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Das bringt 2021: Biden kommt und Merkel geht

Das bringt 2021: Biden kommt und Merkel geht.
Das bringt 2021: Biden kommt und Merkel geht. ©AFP, AP
Die Welt entledigt sich Donald Trumps, und Europa verliert die "ewige Kanzlerin" Angela Merkel: Das kommende Jahr bietet Anschauungsunterricht für den Einfluss starker Führungspersönlichkeiten auf den Gang der internationalen Politik.
Das bringt das Jahr 2021

Während US-Präsident Trump das Weiße Haus schon am 20. Jänner für seinen Nachfolger Joe Biden räumen muss, verabschiedet sich die deutsche Regierungschefin nach der Bundestagswahl am 26. September von der politischen Bühne.

Biden will Trump-Entscheidungen rückgängig machen

Biden will schon am ersten Tag im Amt eine Reihe umstrittener Entscheidungen Trumps rückgängig machen, allen voran den Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag. Der Demokrat hat auch klar gemacht, dass er die USA wieder stärker zu internationaler Zusammenarbeit etwa im Rahmen der Vereinten Nationen oder der NATO verpflichten will. Mit Spannung wird erwartet, welche Signale er in Richtung Teheran aussendet und ob er dem Wiener Atomabkommen wieder beitritt. Gegenüber Russland dürfte er härtere Töne anschlagen als sein Vorgänger.

Präsident ohne Kongressmehrheit

Biden wird die Arbeit aber durch eine schmale Machtbasis erschwert. Als erster Präsident seit Jahrzehnten dürfte er ohne Kongressmehrheit ins Amt starten, außer den Demokraten gelingt bei den Senats-Stichwahlen am 5. Jänner im konservativen Südstaat Georgia ein Doppelsieg. In diesem Fall gäbe es in der mächtigen Parlamentskammer ein Patt mit Vizepräsidentin Harris als entscheidender Stimme.

Auch international muss der neue US-Präsident auf Sicht fahren. Der Iran wählt im Juni einen neuen Präsidenten, und es könnte ein Vertreter der Hardliner dem Reformer Hassan Rouhani nachfolgen. Der russische Präsident Wladimir Putin wird alles daran setzen, bei den ebenfalls für kommendes Jahr angesetzten Parlamentswahlen eine Entwicklung wie im Nachbarland Weißrussland (Belarus) zu verhindern, wo Machthaber Alexander Lukaschenko nach allzu deutlichem Wahlbetrug mit einem Oppositionsaufstand konfrontiert ist.

Viele Augen auf Putin gerichtet

Putin muss zudem damit rechnen, dass ihm nach der mutmaßlichen Verwicklung des russischen Geheimdienstes in die Vergiftung von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zumindest international noch stärker auf die Finger geschaut wird als nach der umstrittenen Krim-Annexion.

Härtere Töne gegen China zu erwarten

Klar scheint, dass sich der neue US-Präsident Biden wie sein politischer Weggefährte Barack Obama schwerpunktmäßig Asien widmen wird. Gegenüber China dürfte er dabei härtere Töne anschlagen als Trump. Eine seiner ersten Reisen dürfte Biden nach Europa führen, hat ihn doch EU-Ratspräsident Charles Michel schon nach Brüssel eingeladen. Ziemlich sicher wird es dann auch zu einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Merkel kommen, die damit bereits den vierten US-Präsidenten in ihrer Amtszeit sehen wird.

Merkel seit 2005 im Amt

Am 22. November 2005 nach einem glanzlosen Sieg gegen den sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder ins Amt gekommen, war Merkel die erste Frau, die erste Ostdeutsche und auch die jüngste Person in diesem Amt. Bald schon mit dem Beinamen "mächtigste Frau der Welt" bedacht, erwarb sich Merkel den Ruf einer umsichtigen Krisenmanagerin, sei es in der Eurokrise ab 2009, der Flüchtlingskrise ab 2015 und jüngst in den Bemühungen zur Bewältigung der Coronapandemie. Die Coronakrise ließ die Beliebtheitswerte der Christdemokratin wieder steigen, nachdem sie infolge herber Verluste bei der Bundestagswahl 2017 nach massivem internen Druck ihren politischen Rückzug angekündigt hatte.

Merkel-Nachfolge noch offen

Wer Merkel nachfolgen wird, ist offen. Ihre Ende 2018 gekürte Nachfolgerin als CDU-Chefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, warf nämlich schon nach gut einem Jahr das Handtuch. Die Vorsitzwahl wurde coronabedingt mehrmals verschoben und soll nun Mitte Jänner 2021 mittels Briefwahl auf einem Online-Parteitag stattfinden. Um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur bewerben sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Umweltminister Norbert Röttgen und Ex-Fraktionschef Friedrich Merz. Sie alle tun sich schwer, in die großen Fußstapfen Merkels zu steigen. Im Rennen um ihre Nachfolge mischt auch der bayerische Ministerpräsident und Chef der Schwesterpartei CSU, Markus Söder, mit, dem eigene Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden.

Auch die künftige Regierungskonstellation in Deutschland ist offen. Umfragen, in denen die konservativen Unionsparteien klar vor den Grünen liegen, stehen unter dem Vorbehalt der ungeklärten "K-Frage" bei den beiden führenden Kräften. Der sozialdemokratische Vizekanzler Olaf Scholz hofft indes, die Grünen noch überholen zu können und eine Mehrheit gegen die Union zimmern zu können. Wahrscheinlicher ist, dass die SPD auf die Oppositionsbank muss und Merkels Nachfolger eine schwarz-grüne Koalition bilden wird. Sollte sich die Regierungsbildung bis Weihnachten ziehen, könnte Merkel den Amtszeitrekord von Helmut Kohl (16 Jahre und 25 Tage) brechen.

