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Berger: Geldstrafe statt Gefängnis

Wie Justizministerin Maria Berger den Strafvollzug entlasten möchte. Im "VN"-Interview nimmt die neue Ministerien Stellung zu den Problemen im Justizbereich.

VN: Frau Ministerin, wie lange wird sich die Justiz noch narren lassen von Helmut Elsner?

Berger: Die Sache ist eindeutig: Die Überstellung nach Österreich ist rechtlich möglich und von den französischen Gerichten bestätigt. Das Problem ist, dass die französischen Behörden dafür verantwortlich sind, dass Herr Elsner transportfähig ist. Diesbezüglich gibt es Zweifel. Ich bin aber schon an den französischen Justizminister herangetreten, sich die Sache noch einmal anzuschauen.

VN: Hat man in der Causa ein Auge zugedrückt?

Die Justizbehörden müssen sich an dem orientieren, was die Ärzte sagen. Und es gibt nun einmal Gutachten, dass Elsner nicht transportfähig ist.

VN: Ist der Unmut der Bevölkerung nachvollziehbar?

Ja, natürlich. Aber gerade in dieser Geschichte hat uns die Tatsache, dass es einen europäischen Haftbefehl gibt, sehr geholfen. Elsner ist immerhin in Gewahrsam …

VN: … in einer Villa!

… aber unter ständiger Kontrolle.

VN: Können Sie ausschließen, dass Elsner ewig in Frankreich bleiben wird?

Ausschließen können wir gar nichts: Wenn er weitere Gutachten vorlegt, die besagen, dass er transportunfähig ist, werden die französischen Behörden nichts dagegen unternehmen können. Sein Rechtsanwalt hat aber gesagt, dass er sich dem Prozess stellen wird. Und der Prozess wird voraussichtlich erst Ende April, Anfang Mai beginnen.

VN: Als Justizministerin wollen Sie sich nun das Familienrecht anschauen. Was planen Sie?

Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre haben wir Nachholbedarf – vor allem, was die rechtlichen Möglichkeiten für Patchworkfamilien und eingetragene Partnerschaften betrifft.

VN: Eingetragene Partnerschaften werden von der ÖVP allerdings abgelehnt.

Ich will die Flinte nicht von vornherein ins Korn werfen. Josef Pröll hat immerhin gesagt, dass sich die Partei öffnen müsse. Außerdem strebe ich keine Ehe für Homosexuelle an; mir geht es um einen Rahmen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

VN: Die Gefängnisse sind überfüllt. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Wir werden einige Möglichkeiten prüfen: mehr Geldstrafen und gemeinnützige Tätigkeiten statt Freiheitsstrafen, mehr bedingte Entlassungen.

VN: Was kann man sich unter gemeinnützigen Tätigkeiten vorstellen?

Wir werden uns erst anschauen müssen, was dazu geeignet ist.

VN: Die Verhältnismäßigkeit von Strafen ist ein vieldiskutiertes Thema.

Ich habe auch den Eindruck, dass Vermögensdelikte im Vergleich zu Vergehen an Leib und Leben relativ hoch bestraft werden. Bei Vergehen an Leib und Leben wird es tendenziell nach oben gehen. Wir werden da aber systematisch vorgehen müssen, nicht Anlass bezogen.

VN: Im Fall Kampusch sind Lücken deutlich geworden.

Dass eine langandauernde Gewaltbeziehung, wie sie außerdem auch in Fällen familiärer Gewalt sehr oft anzutreffen ist, nicht strafverschärfend wirkt, ist tatsächlich unbefriedigend. Ich kann mir hier Anpassungen vorstellen.

VN: Werden Sie weitere Bezirksgerichte zusperren?

Das ist grundsätzlich nicht mein Weg. Zumal die Einsparungsmöglichkeiten minimalst wären. Die Kapazitäten müssten ans nächste Gericht übertragen werden, was aufgrund der Reisekosten für Zeugen sogar Mehrkosten verursachen würde. Bereinigungen sind nur im Bereich einiger Kleinstgerichte möglich, wenn sie unstrittig sind.

VN: Und eine Schließung der Landes- oder der Oberlandesgerichte?

Dazu wird es nicht kommen.

VN: Wie sehen Sie den Umgang der SPÖ mit der Fotoaffäre von Heinz-Christian Strache bzw. der FPÖ?

Die ersten Aussagen von Gusenbauer und Cap sind verkürzt rübergekommen; so ist nicht nur von „Jugendtorheiten“, sondern auch von der Notwendigkeit einer eindeutigen Distanzierung gesprochen worden. Wenn insgesamt der Eindruck entstanden ist, dass die SPÖ sehr weich reagiert hat, dann tut mir das aber sehr weh: Eine klare Distanzierung zu allen Formen des Neonazismus ist für mich sehr wichtig.

VN: Eine Koalition mit den Freiheitlichen bleibt ausgeschlossen?

Ich wüsste nicht, wie das bei solchen Leuten mit einer extremen Ausländerfeindlichkeit zusammenpassen sollte.

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