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Bregenz: Angst vor dem Kinderschänder

Bregenz - Wie Löwinnen kämpfen zwei Mütter in Bregenz um das (Seelen)Wohl ihrer Töchter. Ein einschlägig vorbestrafter Pensionist soll die elf- und 14 Jahre jungen Mädchen sexuell belästigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Mann ist auf freiem Fuß.

Nie im Leben hätten wir gedacht, dass unseren Töchtern so etwas passieren kann”, sagen die 30- und 39-jährige Bregenzerinnen. Den schulischen Leistungsabfall ihrer Kinder haben die beiden Mütter wohl bemerkt. Sie dachten jedoch, das „merkwürdige” Verhalten der beiden Freundinnen sei auf die Pubertät zurückzuführen. Dass sie spielen und nur Blödsinn im Kopf haben würden. Was wirklich hinter dem Verhalten der Mädchen steckte, schockierte sie zutiefst. Nur dem Zufall war es zu verdanken, dass ans Licht kam, wo die beiden Teenager ihre Nachmittage verbrachten: In der Wohnung des „netten Nachbarn”, der den Kindern den Himmel versprach, bei dem sie im Internet surfen, rauchen, trinken durften, Geschenke bekamen. Und der die Mädchen sexuell belästigte.

„Kommissar Zufall”

Einmal hatten die „Großen” die kleine Schwester (8) mit zu dem „netten Mann” genommen. Und die plauderte bei Roswitha*. „Da bin ich hellhörig geworden und habe meine Große zur Rede gestellt”, sagt Roswitha*. Lange habe es gedauert, bis ihre elfjährige Maria* mit der Wahrheit herausgerückt sei. Das Mädchen habe ihr erzählt, dass der Mann ihm und der 14-jährigen Freundin eben all das erlaubte, was die Mütter verbieten würden. Der Mann habe sich vor ihnen entkleidet, habe onaniert. Pornofilme sollen im Hintergrund gelaufen sein. „Ich war schockiert und setzte mich sofort mit meiner Freundin Annelise* in Verbindung. Was dabei in meinem Kopf abgelaufen ist, die Angst, dass mehr passiert sein könnte, wird jede Mutter nachfühlen können.” Annelise* ergänzt: „Ich habe dann sofort mit meiner Katharina* gesprochen. Es hat eine ganze Zeit gebraucht, bis sie sich die Erlebnisse von der Seele geredet hat.” Schließlich zogen sich die Besuche über ein halbes Jahr.

Geheimnis-Last

Viele, viele Gespräche der Mütter mit den Töchtern folgten. Und natürlich eine Anzeige bei der Polizei. „Dort haben auch die Mädchen ausgesagt. Auch, dass sie nicht die einzigen sind, die sogar einen Schlüssel für die Wohnung des Mannes haben. Wir haben gemerkt, wie erleichtert gerade Katharina* war, dass sie die Geheimnis-Last los war.” Klar geworden sei in den Gesprächen auch, dass sich die Mädchen der Gefahr, in die sie sich begeben hatten, in keiner Weise bewusst waren. Zu zweit fühlten sie sich stark. Erst als der Mann sie einmal mehr bedrängte bekamen sie Angst. Die Mädchen schlossen sich an einem Nachmittag im Bad ein. Der Mann wollte sie herausholen. Doch Katharina und Maria wehrten sich. Den Mädchen gelang es aus der Wohnung zu flüchten, bevor Schlimmeres passierte. An einem anderem Tag habe er sie in seinem Schlafzimmer aufs Bett geworfen und sich nackt auf sie gehockt. „Wenn meine Achtjährige nicht geplaudert hätte, wer weiß, was passiert wäre. Schließlich ist es ja gerade für Pubertierende paradisisch, wenn sie alles dürfen, was ihnen zuhause verboten wird. Und Alkopops oder Zigaretten bekommen unsere Mädchen von uns gewiss nicht.” Die Vorfälle wurden bereits im Juli 2008 zur Anzeige gebracht. Die Aussagen der Mädchen sind aufgenommen. Inzwischen sollen bereits fünf betroffene Kinder ausgesagt haben. Der Mann soll einschlägig vorbestraft sein. Die Mütter fühlen sich im Stich gelassen: „Wir habe immer wieder bei der Polizei nachgefragt, aber geschehen ist noch nichts. Noch immer gehen Kinder in seine Wohnung.” Jetzt helfen sich die Mütter selber: „Wir haben die Eltern informiert. Auch unsere Töchter warnen die Kinder. Aber das kann es noch nicht gewesen sein,” sagt Annelise*. Roswitha* ist mit ihren Kindern sogar in eine andere Gegend gezogen. Jedoch die Angst ist immer noch da, dass sich die Geschehnisse wiederholen könnten. „Wir wollen uns später nicht sagen lassen, ihr habt es gewusst, aber nichts getan. Deswegen kämpfen wir weiter darum, dass die gesamte Geschichte untersucht und geahndet wird”, betonten die Mütter übereinstimmend.

Ermittlungen am Laufen

Sicherheitsdirektor Elmar Marent bestätigte auf Anfrage der NEUE, dass die Anzeige am 31. Juli 2008 an die Staatsanwalt Feldkirch weitergeleitet worden ist. Auf Anfrage der NEUE kündigt Staatsanwalt Heinz Rusch an, dass es nächste Woche zu einem Abschluss der Ermittlungen kommen soll. Gefahr in Verzug sieht er nicht: „Natürlich darf man die ganze Sache nicht bagatellisieren. Allerdings muss man auch unterscheiden, ob der Verdacht der sexuellen Belästigung vorliegt oder der Verdacht einer Vergewaltigung. Hätte sich der Tatverdacht soweit erhärtet, dass Gefahr in Verzug gewesen wäre, wäre der Verdächtige inhaftiert worden.” Wie in jedem anderen Fall auch gelte aber zunächst die Unschuldsvermutung, betont der Staatsanwalt.

Weiter kämpfen

Beruhigt sind die Mütter noch lange nicht. Nach wie vor begegnen sie und auch die Mädchen dem Mann. Die Angst vor Übergriffen ist latent immer da. „Wir werden nicht locker lassen. Und wenn nötig weiter im Wohngebiet aufklärend unterwegs sein. Zudem werden wir uns an die Politik wenden,” betonen die Roswitha* und Annelise*. Dass seien sie auch ihren Töchtern schuldig. Nur aus einem Grund gehen die Mütter an die Öffentlichkeit: „Sexueller Missbrauch soll endlich mindestens gleich geahndet und gehandhabt werden wie Einbruch. Mißbrauch ist ein massiver Einbruch ins Leben eines Kindes.” Mit ihrer Offenheit wollen die Mütter anderen betroffenen Eltern und Kindern Mut machen. „Man darf nicht in die Opferrolle verfallen. Man muss sich wehren, damit wir endlich zum Schutz unserer Kinder schärfere Gesetze gegen Sexualstraftäter bekommen”, sagt Roswitha* und Annelise* betont: „Die Mädchen verstehen nicht, dass nichts unternommen wird. Muss denn erst Schlimmeres geschehen? Wir sind dankbar, dass unsere Kinder die ganze Geschichte relativ gut verkraftet haben. Jedoch anderen Kindern könnte wohl mehr passieren?”

 

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