Niederlande wählen neues Parlament

Ansonsten stehen kommendes Jahr eher die kleineren EU-Staaten im Fokus. Portugal (erstes Halbjahr) und Slowenien (zweites Halbjahr) haben die EU-Ratspräsidentschaft inne, die Niederlande wählen am 17. März ein neues Parlament. Der seit Oktober 2010 amtierende rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte hat gute Chancen auf eine Wiederwahl, und würde nach Merkels Abschied zum Doyen der "alten" EU-Mitglieder im Europäischen Rat, knapp hinter dem seit März 2010 amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.

Auch in Bulgarien (April) und Tschechien (Oktober) gehen die konservativen Amtsinhaber Bojko Borissow und Andrej Babis als Favoriten in die Parlamentswahlen. In Skandinavien bemühen sich zwei Regierungschefinnen um eine weitere Amtszeit, in Norwegen die Konservative Erna Solberg (September) und in Island die links-grüne Katrin Jakobsdottir (Oktober).

Schottland hofft auf Rückkehr in die EU

Mit besonderem Interesse wird im Mai eine Regionalwahl verfolgt werden, und zwar in Schottland. Die in Edinburgh regierende Schottische Nationalpartei (SNP) hat nämlich angekündigt, bei einem Sieg umgehend ein neuerliches Unabhängigkeitsreferendum einleiten zu wollen. Das Volksvotum für den Verbleib im Vereinigten Königreich sei nämlich durch den Brexit überholt, argumentiert die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Schließlich seien die Schotten beim Brexit-Referendum von den europaskeptischen Engländern überstimmt worden. Sturgeon hofft auf weiteren Aufwind, wenn Anfang 2021 die Brexit-Übergangsfrist endet. Das Vereinigte Königreich hat die EU zwar schon im Jänner verlassen, blieb aber noch bis Jahresende komplett an das EU-Recht gebunden.

Wahlen in Hongkong

In Asien wird ebenfalls eine Regionalwahl im Fokus stehen, und zwar jene zum Legislativrat in Hongkong im September. Beobachter erwarten ein neuerliches Aufflammen der Demokratieproteste, sehen viele Aktivisten den Urnengang doch als letzte Chance, die komplette Gleichschaltung der früheren britischen Kolonie zu verhindern. Vorsorglich hat die Justiz bereits den charismatischen Anführer der Demokratieproteste, Joshua Wong, ins Gefängnis werfen lassen. Peking hatte sich bei der Übernahme Hongkongs im Jahr 1997 verpflichten müssen, die dortigen Freiheitsrechte 50 Jahre lang zu achten.

Japan: Keine Überraschung zu erwarten

Weniger brisant ist die Parlamentswahl im Oktober in Japan, wo sich der neue Premier Yoshihide Suga erstmals den Wählern stellt. Alles andere als ein Sieg seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) wäre eine Überraschung. Suga hatte das Amt im September von Shinzo Abe übernommen, der sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hatte. Während die USA und Deutschland neue politische Führungen bekommen, stehen die Zeichen bei den asiatischen Wirtschaftsmächten China und Japan auf Kontinuität.

Starkes Wahljahr in Lateinamerika

Ein starkes Wahljahr wird in Lateinamerika erwartet. Das Augenmerk richtet sich dabei vor allem auf Ecuador (April), Peru (Juni) und Chile (November), deren Regierungen sich mit massiven Protesten konfrontiert sahen. In Ecuador werden dem linksgerichteten Präsidenten Lenin Moreno massive Menschenrechtsverletzungen bei der Niederschlagung von Protesten vorgeworfen. In Peru kam es heuer sogar zu einer Verfassungskrise, die in der Amtsenthebung von Präsident Martin Vizcarra gipfelte. Während sich sein Nachfolger Francisco Sagasti um eine weitere Amtszeit bewerben kann, ist dies dem chilenischen Präsidenten Sebastian Pinera nicht möglich. Pineras Amtszeit war von monatelangen Protesten begleitet, bei denen Dutzende Menschen getötet wurden. Pinera musste daraufhin einem Referendum über die Abschaffung der aus der Ära der Pinochet-Diktatur stammenden Verfassung zustimmen.

Zehn Jahre Arabischer Frühling

Das kommende Jahr bringt auch einige Jahrestage. Einige davon reichen akut in die Gegenwart, wie etwa der 10. Jahrestag des Arabischen Frühlings, der im Jänner 2011 in mehreren Staaten begann und zum Sturz autoritärer Machthaber führte. Nicht allerdings in Syrien, wo Diktator Bashar al-Assad immer noch fest im Sattel sitzt, zehn Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs im März 2011.

20 Jahre nach 9/11

Die epochemachenden Terroranschläge des 11. September 2001 und der folgende Krieg gegen Afghanistan (7. Oktober) jähren sich zum 20. Mal, die Tötung des Terrorpaten Osama bin Laden zum zehnten Mal (2. Mai). 30 Jahre her sind der zweite Irak-Krieg (17.1.), die Auflösung des Warschauer Pakets (31.3.) und der Sowjetunion (26.12.) sowie der Zerfall Jugoslawiens infolge der Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens (25.6.).

(APA)

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