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"Das Ländle ist schon etwas Besonderes"

©Sams
Seit 2015 hat die Wienerin Elisabeth Sobotka die künstlerische Leitung der Bregenzer Festspiele inne.

WANN & WO sprach mit der 56-jährigen Intendantin über (Lebens-)Qualität im Ländle, anfängliche Sprachbarrieren, warum „Madame Butterfly“ die Festspielgäste verzaubern wird und wieso sie sich 2024 mit einem ­weinenden Auge von den Festspielen verabschiedet.

WANN & WO: Frau Sobotka, Sie sind beruflich schon viel herumgekommen: Wien, Salzburg, Graz, Berlin, Leipzig ... seit dem Jahr 2015 Bregenz. Was hat Sie damals ins Ländle gelockt?

Elisabeth Sobotka: Festspielpräsident Hans-Peter Metzler (lacht). Es wurde dringend nach einer Neubesetzung der Intendanz gesucht, da Roland Geyer, der für die Stelle vorgesehen war, die künstlerische Leitung doch nicht übernommen hatte. Die Aufgabe hat mich schon interessiert, aber ich war mir nicht sicher, ob es das Richtige für mich ist. Herr Metzler sagte dann aber: Kommen Sie doch einmal her und schauen Sie es sich an.

WANN & WO: Und wie war diese Erfahrung dann für Sie?

Elisabeth Sobotka: Es war an einem sonnigen Tag wie heute, die weißen „Wolkerln“ waren am Wasser, es war einfach herrlich. Ich bin auf die Tribüne hinaus, sah das beeindruckende Bühnenbild von Chenier und dachte mir: Das ist schon wirklich cool. Ich glaube, hier kann man wirklich gut Oper machen. Ich kannte natürlich schon hiesige Produktionen, aber die waren schon relativ lange her. Und ich habe mich ehrlich gesagt nie damit beschäftigt, ob ich das hier wollte oder könnte. Dann ist aber doch alles sehr schnell gegangen.

WANN & WO: Was begeistert Sie an der Seebühne besonders?

Elisabeth Sobotka: Wie schön die Tribüne zum See gebaut ist. Diese ­Muschel und diese Einheit, die auch das Bühnenbild verstärkt. Es ist eine ganz besonders schöne architektonische Struktur. Es ist aber auch toll, wie das Publikum mit der Bühne in Kombination treten kann. Das ist ja bei Openairs und anderen Großveranstaltungen oftmals nicht der Fall.

WANN & WO: Haben Sie sich im Ländle gleich zurechtgefunden? Auch in puncto Sprachbarriere?

Elisabeth Sobotka: Ich habe mich von Anfang an sehr wohlgefühlt und hatte das Glück, dass die Leute alle so nett waren, mit mir so zu reden, dass ich auch alles verstehe. Mittlerweile verstehe ich aber auch den Dialekt recht gut – Lustenauerisch einmal ausgenommen (lacht). Ich selbst habe aber überhaupt keine Begabung dafür. Das ist ja fast wie eine Fremdsprache, das müsste man wirklich trainieren. Mein Sohn kann es, er schreibt mir auch Nachrichten im Dialekt. Ich muss sie dann manchmal laut vorlesen, damit ich sie verstehe. Und manchmal muss er sie auch noch übersetzen (lacht).

WANN & WO: Sie wohnen nun schon einige Jahre im Ländle. Wie ­nehmen Sie das Leben hier wahr?

Elisabeth Sobotka: Das Ländle ist schon etwas Besonderes: Die Lage mit den unterschiedlichen Ländern, der See, die Berge, die Lebensqualität … und damit meine ich nicht nur die Lebensqualität für einen selbst, sondern auch die Qualität, mit der hier gelebt wird. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig, aber beim Bau, beim Essen, in der Landwirtschaft ... man hat einfach das Gefühl, dass ein hoher Wert darauf gelegt wird, dass das, was man macht, auch wirklich „körig“ gemacht wird. Und das spürt man. Das hat nichts Aufgesetztes, das ist aus Überzeugung. Und das wirkt sich auch bei den Festspielen und auf unsere Mitarbeiter aus: Wie die Bühne gebaut wird, wie das Ganze an- und aufgenommen wird. Es ist wirklich eine Umgebung mit einer sehr hohen Qualität.

WANN & WO: In zehn Tagen eröffnen die Bregenzer Festspiele mit dem neuen Stück „Madame Butterfly“. Worauf dürfen sich die Festspiel­gäste freuen?

