„Der Biber ist ein Landschaftsarchitekt“, sagt Agnes Steininger und bahnt sich ihren Weg durchs Dickicht. Auf einer lichten Stelle am Wasser sind die Spuren – „gefällte“ und angenagte Baumstämme – deutlich zu sehen. „Er baut gerne und viel.“ Mit seiner Bautätigkeit schaffe der Nager neue Strukturen in den Wäldern oder im Gewässer wovon wiederum eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten profitierten. Zum Beispiel Käfer, Fische oder Amphibien. „Es gibt tatsächlich Gebiete, in denen seltene Arten wieder zurückgekehrt sind.“ Der Biber, die größte Nagetierart Europas, übernimmt also wichtige Aufgaben in Sachen Vielfalt. Auch in Vorarlberg.
Am Bahnhof verirrt
Steininger weiß, wovon sie spricht. Sie ist seit zehn Jahren Biberbeauftragte des Landes, hat die heimischen Tiere genau im Blick und kennt ihre Reviere bestens. Ganz genau will Steininger nicht verraten, wo sich die Biberbauten in Vorarlberg befinden. Sie befürchtet Biber-Tourismus; das habe es in der Vergangenheit schon gegeben – ein großer Stress für die nachtaktiven Vegetarier. Deshalb bleiben auch die Schilderungen in diesem Bericht vage. Doch der Bau, den Steininger den VN vor Ort am Wasser zeigt, ist durchaus beeindruckend. Darüber haben die Tiere eine Vielzahl an Ästen geschichtet. Für einen besseren Zugang gruben sie mehrere Kanäle durch die Pflanzenwelt am Ufer.
Immer wieder musste Steininger bereits zwischen den Interessen von Menschen und Bibern vermitteln. Verirrt sich beispielsweise einer der Nager an einen ungewöhnlichen Ort, ist Steininger sofort zur Stelle. Das war zum Beispiel im Sommer 2021 in Rankweil der Fall, als ein völlig verängstigtes Tier am Bahnhof entdeckt wurde. Die Geschichte ging gut aus: Die Biologin brachte den Biber wohlbehalten in ein nahe gelegenes Gewässer. „Im Alter von zwei Jahren müssen sie raus aus dem elterlichen Revier. Dann werden sie kreativ“, erklärt die Expertin das Verhalten des Bibers auf Abwegen, der ganz offensichtlich auf seiner Tour die Orientierung verloren hat.
Biber sind eine geschützte Tierart. In Vorarlberg gibt es sie erst seit 2006 wieder. Mittlerweile sind es an die 200 bis 250 Exemplare. Ganz genau weiß man das nicht, da die letzte Zählung 2021/2022 stattfand. „Am Anfang steigt die Zahl rapide an. Diese Entwicklung kennen wir auch aus anderen Bundesländern“, erklärt Steininger. Dann schwanke es. „Wir befinden uns momentan noch im Anstieg.“ Im Rheintal werde es sich aber wohl abflachen, vermutet sie. „Wenn das Haus voll ist, ist es voll.“ Die Population pendle sich selbst ein.
Im Zusammenleben sind Biber jedenfalls monogam. Pärchen bleiben lebenslang beieinander. Gleichzeitig sind die Tiere auch pragmatisch, wenn es sein muss.
Monogame Tiere
„Passiert einem Partner etwas, wird er gewechselt“, erklärt die Biberbeauftragte. Familien leben in kleinen Verbänden zusammen. In Europa hatte es der Biber lange Zeit schwer. Bis auf Restpopulationen war er in der Vergangenheit fast völlig ausgerottet. Das liegt unter anderem am begehrten Fell, das auch in Trachtenkappen verarbeitet wurde. Zeitweise galt das Säugetier sogar als Fisch und damit als Fastenspeise, es wurde intensiv gejagt.
Durch Wiederansiedlungsprojekte und Zuwanderung, etwa von der Schweiz nach Vorarlberg, findet der Biber aber wieder nach und nach in seine frühere Heimat zurück.
Hierzulande sind die regen Bautätigkeiten des Nagers an vielen Orten kaum zu übersehen. Bearbeitet er einen Baumstamm, schafft er schon einmal 20 bis 40 cm pro Nacht. „Allerdings sind Biber nicht unbedingt konsequent“, schildert Steininger. Das Arbeitspensum ist also nicht immer das gleiche auf der „Baustelle.“ Völlig frei können sie auch nicht darüber entscheiden, welche Bäume sie fällen. Wie die Biologin schildert, hängt viel von der Umgebung ab, etwa der Beschattung. Oftmals bestehe auch eine Wegesicherungspflicht. Um Bäume vor den scharfen Zähnen der Nagetiere zu schützen, werden sie mit einem festen Zaun ummantelt. Auch was die Dämme und Teiche dahinter angeht, müssen die Vorarlberger Biber Abstriche bei der Größe machen. Dies wird Steininger zufolge entsprechend reguliert. „Es fehlt einfach der Platz.“
Biber können sich aber grundsätzlich ohnehin gut an ihre Umgebung anpassen. Es gebe etwa immer wieder Exemplare, die sich neben Baustellen ansiedeln, wie Steininger weitererzählt. „Manche stören sich auch nicht an Menschen.“ Zu nahe sollte man ihnen aber nicht kommen. Fühlen sie sich bedrängt, setzt es ein lautes Pfauchen. „Der Biber ist ein Wildtier, das nicht gekuschelt oder gestreichelt werden will. Auch Hunde mag er nicht.“
Noch nicht im Montafon
Das Rheintal ist von Bregenz bis Feldkirch schon gut besiedelt, ebenso gibt es Biber im Bregenzerwald. Ins Montafon oder in den Walgau haben sie es bisher noch nicht geschafft. Laut Steininger ist es aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis das größte Nagetier Europas auch im Walgau Fuß fassen kann. Nach Vorarlberg ist der pelzige Geselle mit den scharfen Zähnen jedenfalls zurückgekehrt, um zu bleiben. Für die heimische Biodiversität ist das eine gute Nachricht.
Factbox:
- Rückkehr seit 2006 Biber gab es in Vorarlberg lange Zeit nicht mehr. Vor etwa 350 Jahren sind die Tiere hierzulande ausgerottet worden. Heute ist der Biber streng geschützt.
- Wachsende Population 200 bis 250 Biber leben laut letzter Zählung 2021/2022 mittlerweile wieder in Vorarlberg.
- Größtes Nagetier Europas Der Europäische Biber (Castor fiber) ist etwa 1,30 m lang. Rund 90 cm entfallen auf den Rumpf, 40 auf den Schwanz. Er kann 30 Kilogramm schwer werden.
- Reiner Vegetarier Der Biber frisst kein Fleisch, sondern ernährt sich rein pflanzlich. In Frage kommen unter anderem Gräser, Kräuter, Wasserpflanzen, Rinden oder weiche Hölzer.Wach in der Nacht Biber sind dämmerungs- und nachtaktiv.
- Er hält keinen Winterschlaf, fährt aber seine Aktivität in der kalten Jahreszeit zurück.
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