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Bregenz: Ein zweites Stadtzentrum entsteht

Es wird einem grad schwindlig, wenn man zusieht, wie das Bregenzer Vorkloster wächst. Mit etwas Glück könnte sich ein zweites Stadtzentrum entwickeln.

Zita Kanik ist rundum zufrieden. Dabei zog sie nur ein paar Häuser weiter. Doch 9000 S für 67 m2 stehen heute 430 Euro für 57 m2 gegenüber. Die alte Siedlung empfand sie als Ghetto. Das Sozialzentrum Mariahilf ist für sie das totale Gegenteil.

„Früher war ich nirgends“, sagt die 59-Jährige und nippt am Tonic-Wasser. Mary hat es ohne Fragen korrekt serviert: Nicht zu kalt, ohne Eis. Hier, beim Italiener um die Ecke, ist Zita schon Stammgast. Entlang der Bregenzer Mariahilferstraße sieht man derzeit, wie unterschiedlich Wohnbau sein kann. Das Sozialzentrum war ein großer Wurf: Der Mix – zwei Drittel Senioren, ein Drittel Junge – funktioniert.

Im Keller haben sie eine kleine Bücherei eingerichtet. Schon plant der Bewohnerbeirat ein Törggelefest Ende November. Ganz zu schweigen von den kleineren „Events“: Der junge Jörg Fesenmayr hat älteren Damen das Spargelkochen beigebracht. Jetzt, am verregneten Samstag, hält Zita ihren Acrylmalkurs.

Früher nie gewagt

Rosmarie Pfeiffer malt nach Herzenslust rote Strukturen aufs Holzbrett und sagt, dass sie früher „nie aufs Malen gekommen wäre“. Früher wohnte sie in der Achsiedlung und Kurse von Profis waren einfach zu teuer. Hier helfen einander die Leute gegenseitig.

Doch das Sozialzentrum ist nur ein Ausschnitt aus einem Gesamtereignis. Wenn etwa Christine Oberforcher vom „Lebensraum Bregenz“ stolz ihr „Vorklöschtner Märktle“ bewirbt, das heuer am 21. November 33 Marktstände auf den Platz neben der Kirche bringen wird, weiß sie noch nicht, dass ein Markt bald zur ständigen Einrichtung zählen soll.

Vis-ì-vis zeigt Johannes Remm auf einer Karte, wie sich das Areal der ehemaligen Schoellerfabrik derzeit verändert. Ein überdachter Bauernmarkt entsteht in den Hallen der alten Spinnerei, daneben das KulturcafØ von Neueinsteiger Dietmar Schönberger, die neue Spielstätte des Theater Kosmos, und, und, und.

30 Meter weiter, wo sich Christine Oberforcher so gut einen Park vorstellen könnte, will die VOGEWOSI 30 Wohnungen errichten. Künftig wird das Viertel auch von Wohnblöcken begrenzt: Im Norden gegenüber

der Unica-Versicherung plant die Wohnbauselbsthilfe 60 Wohnungen. Auf dem Elektra-Areal im Süden wird die VOGEWOISI 96 Wohnungen errichten.

Damit müssen wir leben

Wenn man alles zusammenzählt, kommen in Mariahilf in weniger als zehn Jahren 1300 Menschen neu hinzu. Zwar sagt Zita Kanik tapfer: „Damit müssen wir leben.“ Und „schoeller 2 welten“ gestaltet um 25 Millionen Euro ein Gelände, auf dem später 300 Leute Arbeit finden werden.

Aber der Mariahilfer Pfarrer Rudi Siegl sieht das alles auch mit Sorge. „Wir haben jetzt schon 15 Prozent Änderungsrate pro Jahr. Viele kommen von irgendwoher und ziehen gleich wieder weg. Sie haben wenig Interesse am Aufbau von Beziehungen.“ Im Vorkloster wächst ein neues Stadtzentrum empor. Hoffentlich kein seelenloses.

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