Die CIA-Verhörmethoden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 waren brutaler als bisher bekannt – und sie waren unwirksam. Das sind die Kernaussagen eines Untersuchungsberichts, den der Geheimdienstausschuss des US-Senats am Dienstag nach langen Kontroversen veröffentlicht hat.
Vernichtendes Urteil über CIA
In seiner Gesamtheit ist der Report ein vernichtendes Urteil über die CIA. Demnach wurden manche Gefangene bis zur Bewusstlosigkeit gequält, bis zu 180 Stunden lang wach gehalten und beim Waterboarding beinahe ertränkt. Auch der damalige Präsident George W. Bush wurde über das wahre Ausmaß des Verhörprogrammes getäuscht.
Von Schein-Hinrichtungen bis rektaler Ernährung
Weitere Grausamkeiten: Schein-Hinrichtungen, “russisches Roulette”, rektale Ernährung oder rektale Rehydratation von Hungerstreikenden ohne medizinische Notwendigkeit. Zu den Verhörmethoden zählten Schläge in den Unterleib, sie sollen in kleine Boxen gesperrt und über längere Zeit isoliert worden sein. Anderen Gefangenen wurde gesagt, sie kämen niemals lebend aus der Haft.
Mehr Terrorverdächtige festgehalten als bekannt
Dem Report zufolge wurden in geheimen CIA-Gefängnissen mehr Terrorverdächtige festgehalten als bislang publik wurde. Mindestens 119 seien sogenannten “harschen” Verhörmethoden ausgesetzt und teilweise rund um die Uhr gequält worden. Die CIA habe sowohl die damalige Bush-Regierung als auch den Kongress über das Ausmaß der Methoden und die mangelnde Effektivität im Dunkeln gelassen.
Gefangenen an Wände geschleudert
Im einzelnen wird beispielsweise in dem Report geschildert, wie der erste Gefangene im CIA-Gewahrsam, Abu Subaida, schwer misshandelt wurde. Er sei rund um die Uhr Attacken ausgesetzt gewesen, an Wände geschleudert, in eine sargartige Kiste gesteckt und dann dem Waterboarding ausgesetzt worden – dem simulierten Ertränken. Das habe solange gedauert, bis er gehustet und sich übergeben habe und “Krämpfe am Leib und seinen Extremitäten hatte”. Schaum sei aus seinem Mund gekommen, und er habe das Bewusstsein verloren.
Gefangenen halbnackt auf Zementboden gekettet – tot
In anderen Fällen seien Gefangene bis zu eine Woche lang vom Schlafen abgehalten worden, manchmal mit über ihren Köpfen gefesselten Händen. Dabei habe man sie ohne medizinische Notwendigkeit “rektal gefüttert oder dehydriert”. In einem CIA-Gefängnis seien Männer in dunklen Räumen isoliert und mit lauter Musik beschallt worden. 2002 sei ein Gefangener an Unterkühlung gestorben, nachdem man ihn über lange Zeit halbnackt auf einem Zementboden festgekettet hatte.
Nach Veröffentlichung: In den USA grassiert die Angst
Aus Furcht vor Ausschreitungen und Terror-Anschlägen nach der Veröffentlichung hatte die US-Regierung den Schutz vieler Botschaften und Militäreinrichtungen im Ausland verstärkt. Vor allem im Nahen Osten herrschte erhöhte Alarmbereitschaft.
Zahlreiche Republikaner hatten gewarnt, den Report publik zu machen. Namhafte Parteivertreter, darunter der damalige Vizepräsident Dick Cheney, verteidigten die von ihnen als “harsche Verhörmethoden” bezeichneten Praktiken als notwendig für den Schutz des Landes. Der prominente republikanische Senator John McCain distanzierte sich dagegen in einer leidenschaftlichen Rede im Senat von den Methoden und sprach offen von Folter.
CIA: Bericht voller Fehler – “Leben gerettet”
Die CIA betonte, das eigene Vorgehen habe sehr wohl Anschlagspläne vereitelt, die Festnahme von Terrorverdächtigen ermöglicht und “Leben gerettet”. Der Bericht sei zudem voller Fehler. CIA-Chef Brennan räumte zwar Fehler und Mängel in der Anfangsphase der “harschen Verhörmethoden” ein (das Statement von Brennan können Sie hier im Wortlaut nachlesen; Anm.). Die Agenten seien damals nicht genügend auf ihre Arbeit vorbereitet gewesen. Es treffe aber nicht zu, dass die CIA die Regierung über ihr Vorgehen getäuscht habe.
Bericht: Folter unwirksam und nicht gerechtfertigt
Zu einem ganz anderen Schluss kommt der Untersuchungsbericht. Die “erweiterten Verhörtechniken” hätten nicht die wirklich wichtigen Ergebnisse erzielt, hieß es. Der auf CIA-Telegramme, E-Mails und Interviewabschriften basierende Report widerlegt die zentrale Argumentation, mit der Folter bislang gerechtfertigt wurde: Dass sie Terroranschläge vereitelt und das Leben von US-Bürgern gerettet habe. Der Bericht entkräftet auch die Aussage der CIA, wonach seine Verhörpraktiken zur Tötung von Terrorführer Osama bin Laden im Mai 2011 geführt hätten, berichtet die AP.
Vorsitzende: “Beschmutzung unserer Werte”
Dianne Feinstein, die Vorsitzende im Geheimdienstausschuss im Senat, sprach in einem persönlichen Vorwort, ausdrücklich von “Folter”. Es handele sich um eine “Beschmutzung unserer Werte”.
Obama stellt Verhörmethoden an den Pranger
US-Präsident Barack Obama sagte, das Vorgehen der CIA habe dem Ansehen der USA in der Welt geschadet und nicht der nationalen Sicherheit gedient. Er werde als Präsident alles tun, “dass wir nie mehr auf diese Methoden zurückgreifen”. Bereits in der Vergangenheit hatte Obama eingeräumt, dass die USA Gefangene gefoltert hätten. Die demokratische Vorsitzende des Ausschusses, Dianne Feinstein, sprach von Folter und einer “Beschmutzung unserer Werte”.
Amnesty: Verantwortliche müssen bestraft werden
Dagegen forderte Amnesty International, dass die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen und bestraft werden müssten. Die Opfer sollten Wiedergutmachung erhalten. Der Bericht des Senats stelle “glasklar fest, dass die US-Regierung Folter angewendet hat”.
Le Pen hält Folter in manchen Fällen für “nützlich”
Die rechtsextreme französische Politikerin Marine Le Pen indes hält Folter in manchen Fällen für gerechtfertigt. Auf die in einem Aufsehen erregenden Senatsbericht beschriebenen brutalen Folterverhöre des US-Geheimdienstes CIA angesprochen, sagte die Chefin der Front National (FN) am Mittwoch den Sendern BFMTV und RMC: “Ich verurteile das nicht.”
“Erlauben Sie mir es Ihnen zu sagen: Es kann Fälle geben, wenn eine Bombe – tick tack tick tack tick tack – in einer oder zwei Stunden explodieren soll und dabei 200 oder 300 zivile Opfer fordern würde. Da ist es nützlich, die Person zum Sprechen zu bringen.” Dabei müssten “die Mittel” eingesetzt werden, “die möglich sind”, sagte Le Pen. (dpa/APA/red)
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