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Horrorfahrt durchs Klostertal

Der Bahnhof Dalaas glich einem Trümmerfeld.
Der Bahnhof Dalaas glich einem Trümmerfeld. ©Rupp
Dalaas/Klostertal. Vor 90 Jahren donnerten 14 Waggons führerlos talwärts.  Der Jänner 1924 war außerordentlich schneereich. Im Klostertal türmte sich der Schnee und nur mit viel Mühe konnte die Bahnverbindung von Vorarlberg nach Tirol offen gehalten werden.
Zugsunglück Langen - Dalaas 13. Jänner 1924

Der Schnee wog so schwer, dass man das Dach des Kirchleins in Wald am Arlberg abschöpfen musste, nachdem sich im Gewölbe und in den Mauern gefährlich große Risse gezeigt hatten.

 Man schrieb Sonntag den 13. Jänner. Trotz des Schnees war es eine nahezu finstere Nacht, als sich der Güterzug 118 um 3.48 in Dalaas in Bewegung setzte. Die schwere Dampflok und eine zusätzliche Vorspannlokomotive hatten Mühe, den schweren Zug Richtung Arlberg zu bewegen. Im Bahnhof Langen war eine andere Lok entgleist, so dass der Güterzug vor Langen im Großtobeltunnel angehalten werden musste. Als es endlich hieß „Bremsen los“, rissen beim Anfahren des Zuges 14 Waggons ab und wenige Augenblicke später ertönte das Pfeifsignal „Zug gerissen“.


Höllenfahrt

 

Die 14 Waggons wogen mit ihrer Fracht 324 Tonnen (!). Langsam setzten sie sich talwärts in Bewegung. Auf den Waggons befanden sich insgesamt fünf Bremser in ihren kalten, zugigen Bremserhäuschen. Einer von ihnen war gelernter Bremser, die übrigen waren „ungelernt“ und daher unerfahren. Anfangs – im Tunnel – glaubten sie, der Zug fahre bergwärts, doch der Schrecken fuhr in ihre Glieder, als sie bemerkten, dass es talwärts ging. Die aneinander gekuppelten Waggons wurden immer schneller. Die Bremser zogen die Bremsen an, so dass die Funken sprühten und ein gespenstisches Licht die Geleise erhellte. Der erfahrene Bremser erkannte die Todesgefahr und sprang – gemeinsam mit einem weiteren Bremser –vor der Station Danöfen vom Zug. Der tiefe Schnee milderte den Aufprall. Die beiden blieben unverletzt. Die Geschwindigkeit steigerte sich fortwährend.
Eiserne Nerven

 

Ein Bahnwächter von Langen am Arlberg verständigte telefonisch die Station Danöfen. Als der diensthabende Beamte nach draußen trat, rasten die „flüchtigen Wagen mit feuerspeienden Rädern durch die Station. Der Beamte setzte sofort die Station Dalaas in Kenntnis, dass ein Zug entlaufen sei.“ In Dalaas hatte Bahnadjunkt Georg Türk Dienst, als ihn die Schreckensnachricht erreichte. Sofort gab er dem Weichensteller Emil Burtscher im östlich gelegenen Stellwerk den Auftrag einen „Radschuh einzuwerfen“, was jedoch misslang, da der Radschuh unter dem Schnee begraben lag.


Das Finale

 

Nun sprang Adjunkt Türk  zur nächsten Weiche und stellte auf „halb“, auf Gabelstellung, um eine Entgleisung herbeizuführen. Währenddessen näherte sich aus dem Tal kommend der Güterzug 190. Kaum hatte Türk die Weiche gestellt und sich etwas entfernt, hörte er das nahende Unheil: „Durch die Luft drang ein unheimlich bohrender  Ton. Der Anblick des Einfahrens und des Entgleisens war furchtbar. (…) In derselben Sekunde, in der die Wagen auf die halb umgestellte Weiche auffuhren, flog alles in die Lüfte. Die vorderen Wagen legten sich nach allen Seiten um. (…) Rückwärtige Wagen sprangen links in das Stationsgebäude und rasierten zwei Eisenmasten, die Aborte, die ganze Veranda, sowie einen Teil des Licht- und Öldepots weg. Das Stationsgebäude wurde so schwer erschüttert, daß die Kanzleiuhr stehen blieb.“ Georg Türk hatte unheimliches Glück, als „ein Wagen 20 bis 30 Zentimeter neben mir in die harte Schneewand“ geschleudert wurde. „Mich hat nichts getroffen als kleine Schutt- und Eisbrocken.“ Nach etwa zehn Sekunden „war alles vorüber und ruhig.“ Der Weichensteller Josef Konzett war zwischenzeitlich dem entgegenkommenden Güterzug 190 entgegen geeilt und ließ ihn anhalten. Im Stationsbereich Dalaas war es stockfinster, da das elektrische Licht zerstört worden war. Türk erschrak, als er plötzlich drei Männer neben den Trümmern auftauchen sah. Es waren die drei Bremser, die bei der Entgleisung aus ihren Bremerhütten herausgeschleudert worden waren. Sie waren nur leicht verletzt!

 
Zahlen und Fakten

 

Die Bahnstrecke Langen – Dalaas misst 15 Kilometer und weist eine Höhendifferenz von 184 Metern auf. Die Waggons brauchten für ihre „Höllenfahrt“ sechs bis sieben Minuten, nach einer anderen Angabe lediglich vier (!) Minuten. Die rasch zunehmende Geschwindigkeit soll am Ende der Fahrt zwischen 150 und 220 km/h betragen haben. In den Kurven sollen die Waggons mit ihrer schweren Fracht (Eisen, Farben und Mehl für das Spullerseewerk) „überkippt“, d.h. jeweils nur auf 2 Rädern gefahren sein. Die Stoßkraft der Waggons soll bei ihrer Entgleisung etwa 60.000 PS betragen haben.

Das Unglück verursachte großen Sachschaden, forderte jedoch kein einziges Todesopfer. Alle Bahnbediensteten hatten geistesgegenwärtig reagiert und so – auch mit viel Glück – größeres Unheil verhindert.

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