Das Textilrecycling stellt die Textilindustrie vor große Herausforderungen. Am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik in Dornbirn beschäftigt man sich schon seit vielen Jahren mit diesem Thema. Der langjährige Leiter des Instituts, Universitätsprofessor Thomas Bechtold, berichtet im Interview über die Herausforderungen, die Fortschritte in der Forschung und warum das Recycling für die Vorarlberger Textilindustrie auch eine große Chance ist.
Das Recycling von alter Kleidung gilt als kompliziert. Warum?
Da gibt es mehrere Ebenen. In einem T-Shirt ist zum Beispiel häufig Elasthan drinnen. Das heißt, wir haben dann mindestens eine Hauptkomponente, das kann eine synthetische Faser oder Baumwolle sein, und dazu eine elastische Faser und die muss man für die Wiederverwendung trennen können. Das ist auch ein Forschungsast, der hier am Institut verfolgt wird. Da läuft gerade eine Dissertation und wir haben auch schon ein Patent für ein Trennungsverfahren. Man könnte das Ganze auch zerkochen, abbauen und zu Biogas machen, aber das ist wie die Verbrennung nicht gewünscht. Gewünscht ist, die Materialien so zu trennen, dass man die Rohmaterialien in einem neuen Prozess wieder als Faser einsetzen kann.
Warum ist es wichtig, dass aus einem alten T-Shirt oder einer alten Hose wieder ein Kleidungsstück wird?
Das Problem sind die unglaublichen Abfallmengen und die Ressourcen, die man verschwendet. Es sind hochwertige Materialien, die mit großem Aufwand auf den Level gehoben werden, und die muss man im Kreislauf halten. Es gibt viele Putzfetzen-Geschichten und Ähnliches, aber das ist ein Kompromiss und die Mengen passen einfach nicht mehr. Wir haben einen so ungeheuerlichen Mengenstrom. Pro Jahr werden ungefähr 80 Millionen Tonnen Textilfasern hergestellt.
In welche Richtung gehen die Forschungen an Ihrem Institut?
Bei einem Forschungsast, mit dem wir uns beschäftigen, geht es darum, dass man mit Auflösen eine Komponente herauslöst. Die zweite Komponente verbleibt. Anschließend macht man aus beiden wieder neue Materialien. Das Lösungsmittel geht auch wieder in den Kreislauf, es dürfen auch keine toxischen oder teuren Lösungsmittel sein. Die zweite große Linie, mit der wir uns beschäftigen ist, dass wir Konzepte entwickeln, welche Farben man überhaupt nimmt, damit sie im Kreislauf wieder dazu passen. Das ändert auch die Textilindustrie. Wir haben jetzt immer weiße Rohmaterialien. Später, so wird es laufen müssen, hat man große Farbsortierungen. Mit den hellen machen wir helle Farbtöne und nur für das neu zu ergänzende wird man farblos nehmen. Der Farbstoff wird wichtig, da haben wir auch schon Arbeiten veröffentlicht, wo man zum Beispiel das Blaue vom Indigo auch wieder mitverwendet.
Muss das dann bereits beim Designprozess mitbedacht werden?
Ja, genau, das nennt man Design für Recycling. Die Produkte werden dabei so konzipiert, dass sie aufarbeitbar werden und man nicht fünf verschiedene Komponenten drinnen hat, die alles schwierig machen.
Wann sehen Sie realistische Chancen, dass das Trennverfahren im großen Stil umgesetzt wird?
Wenn man es realistisch sieht, noch ein paar Jahre. Wir reden da über einen riesigen Markt. Aber der Druck ist immens, weil die EU da ganz klare Vorgaben macht. Wir möchten eigentlich in ein, zwei Jahren auf die Prototypebene. Das Verfahren besteht, jetzt geht es eher darum, wie man das Ganze aufsetzt, weil wir nicht nur mit einem Schritt anfangen wollen, sondern einen vollen Kreislauf etablieren wollen. Wir schreiben auch gerade an einem EU-Projekt, wo es um so ein Thema geht.
Und im kleinen Stil?
Was wir zum Beispiel machen ist, dass wir Informationen zum Kleidungsstück über einen QR-Code online zur Verfügung stellen. Wenn man den QR-Code bei der Sortierung einliest, wissen wir die Mischung und wissen, wo es hingehört. Das probieren jetzt gerade ein paar Unternehmen.
Können sich durch das Textilrecycling auch Chancen für die Textilindustrie ergeben?
Absolut. Ich kann ja dann die Sache nicht wieder nach Fernost schicken zum Reparieren oder zur Verarbeitung. Das ist auch nicht erwünscht. Man wird also europainterne Kreisläufe etablieren müssen. Da sind natürlich Unternehmen gefragt, die in der Lage sind, auch passende Produkte in solche Kreislaufwirtschaften einzuspeisen. Das heißt, die Textiler bekommen schon eine Position, weil es nicht mehr bloß ums Geld geht, es geht um die Kompatibilität zu diesen Mengenströmen. Man kann es auch anders sagen: Wenn ich 50 Prozent vom Polyester zurückgewinne, dann bedeutet das, dass man auch 50 Prozent weniger produzieren muss.
Polyester allein sind ungefähr 40 Millionen Tonnen pro Jahr. Das sind unglaubliche Dimensionen. Oder wenn wir zum Beispiel den Baumwollanbau betrachten. Der Pestizid- und Insektizideinsatz, der hohe Wasserverbrauch. Wenn wir 50 Prozent Recycling haben, dann kommen wir von diesem Anteil um 50 Prozent runter.
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