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Australien empfiehlt seine harte Politik

Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer forderte schon tausende Todesopfer
Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer forderte schon tausende Todesopfer ©EPA
Nach der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat der australische Premierminister Tony Abbott der Europäischen Union seine harte Flüchtlingspolitik zur Nachahmung empfohlen.
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Nur durch das Stoppen der Flüchtlingsboote könne verhindert werden, dass die Menschen im Meer ertränken, sagte Abbott Journalisten am Dienstag.

Die europäischen Länder müssten auch das Schleuserwesen beenden, fügte der rechtskonservative Regierungschef hinzu. Abbotts Regierung hatte kurz nach ihrem Amtsantritt im September 2013 die Aktion “Sovereign Borders” (Souveräne Grenzen) gestartet. Seitdem fangen Schiffe der australischen Marine Flüchtlingsboote systematisch ab und schicken sie zurück, die meisten nach Indonesien.

Abschiebung nach Kambodscha

Nicht sofort zurückgeschickte Flüchtlinge werden in Aufnahmelager im Inselstaat Nauru und in Papua-Neuguinea gebracht. Selbst wenn ihre Asylanträge anerkannt werden, müssen sie in der Regel dort bleiben und dürfen nicht nach Australien kommen. Nach einem Deal mit der Regierung in Kambodscha werden Flüchtlinge auch dorthin abgeschoben.

Trotz scharfer internationaler Kritik an dieser rigiden Politik feiert die australische Regierung sie als Erfolg: Seit fast 18 Monaten sei kein Boot mit Asylsuchenden mehr angekommen, und es sei auch kein Todesfall auf dem Meer registriert worden.

UN kritisiert australisches Vorgehen

In einem Bericht des UN-Folterbeauftragten wird der australischen Regierung dagegen eine Verletzung der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen vorgeworfen. Die Haftbedingungen in den Lagern auf zwei kleinen Inseln fernab des Kontinents seien unangemessen. Auch Kinder würden dort festgehalten. Canberra unternehme außerdem nicht genug, um die eskalierende Gewalt auf Manus in Papua-Neuguinea zu beenden. Menschenrechtsaktivisten gehen mit Abbotts Flüchtlingspolitik seit längerem hart ins Gericht.

ÖVP/SPÖ für Anlaufstellen in Nordafrika

Österreichs Regierungsspitze hat am Dienstag hingegen den Vorschlag verteidigt, Asylzentren des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR in Nordafrika zu errichten. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach am Dienstag nach dem Ministerrat von der Schaffung einer legalen Einreisemöglichkeit nach Europa. Daneben nannte er höhere Rettungskapazitäten, die Bekämpfung der Schlepperei und europäische Asylquoten.

Es gehe dabei nicht um Libyen, sondern um andere nordafrikanische Länder, so der Kanzler. Dort sollte man Möglichkeiten schaffen, um festzustellen, ob Chance auf Asyl in einem europäischen Land besteht und dann eine gesicherte Überfahrt zu ermöglichen.

Auch die Erhöhung der Entwicklungshilfe nannte Faymann als Ziel. Zwar sei der Beitrag Österreichs bei der Aufnahme von Asylwerbern hoch, bei der Entwicklungshilfe sei man aber von den Vorgaben weit entfernt. “Nur mit Soforthilfe werden wir die Frage alleine nicht lösen können”, sagte er.

Erhöhung der Rettungskapazitäten

Ganz ähnlich sah das Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Durch eine Erhöhung der Rettungskapazitäten gelte es, derartige Dramen im Mittelmeer möglichst zu vermeiden. Außerdem müssten europäische Quoten diskutiert und umgesetzt werden. Bei der Entwicklungshilfe sei eine “positive Tendenz” gemeinsames Anliegen, auch wenn man das Ziel – laut UNO 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung – nicht gleich erreichen werde.

Mitterlehner will Schleppern auch die “Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit zu entziehen”. Denn wenn allein die Rettungskräfte verstärkt würden, würde dies die Schlepper sonst nur noch bestärken.

Strache für Hilfe in Herkunftsregionen

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat angesichts des Flüchtlingsdramas im Mittelmeer seine Forderung nach Hilfe in den Herkunftsregionen erneuert. Nur Geld zu überweisen bringe nichts, sagte er am Dienstag bei einer Pressekonferenz, Europa alleine könne die Ströme zudem nicht bewältigen. Für Österreich wünscht sich Strache eine Höchstgrenze für die Gewährung von Asyl.

Geht es nach dem FPÖ-Chef, sollten Flüchtlingscamps etwa in Afrika errichtet werden, das aber durchaus mit europäischer und amerikanischer Hilfe. Zudem würden Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern von Schleppern falsche Hoffnungen gemacht. Das Signal an mögliche Wirtschaftsflüchtlinge müsse lauten: “Investiert lieber in eine Zukunftsperspektive in eurem Heimatland!”

Abermals betonte Strache, nicht grundsätzlich etwas gegen die Gewährung von Asyl zu haben, wenn es sich etwa um “Nachbarschaftshilfe” handelt. Mit Flüchtlingen aus anderen Kontinenten sei Europa aber überfordert, weswegen es internationaler Abkommen bedürfe.

Grüne für Mare Nostrum II

Als Konsequenz aus der Flüchtlingstragödie mit hunderten Toten im Mittelmeer fordern die Grünen die Wiedereinführung der Seenotrettungsmission Mare Nostrum. Bundessprecherin Eva Glawischnig kündigte am Dienstag in einer Pressekonferenz einen Antrag für Mare Nostrum II als europäische Seenotrettung mit finanzieller Beteiligung Österreichs an.

Glawischnig wünscht sich, dass sich alle 28 EU-Staaten daran beteiligen. Dann wären ihrer Ansicht nach auch die Kosten von 90 bis 100 Millionen Euro pro Jahr kein großes Problem. Einen entsprechenden Antrag wollen die Grünen bei den beiden Parlamentssitzungen diese Woche und auch in einem allfälligen Hauptausschuss einbringen, sollte ein solcher vor dem EU-Sondergipfel am Donnerstag stattfinden.

drama
drama

UNO geht von 800 Toten aus

Nach der Flüchtlingstragödie vor der Küste Libyens gehen die Vereinten Nationen nun von etwa 800 Todesopfern aus. “Man kann sagen, dass 800 Menschen gestorben sind”, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Italien, Carlotta Sami, am Dienstag im sizilianischen Catania. Der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, bestätigte diese Schätzung.

Die UN-Vertreter hatten zuvor mit den meisten der 27 Überlebenden des Unglücks gesprochen, die in der Nacht nach Catania gebracht worden waren. Demnach waren auch Kinder an Bord des Unglücksschiffs gewesen.

Nach dem Kentern des Flüchtlingsboots vor Libyen in der Nacht auf Sonntag hatte das UNHCR zunächst von etwa 700 Todesopfern gesprochen. Damals hatte Sami bereits gesagt, sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre es das “schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer gesehen wurde”.

migranten
migranten

Das etwa 20 Meter lange Flüchtlingsschiff war rund 110 Kilometer vor der Küste Libyens und in rund 200 Kilometern Entfernung von der italienischen Insel Lampedusa in Seenot geraten und gekentert. Nur 28 Menschen überlebten. Nach Angaben eines Überlebenden, der vor der Ankunft der übrigen Überlebenden in Catania ins Krankenhaus eingeliefert worden war, befanden sich sogar 950 Flüchtlinge an Bord, darunter 50 Kinder und 200 Frauen. Die Schlepper hätten viele von ihnen im Frachtraum eingesperrt.

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