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Das pralle Leben im „fernen Osten“

Hans Innerhofer (l.) und Siegfried Stimpfl haben lebendige Erinnerungen an ihren Soldateneinsatz im Osten.
Hans Innerhofer (l.) und Siegfried Stimpfl haben lebendige Erinnerungen an ihren Soldateneinsatz im Osten. ©VOL.at/ Hartinger
Bregenz - 21 Jahre Bundesheer-Assistenzeinsatz im Osten. Vorarlberger Soldaten erinnern sich.

Aus zehn Wochen, wie am 4. September 1990 ursprünglich geplant, wurden 1112 Wochen. Statt einer Handvoll Vorarlberger Soldaten, die sich am Kurzeinsatz beteiligen sollten, wurden in 21 Jahren circa 5000 Jungmänner Teil der Truppe, die im burgenländisch-niederösterreichischen Grenzgebiet nach illegalen Einwanderern und Schleppern fahndete.

Seelentröster

Nicht umsonst können die beiden Vizeleutnants Siegfried Stimpfl (58) und Hans Innerhofer (52) den großen Gesellschaftstisch im Casino der Bregenzer Bilgeri-Kaserne mit Erinnerungsfotos auslegen. Zusammen brachten sie es auf insgesamt 25 Einsätze – und auf unzählige unvergessene Eindrücke. „Was dir ewig bleibt, ist die Erinnerung an das Leben in einer außergewöhnlichen Gemeinschaft. Du bist wochenlang weit weg von zu Hause, lebst auf engem Raum und bist für die Soldaten nicht nur ein Vorgesetzter“, sprudelt es aus Innerhofer heraus. Kollege Siegi Stimpfl ergänzt: „Wir waren Vorgesetzte, Mama, Papa, Freund und Seelentröster für die jungen Rekruten.“

Mutter und Buben

Hart ist das Leben bisweilen nicht nur in den Bergen, sondern auch in den Niederungen des Burgenlandes und von Niederösterreich. 24 Stunden Dienst, 24 Stunden Bereitschaft, 24 Stunden dienstfrei – so war der Rhythmus für die Wehrmänner und deren Befehlsgeber. „Die Burschen hatten Krisen, aber auch Highlights. In ewiger Erinnerung bleiben allen die einzigartigen Weihnachtsfeiern und die herzliche Beziehung zu den Einheimischen“, erzählt Innerhofer. Bis zu zehn Wochen versahen die einzelnen Vorarlberger Einheiten an der Ostgrenze Dienst, ehe sie wieder nach Hause durften. „Bring den Buben wieder so zur Mutter zurück, wie du ihn von dort geholt hast, war unsere Devise“, verdeutlicht Stimpfl das Anforderungsprofil für die Betreuung der jungen Männer. Denen drückt das karge Leben am anderen Ende der Republik doch gelegentlich aufs Gemüt.

Der Tiefpunkt

Den Tiefpunkt erlebte Hans Innerhofer am 22. Mai 2008. „Da erschoss sich ein Wehrmann in unserem Beisein. Das war schrecklich.“ Doch auch in dieser schwärzesten Stunde bewährte sich der außergewöhnliche Zusammenhalt der Vorarlberger Truppe. „Wir sind nicht einfach gegangen, sondern haben das gemeinsam durchgestanden.“ Unberechenbar gestaltete sich manch eine Begegnung mit frisch aufgegriffenen Flüchtlingen. „Aber es ist uns bei den Einsätzen Gott sei Dank nie etwas passiert“, resümiert Stimpfl.

Stück Geschichte

Das pralle Leben begegnete den heimischen Rekruten aber auch in süßer Form. „Nicht wenige erwischte am Einsatzort die Liebe. Sie blieben unten und heirateten. Einige nahmen ihre Partnerin mit nach Vorarlberg“, schmunzelt Innerhofer. Mit dem gestrigen Tag endete ein Stück Geschichte für die Soldaten in Vorarlberg. Die Erinnerung wollen Stimpfl und Innerhofer jedoch wachhalten. „Am 22. Mai, dem Tag als sich der Rekrut das Leben nahm, werden wir zum Gedenken auch künftig immer ins Burgenland fahren. Und dabei auch die schönen Erinnerungen wieder aufleben lassen“, sagt Hans Inner­hofer.

Chronologie

5. September1990: Beginn des Einsatzes zur Grenzsicherung im Burgenland; es werden in den ersten Tagen gleich mehr als 500 illegale Grenzgänger aufgegriffen.

13. November1990: Ministerrat beschließt Verlängerung des Einsatzes auf maximal 26 Wochen; immer wieder gibt es in der Folge Beschlüsse zur Verlängerung.

31. August 1995: Bilanz nach fünf Jahren: 23.700 Aufgriffe von illegalen Grenzgängern, 101.000 Soldaten bisher im Einsatz.

Ende September 1999: Der Assistenzeinsatz wird auf Niederösterreich ausgeweitet.

1. August 2007: Verteidigungs­minister Darabos kündigt auch nach Wegfall der Schengengrenze eine Weiterführung des Assistenzeinsatzes an; Soldaten überwachen nun das weitläufige Grenzgebiet; Befugnisse nicht mehr gegeben; Soldaten durften nur noch beobachten und Meldung an die Polizei machen.

16. Dezember 2011: Offizielle Beendigung des Bundesheer-Einsatzes an der Grenze.

(VN/ Klaus Hämmerle)

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