Elisabeth Sobotka: Ich bin überzeugt, dass „Madame Butterfly“ sehr gut an den See passt. Dies aus zweierlei Gründen: Einerseits ist da diese ergreifende Geschichte. Und andererseits diese unglaubliche Musik, diese hinreißende Partitur, die fast wie Filmmusik komponiert ist – und das meine ich in keinster Weise negativ. Es gibt keine Note, die nicht irgendwo hinführen will, die nicht etwas verstärken oder be­­deuten will. Und dazu kommt das Bühnenbild, das heuer zwar etwas schlichter wirkt, als zuletzt, aber das doch sehr wandelbar ist und von dem noch nicht alles gezeigt wurde. Das ist ja auch etwas, das mich fasziniert: Die Stücke entwickeln ihre Bühnenbilder mit. Und hier am See sind so ja schon einige echte Ikonen entstanden: Das Tosca-Auge, das große Skelett zum Maskenball, der Chenier-Kopf. Und dann haben wir draußen diese unglaubliche Tonanlage, die mit dem Live-Orchester und den großartigen Sängern und Sängerinnen ein unglaubliches Sound-Erlebnis bietet. Darauf freue ich mich wahnsinnig. Und wir rechnen damit, dass wir demnächst auch ausverkauft sein werden.

WANN & WO: Kommen wir abschließend noch einmal zu Ihrer Person zurück. 2024 nehmen Sie Abschied von den Festspielen und gehen als Intendantin an die Staatsoper Berlin Unter den Linden, wo Sie von 2002 bis 2007 bereits Direktorin waren. Ein Abschied mit weinendem Auge?

Elisabeth Sobotka: Das wird es sicherlich. Es war auch keine leichte Entscheidung. Gerade auch, weil man neben dieser erfüllenden Aufgabe, die man bei den Festspielen hat, hier wirklich sehr gut lebt. Ich liebe Berlin aber. Für mich stand fest: Wenn ich noch einmal in einer Stadt leben und arbeiten will, dann in Berlin. Wenn mir bei den Festspielen etwas fehlt, dann ist es der laufende Betrieb und vor allem die Ensembles, die einem zur Verfügung stehen und die die DNA des Hauses ausmachen. Die Staatsoper Berlin hat ein hervorragendes Orchester, einen tollen Chor. Noch einmal ein Haus prägen und täglich damit arbeiten zu können, war das, was mich dann doch überzeugt hat. 

WANN & WO: Somit schließt sich ja auch ein Kreis. Ist es für Sie auch so etwas wie ein Nachhausekommen?

Elisabeth Sobotka: Ja, es ist so eine Mischung aus Nachhausekommen und Neuanfang. Das ist ganz merkwürdig, stimmt. Das Haus wurde in der Zwischenzeit auch saniert, hat sich dadurch verändert, fühlt sich für mich aber dennoch vertraut an. Wie auch Berlin selbst. Auch wenn ich keine zweite Stadt in Mittel­europa kenne, die sich so schnell verändert. Es ist sehr viel in Bewegung. Natürlich ist diese ganz verrückte Zeit nach der Wende, die ich auch noch erlebt habe, die ist vorbei. Aber wenn ich jetzt hinfahre, habe ich immer noch ein gutes Gefühl und fühle mich wohl und zuhause.

Kurz gefragt

Wo sind Sie in Vorarlberg ­anzutreffen?

In einem der herrlichen Restaurants in der Gegend oder am See spazierend. Ich liebe den Bregenzerwald und erkunde auch gerne die Region rundherum – die Schweiz, das Allgäu ...

Apropos Restaurants: Ihr ­Lieblingsessen aus der ­Vorarlberger Küche?

Käsknöpfle.

Der schönste Platz im Ländle?

Mein Büro (lacht).

Ihr liebstes Stück?

Immer das, das ich mache.

Vervollständigen Sie bitte ­folgenden Satz: Zuhause ist für mich ... ?

... dort, wo ich arbeite.

Zur Person: Elisabeth Sobotka

Alter und Wohnort: 56 Jahre, geboren in Wien, wohnhaft in Bregenz

Familie: alleinerziehend, ein Sohn („Wir leben in einer Gemeinschaft mit meiner Mutter. Sie hat mir sehr geholfen, Felix großzuziehen. Seit seiner Geburt war sie immer dabei. Ohne sie hätte ich meinen Job nicht machen können.“)

Funktionen (Auswahl): 1994 bis 2002 Chefdisponentin und Betriebsdirektorin der Wiener Staatsoper, 2002 bis Ende 2007 Direktorin der Staatsoper Unter den Linden Berlin, 2009 bis 2014 Intendantin Oper Graz, seit 2015 Intendantin Festspiele Bregenz

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