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Briten in Wien: Hoffen auf neues Referendum und Zukunftssorgen

In Wien lebende Briten über den Brexit.
In Wien lebende Briten über den Brexit. ©AP Photo/Frank Augstein
Für in Wien lebende britische Staatsbürger kam die krachende Niederlage von Theresa Mays Brexit-Deal nicht unerwartet. Viele von ihnen befürchten nun, dass ein harter Brexit negative Folgen auf ihr Leben in Österreich haben könnte.
Brexit-Deal abgelehnt


Allerdings glauben die meisten nicht, dass es wirklich zu einem harten Brexit kommen wird. “Ein komplettes Chaos würde ausbrechen”, meint etwa Ashleigh.

Sorge vor neuen Arbeitsbedingungen für Briten

Der 41-jährige Englischlehrer befürchtet jahrelange Konsequenzen im Falle eines ungeregelten Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der EU. “Nach einem harten Brexit könnten sich meine Arbeitsbedingungen ändern, weil meine Qualifikationen hier womöglich nicht mehr gelten würden”, sagt er. “Ich will auch diesen ganzen Visa-Stress nicht haben.” Dass eine neuerliche Abstimmung im britischen Parlament etwas ändern würde, glaubt er nicht, weil auch die Labor Party euroskeptisch sei. “Die Leute haben die Nase schon so voll von diesen Verhandlungen”, meint er.

Sorgen um seine Zukunft macht sich auch James. Der 24-Jährige schreibt gerade seine Doktorarbeit an der Universität Wien. “Vonseiten der österreichischen Regierung gibt es keine Kommunikation. Wir wissen gar nicht, welche Optionen wir nach einem No Deal hätten. Es ist eine schwierige und unsichere Zeit. Man schaut paralysiert zu, was drüben (in Großbritannien, Anm.) passiert und verfolgt dieses Durcheinander”, sagt James. Das Gefühl, so weit weg und trotzdem unmittelbar betroffen zu sein, sei befremdlich. Für ihn kann es gar “keinen guten Deal geben ohne die Möglichkeit, dass wir in alle 27 EU-Länder frei einreisen und dort arbeiten dürfen. Wir diskutieren heute über Optionen, die weit von jenen entfernt sind, die wir (oder auch die Leavers) 2016 in Betracht zogen.”

Hard Brexit hätte negativen Einfluss auf die Wirtschaft

Auch der 31-jährige Steve fände einen harten Brexit “katastrophal für alle Menschen auf beiden Inseln.” Als Ire würde sich sein Status in Österreich zwar nicht ändern, aber seine Familie an der nordirischen Grenze könnte direkt davon betroffen sein. “Der Hard Brexit würde einen negativen Einfluss auf die dortige Wirtschaft haben. Viele Leute arbeiten auf der einen und studieren auf der anderen Seite der Grenze oder umgekehrt.”

Janet, die seit 20 Jahren in Österreich arbeitet, glaubt hingegen nicht, dass sich etwas ändern wird. Nur das Ein- und Ausreisen könnte etwas schwieriger werden, meint die 42-Jährige. “Am Anfang war ich sehr besorgt, aber nach diesem langen Hin und Her, ohne dass was passiert, prallt irgendwann schon alles an einem ab”, sagte sie lapidar.

Menschen seien schlecht über Brexit informiert worden

Resigniert scheint auch der 47-jährige John: “Was gestern passierte, war keine Überraschung”. Niemand sei mit dem von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Deal zufrieden, die Menschen seien viel zu schlecht über den Brexit informiert worden, kritisiert er. “Wenn die Abstimmung nochmals stattfinden würde, glaube ich, dass bis zu 75 Prozent der Bevölkerung für ‘Remain’ stimmen würden. Ich würde gerne noch ein Referendum haben. Ich sehe es aber leider nicht kommen.”

John befürchtet, dass er Österreich im schlimmsten Fall verlassen müsste – falls er kein Bleiberecht bekäme. “Ich bin kein Hirnchirurg, nur ein Kleinhändler. Großbritannien hat nicht bedacht, dass Leute, wenn sie zurückkehren müssten, ganze Familien mitnehmen würden. Es würden viel mehr Menschen zurückkommen als geplant.”

Auch Kirsten (29) wünscht sich einen EU-Verbleib und ein zweites Referendum. “Erst jetzt sehen wir, was ein EU-Austritt wirklich bedeuten würde. Die Brexit-Kampagne basierte auf vielen Lügen und verschiedenen Interessen – wie der Raum der Wünsche bei Harry Potter. Es wurde immer zu dem, was jemand im Moment brauchte.”

Britischer Botschafter in Wien: Alternative finden

Der britische Botschafter in Österreich, Leigh Turner, hat sich am Mittwoch relativ zuversichtlich gezeigt, dass es Premierministerin Theresa May nach der Ablehnung des Brexit-Deals im britischen Unterhaus gelingen wird, noch eine Lösung zu finden. “Es muss eine Alternative gefunden werden, die Unterstützung genießt”, sagte Turner im “Morgenjournal” des ORF-Radios Ö1 am Mittwoch.Dazu müsse “innerhalb des britischen Systems weiterhin diskutiert werden und auch mit den europäischen Partnern”. Klar sei, dass noch weiter eine gute Lösung für beide Seite gesucht werden müsse, so Turner. Auch Nachverhandlungen mit Brüssel, welche die EU-Kommission bisher kategorisch ausgeschlossen hat, hält er für möglich: “Das werden wir noch sehen. Es ist öfter der Fall gewesen, dass alle gesagt haben, so geht es nicht weiter, und es geht trotzdem weiter.”

Es sei wichtig, zu einer Lösung zu kommen, die so tiefe und breite Beziehungen wie möglich zwischen dem Vereinigten Königreich und den EU- 27 sicherstelle, betonte der Botschafter. “Wir konzentrieren uns im Moment auf die Rechte der (britischen) Bürger und Bürgerinnen hier in Österreich sowie natürlich auf die der Österreicher in Großbritannien.” Die britische Regierung habe klargemacht, dass die Österreicher in Großbritannien bleiben könnten und weiterhin leben und arbeiten könnten, so wie auch EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) klargemacht hätten, dass auch die Briten hier in Österreich willkommen seien und hier leben und arbeiten könnten.

(APA/Red)

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