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Aufrüstung

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel ©Ulrich Gabriel

583. Brief des Barons bei abnehmendem Mond im Widder an die durchbohrten Zanzenberger:
„Tage der Verwirrung sind Tage der schlechten Reden. Nicht der nach Worten ringt, nicht der Schweigsame, nicht der Nachdenkliche, nicht der an den eigenen Worten Zweifelnde, nicht der ein gutes Buch nach dem andern Lesende (wer liest redet nicht), nicht der Traumtänzer schafft die schlechte Rede, sondern der das alles nicht tut. Der nicht liest, der glaubt, sein Wissen würde von selbst ins Hirn wachsen. Der sein altvaterisches Gerede für Wissen hält, der in Wortschablonen quakt, der auf jede Frage was weiß, der sich wiederholt, der Versicherer (Versicherte glauben), der Sektierer, der von einem einzigen Gedanken Besessene: der schafft die schlechte Rede. Die Halbwisser schaffen die schlechte Rede.
Zu viele Quaker, zu viele Schwätzerinnen sind um uns, vom Lesen Verlassene. Sie besetzen die noch offenen Ohren. Seid froh, durchlochte Zanzenberger, dass die nicht auch noch schreiben, was sie schwätzen. Auch solche gibt es zu viele. Anonyme HeckenschreiberInnen.

Der weiß, quakt nicht. Der weiß, bleibt lange stumm. Der weiß, liest. Der weiß, summt vor sich hin. Der musiziert, der weiß. Der zeichnet, weiß. Der malt, weiß. Der kocht, weiß. Der den Kinderwagen schiebt, denkt; der bügelt, auch. Der kauft sich z.B. das neue Buch von Susanne Wiesinger. Kaum etwas Vergleichbares ist billiger als das Buch. Der liest, vertreibt die Angst. Der weiß, hat viel gelesen. Dem Dummian ist das Buch zu teuer, er erträgt nichts Neues unter seinem Schädel. Dort haust seine Angst, Antrieb des Wissensverweigerers.

Daher, meine (städtisch) durchlochten ZanzenbergerInnen: Nicht der Müll benötigt unsere Aufmerksamkeit, nicht die Alltagspolitik (sie entkernt sich von selbst), nicht der Islam, nicht SCR Altach, nicht die Flüchtlinge, nicht Trump, nicht Idealisten, nicht die EU, nicht Erdogan, nicht das Klima. Die rasant anwachsende Zahl der Ungebildeten ist es, die unsere ganze Aufmerksamkeit bekommen muss. Unbedingt.
Denn bald schon wird es heißen: Die Ungebildeten bringen uns um – aus Versehen. Die Ungelernten erstechen uns – irrtümlich. Die Rüpel erschlagen uns aus Missverständnis. Die Tölpel, die nicht auf drei zählen können, erschießen die auf vier zählen können zur Unterhaltung. Wann? Wenn sie groß sind. In knapp 20 Jahren.
Was rettet unser Schlaraffenland noch? Bildung. Lehrer retten. Lehrerinnen retten. Wenig LehrerInnen mehr retten viel mehr. Nur Lehre hilft über die Toten. Nur Bildung bringt Mörder zum Verschwinden. Im Schlaraffenland nützt keine Aktie, keine Pensionserhöhung, keine Dieselnachrüstung, kein Tiefkühlschrank, kein SUV, kein Speicherteich. Nur Wissen hilft. Rüstet die Schulen auf. Rasch.

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel ©Ulrich Gabriel
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