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Aus Kneipen werden Raucherklubs

Lindau - „Eine Tasse Kaffee bitte.“ Doch Wirtin Christine Weber entgegnet: „Ich muss sie darauf aufmerksam machen, dass wir hier ein Klub sind.“ So wird selbst die kurze Verschnaufpause im Gasthof „Zum Sandbühl“ zur Glaubensfrage.

Glauben sie, dass das Rauchverbot in bayerischen Gaststätten ein Schmarren ist? Dann werden sie Mitglied im Klub „Zum Sandbühl“.

Schon 200 Mitglieder

Sie zahlen fünf Euro fürs Jahr. Christine Weber schreibt ihren Namen zu den anderen 200. Dann bringt sie den Kaffee. Und einen Aschenbecher. Seit der bayerische Landtag Deutschlands strengste Rauchergesetze erlassen hat, sprießen die Raucherklubs wie Pilze aus dem Boden. Nur so glauben Wirte wie Christine Weber überleben zu können. Als Vater Staat am 1. Jänner die Glimmstängel ein für allemal ausdrückte, büßte sie gleich mal „30 Prozent Umsatz“ ein. Also schloff sie als erste Lindauer Wirtin durchs Schlupfloch des Gesetzgebers. Wer sein Lokal zum Raucherclub erklärt und die Gäste mit Ausweisen versieht, darf die vergilbten Gardinen getrost hängen lassen. Erwischt ein Kontrolleur freilich Gäste ohne Ausweis, kann das teuer werden. Weber vermutet bis zu 500 Euro Strafe und weiß aus sicherer Quelle, dass „drüben auf der Insel ein Wirt schon Strafe bezahlt hat“.

Zu wenig Kontrolleure

Aber da hat der Stammtisch zu viel Fantasie bewiesen. „Wir haben weder kontrolliert noch bestraft“, versichert Josef Meyer. Der 56-jährige Beamte wüsste auch gar nicht wie. „Mir hobn doch gar keine Leut‘.“ Dabei tät sich‘s lohnen. Der Gesetzgeber hat Strafen von bis zu 2000 Euro vorgesehen. Das hat augenblicklich diverse „Rauchmelder“ auf den Plan gerufen. Die haben dann Gastwirte vernadert. Auch Konkurrenten zeigten ihre Kollegen an. Aber Josef Meyer blieb davon unberührt. Er ist schließlich auch noch für das Waffenrecht und das Gewerberecht zuständig. Da bleibt für die Raucher-Taskforce keine Zeit.

„Kulturverein“

Ulrike Rönsch hat sich das gleich gedacht. Die steht hinterm Tresen ihres „Meister-Kiosk“ und steckt sich eine Zigarette ins Gesicht. An der Tür prangt das Schild „Geschlossene Gesellschaft“. Drinnen hängen die Dunstschwaden tief. Dafür „hatten wir schon Gäste aus München, die hier Urlaub machten“. Die kamen extra zu ihr, weil man hier qualmen darf. Rönsch ist mit ihrem „Meister Kiosk“ dem „Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur“ beigetreten. Über 1600 bayerische Gaststätten sind schon dabei, vom „Jodlerwirt“ in München bis zum „Holzwurm“ in Gößweinstein. Die Mitgliedschaft kostet zwölf Euro im Jahr, dafür kann der Raucher auch all diese Gaststätten besuchen.

Zum Rauchen vor die Tür

Diesen Vorzug genießen die Stammgäste vom „Sandbühl“ nicht. Wollen sie auch gar nicht. Klaus Plischke raucht nicht mal. Und Inge Mayr auch nicht. Aber deren 82-jährige Schwester pafft, und Inge kann es nicht ausstehen, wenn man die betagte Dame zum Rauchen vor die Tür schickt. „Deshalb fahren wir jetzt zum Essen nach Österreich.“ Und das Glas Sekt nimmt sie hier, im „Klub Sandbühl.“ In Reutin ist die Welt wieder in Ordnung. Aber auf der Insel sieht das anders aus. „Die Kollegen dort“, sagt Christine Weber, „sind auf Laufkundschaft angewiesen.“ Da wird die Klubidee rasch zum Bumerang. Oder verkauft der Tourismusverband am Ende demnächst Raucherklubkarten im Pauschalangebot?

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