: Welche Rolle spielt Regionalität hierbei?

Wolfgang Frick: Ein Phänomen, das ich nicht verstehe, ist diese Jagd nach dem Preis. Hier hat der gesamte Handel einen Fehler begangen, dass man alles über den Preis definiert. Durch die Kundenmobilität hat das eine Dimension angenommen, die wir nicht mehr steuern können. Wenn man extra weiter zu einer Tankstelle fährt, ein paar Cent günstiger tankt, aber dort noch einen Sechserträger Bier kauft, der drei Euro teurer ist, als normal, kann ich das nicht verstehen. Der Konsument möchte es jetzt, egal was es kostet. Der Bedarf ist da? Dann darf es kosten, was es will. Vom Onlinehandel ganz zu schweigen.

WANN & WO: Wie meinen Sie das?

Wolfgang Frick: Schreit vor Glück, wenn ihr online etwas gekauft habt! Aber wenn ihr für das nächste Preisjassen eine Warenspende braucht, oder euer Kind einen Ferialjob sucht, probiert, beim Onlinehändler anzurufen. Ihr werdet in der Warteschleife graue Haare bekommen! Damit möchte ich sagen, dass die Wertschöpfung online anderswo passiert. Hier müssen wir umdenken. Herkunft hat Zukunft! Der digitale Weg nimmt Dimensionen an, die ungesund werden. Alles wird oberflächlicher. Wenn du morgens um halb acht durch das Dorf fährst, musst du aufpassen, dass du keinen überfährst, der mit Kopfhörern und dem Blick aufs Handy über die Straße geht.

WANN & WO: Geht der Bezug zur haptischen Welt verloren?

Wolfgang Frick: Ich bin nicht auf Facebook oder LinkedIn, ich twittere nicht, bin nicht auf Xing. Wir müssen wieder lernen, in Offline-Beziehungen und nicht in Online-Begegnungen zu investieren. Dieses „Entdigitalisieren“ ist eine große Herausforderung, im Management, bei der Kindererziehung und in der Kommunikation generell. Ich muss mich selbst auch neu erfinden. Wir müssen wieder lernen, die Abhängigkeit von dieser digitalen Droge zu reduzieren.

WANN & WO: Bleibt bei alldem noch Zeit für ein Privatleben?

Wolfgang Frick: Ich habe einen Halbtagsjob – von 8 bis 20 Uhr – also den halben Tag. Wenn ich nicht eine starke Frau hätte, die mir den Rücken freihält, wäre das nicht möglich. Heuer sind wir 20 Jahre verheiratet. Die Frau eines Managers ist die Witwe eines Mannes, der noch lebt.

WANN & WO: Wann haben sie dann noch Gelegenheit zu schreiben?

Wolfgang Frick: Klassischer Autor bin ich nicht, ich bin „Auto-r“. Irgendwann habe ich angefangen, im Auto Gedanken zu verschiedenen Themen aufzunehmen. Mein erstes Buch ist ein Marketing-Ratgeber. Hier habe ich eigene Hoppalas aufgegriffen und bin recht offen damit umgegangen. Fehler muss man ja nicht wiederholen. Das neue Buch geht mehr in die Breite. Es ist sehr persönlich, lebensbejahend und fast schon philosophisch. Ich möchte zeigen, wie man sich entscheiden und so sein Leben leichter machen kann. Je konkreter man sagt, was man will, desto eher bekommt man es. Ich habe festgestellt, dass sich die Leute mit Entscheidungen wahnsinnig schwertun. Man will sich nicht festlegen, es gibt diese innere Unruhe, dass wir uns falsch entscheiden könnten. An vielen geht das Leben vorbei, weil sie nicht entscheiden. Wir haben immer Angst, uns falsch zu entscheiden, aber Entscheiden heißt nunmal Verzichten. Auf Dauer kommt ein Nicht-Entscheiden teurer als eine bemerkte Fehlentscheidung.

WANN & WO: Was erwarten Sie von der Zukunft?

Wolfgang Frick: Das Weltgeschehen belastet, weil man sich fragt, in was für einer Zukunft unsere Kinder aufwachsen. Man kann nur versuchen, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Dann kann man sich von ihr auch etwas erwarten. Ich hoffe, dass wir irgendwann wieder zur Besinnung kommen, nicht jedem Angebot nachrennen, „entdigitalisieren“ und versuchen, in die Zeiten zurückzukommen, nach denen wir uns heute schon sehnen. Mehr Wertigkeit, weniger Oberflächlichkeit.

Die gesamte Ausgabe der WANN & WO lesen Sie hier!

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