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Brexit: Schüssel befürchtet Welle von Austrittsreferenden

Der Ex-Kanzler warnt vor dem Brexit
Der Ex-Kanzler warnt vor dem Brexit
Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) befürchtet einen Dominoeffekt nach einem EU-Austritt Großbritanniens. Dieser könnte "ähnliche Forderungen in ganz Europa und somit ein Erdbeben auslösen", warnte Schüssel am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion mit dem früheren EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy in Wien. Referenden seien "nicht nur unnötig, sondern auch ein Spiel mit dem Feuer".

In Anspielung auf den britischen Premier David Cameron, der die Unterhauswahl im vergangenen Mai mit dem Versprechen eines EU-Austrittsreferendums gewonnen hatte, kritisierte Schüssel den “Selbstbewusstseinsverlust” vieler nationaler Politiker, die nun “auf Referenden als Allheilmittel setzen”. “Das Problem Europas ist, dass es momentan einfach zu viele Probleme gleichzeitig hat”, wurde der Kanzler in einer Aussendung der Anwaltskanzlei DLA Piper zitiert. Diese hatte die Podiumsdiskussion gemeinsam mit der Diplomatischen Akademie veranstaltet.

Zahl europäischer Referenden nimmt zu

Die Zahl europapolitischer Referenden hat in jüngster Zeit zugenommen. Im April votierten die Niederländer gegen das EU-Ukraine-Assoziationsabkommen, nachdem Europaskeptiker mit Wählerunterschriften ein Referendum erzwungen hatten. Der ungarische Premierminister Viktor Orban will im Herbst sein striktes Nein zu einer europäischen Flüchtlingspolitik in einer Volksabstimmung bestätigen lassen. In Österreich macht sich die FPÖ für direktdemokratische Entscheidungen über EU-Fragen, konkret das EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stark. Schüssel selbst hatte im Dezember 2004 anlässlich des Beginns der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei angekündigt, dass in Österreich eine Volksabstimmung über die türkische EU-Mitgliedschaft stattfinden werde.

Sowohl Schüssel als auch Van Rompuy präsentierten sich bei der Podiumsdiskussion als Optimisten, was die Zukunft der Europäischen Union betrifft. “Wir brauchen ein Europa der Resultate”, betonte der frühere belgische Regierungschef. Was derzeit in Europa passiere, sei “keine Krise der Union, sondern eine Krise der Demokratien”, meinte er mit Blick auf den Aufstieg unkonventioneller politischer Bewegungen in mehreren EU-Mitgliedsstaaten. Schüssel sagte, dass die EU sich mehr mit den großen Fragen beschäftigen solle statt mit Details.

Die britische Oberhaus-Abgeordnete Elizabeth Symons of Vernham Dean zeigte sich mit Blick auf das Brexit-Referendum beunruhigt über die tiefe Kluft zwischen den Generationen. Sie verwies auf Umfragen, wonach 72 Prozent der 18- bis 29-Jährigen für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union seien, aber nur 33 Prozent der Über-60-Jährigen. Ein Brexit würde “zwangsläufig” zu einem weiteren Referendum führen, bei dem es dann um die Einheit und Zukunft des Vereinigten Königreichs gehen werde, sagte die Baroness unter Verweis auf die pro-europäische Haltung der Schotten.

Cameron appelliert an Bürger

Der britische Premierminister David Cameron hat unterdessen an die Bürger appelliert, sich nicht aufgrund falscher Argumente für einen Austritt des Landes aus der EU auszusprechen. “Es ist so wichtig, den Menschen zu sagen: Fällen Sie keine Entscheidung zum Verlassen der EU und zum Schaden unserer Wirtschaft auf Basis von eindeutig falschen Informationen”, sagte Cameron am Dienstag in London. Auf die Frage, ob er fürchte, seine Kampagne gegen den Brexit zu verlieren, antwortete der Premierminister: “Überhaupt nicht.” Ihn besorge aber, dass den Menschen Dinge erzählt würden, die nicht korrekt seien.

Die Briten stimmen am 23. Juni über einen Verbleib des Landes in der EU ab. Umfragen zufolge liegen die EU-Befürworter derzeit knapp vorne. In einer am späten Montagabend veröffentlichten Erhebung des “Daily Telegraph” sprachen sich 48 Prozent der Befragten für einen Verbleib und 47 Prozent für einen Austritt aus. Ein “Times”-Journalist gab über Twitter zudem die Ergebnisse einer neuen Umfrage von YouGov bekannt: Demnach wollten 43 Prozent in der EU bleiben, ein Prozentpunkt mehr als die Brexit-Befürworter.

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