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Brüssel macht's möglich

Schwindende Grenzen, einheitliche Währung, E-Commerce und ein harmonisier- tes, hohes Verbraucherschutzniveau stärken den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Journal

Unterschiede in Sprache, Recht und (Rechts-)Kultur lassen die Menschen jedoch zögern, den Schritt über die Grenze zu wagen. In den vergangenen zehn Jahren hat die Europäische Union (EU) daher maßgeblich dazu beigetragen, einige dieser Barrieren zu beseitigen und die Rechtsdurchsetzung in Europa zu vereinfachen und zu beschleunigen. Damit wurde die „fünfte Grundfreiheit“ des Europäischen Binnenmarkts – die „Freiheit der Urteile“ – gestärkt. Jeder der 27 EU-Staaten hat Urteile aus einem anderen EU-Mitgliedstaat zu akzeptieren und zu vollstrecken. Eine Überprüfung darf – bis auf wenige Ausnahmen – nicht (mehr) erfolgen.

Jüngst hat der europäische Gesetzgeber weitreichende Maßnahmen gesetzt. So wurden im Jahre 2004 ein so genannter „Europäischer Vollstreckungstitel“, Ende 2006 ein „Europäisches Mahnverfahren“ und kürzlich ein „Europäisches Bagatellverfahren“ für Forderungen bis 2000 Euro beschlossen. Während der Europäische Vollstreckungstitel bereits seit 2005 in Kraft ist, wird das Einleiten eines Europäischen Mahnverfahrens im Jahr 2008 und das Durchführen eines Europäischen Bagatellverfahrens ab 2009 möglich sein.

Der Europäische Vollstreckungstitel gilt für unbestrittene Forderungen, zum Beispiel rechtskräftige Versäumungsurteile oder Zahlungsbefehle. In solchen Fällen – unbestrittene Forderungen machen etwa 90 Prozent der im Ausland zu vollstreckenden Titel aus – ist eine eigene Vollstreckbarerklärung im Ausland nicht mehr notwendig. Damit wird etwa ein österreichisches Urteil zu einem „fliegenden Exekutionstitel“, der in allen Staaten der EG (mit Ausnahme Dänemarks) durchgesetzt werden kann.

Vorsicht geboten ist auch für Schuldner in Österreich, die bislang getrost ausländische Gerichtsverfahren ignorieren konnten, weil sie sich vor heimischen Gerichten mit Erfolg gegen die Vollstreckung wehren konnten. Dies ist in dieser Form passé, weil ein unbestrittener ausländischer Titel in Österreich ohne Überprüfung zu vollstrecken ist.

Mit dem Europäischen Mahnverfahren, das am 12. Dezember 2008 in Kraft treten wird, bricht ein neues Zeitalter in der internationalen Rechtsdurchsetzung an. In Zukunft wird es möglich sein, auch gegen ausländische Schuldner im Inland – sofern eine gerichtliche Zuständigkeit gegeben ist – ein „Europäisches Mahnverfahren“ einzuleiten und einen Europäischen Zahlungsbefehl zu beantragen.

Dem ausländischen Schuldner bleibt die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen Einspruch zu erheben. Es empfiehlt sich – oft wegen der komplexen Sachverhalte und der zahlreichen Rechtsfragen, die im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr auftreten – einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Europa wächst weiter zusammen. Der Gesetzgeber in Brüssel setzt verstärkt Akzente, um dem europäischen Raum des Rechts mehr Schlagkraft zu verleihen – gut für Gläubiger, schlecht für Schuldner!

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