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Sexualkunde in Schule: Aufklärung mit Pornos?

In der Schweiz sorgte die Forderung des Vereins Männer.ch, Schülern im Unterricht Pornos zu zeigen, für rote Köpfe.
In der Schweiz sorgte die Forderung des Vereins Männer.ch, Schülern im Unterricht Pornos zu zeigen, für rote Köpfe. ©Bilderbox
Schwarzach - Soll pornografisches Material zur Aufklärung von Jugendlichen verwendet werden? Der Vorarlberger Sexualpädagoge und Lehrer Herbert Nägele meint: Über Pornos reden ja, Filme zeigen nein.

Für viele Lehrer ist das Thema Pornografie im Unterricht tabu. Durch frei zugängliche Porno-Seiten sind jedoch explizite Sex-Videos auch für Kinder und Jugendliche in nur wenigen Klicks erreichbar. Jetzt sorgte in der Schweiz die Forderung des Vereins Männer.ch, Schülern im Unterricht Pornos zu zeigen, für Diskussionen. VOL.AT hat nachgefragt, was heimische Experten von diesem Vorschlag halten.

“Die meisten Jugendlichen haben schon sehr häufig solches Material gesehen. In manchen Klassen sogar 100 Prozent der Schüler”, erklärt Nägele. Somit seien aus seiner Sicht Pornos zu Aufklärungszwecken an Schulen nicht notwendig. Die Jugendlichen sollten aber über ihre Eindrücke reden können. Nur so können laut Nägele die Jugendlichen den Unterschied zur Realität erkennen.

Pornos täuschen Realität vor

Nägele ist davon überzeugt, dass man mit den Jugendlichen die Unterschiede zwischen Realität und dem in Pornos dargestellten Bild der Sexualität herausarbeiten muss. „Es gibt Jugendliche, die zu Hause eine gute Aufklärung erhalten haben und dadurch sehr wohl ein sehr differenziertes Urteil abgeben können“, weiß Nägele. Doch leider gäbe es auch sehr viele Jugendliche, die nicht aufgeklärt wurden und weder in der Schule noch im Elternhaus angemessene Informationen erhalten hätten.

Sexuelle Erfahrungen: Jugendliche enttäuscht

Durch den Konsum von Pornos entsteht bei Jugendlichen ein enormer Leistungsdruck. “Männliche Jugendliche bekommen das Gefühl, dass sie nicht leistungsfähig seien bzw. es nicht könnten. Mädchen wiederum glauben, dass Frauen immer einen Orgasmus erleben müssten“, sagt Nägele. Zudem würden Jugendliche so auch Zärtlichkeit vernachlässigen.

Nur ein Zehntel der Vorarlberger Jugendlichen wachsen in einem Elternhaus auf, in dem es in Sachen Aufklärung gute Ansprechpartner gibt. Problematisch wird es, wenn Eltern das Thema Sexualität völlig ignorieren und nicht darüber sprechen. „Das Problem liegt aber hier oft darin, dass die Eltern selbst unsicher sind, weil sie nicht aufgeklärt aufgewachsen sind“, glaubt Nägele. Laut Nägele kann die Schule hier Abhilfe schaffen und die fehlende Aufklärung kompensieren. „Dazu müssen die Schulen Fachleute einladen und mit den Jugendlichen arbeiten lassen. Aber man kann es auch schulintern lösen, wenn Pädagogen sich im Rahmen einer Fort- oder Ausbildung der Thematik intensiver widmen“, ist Nägele überzeugt.

Lehrer werden von Eltern unter Druck gesetzt

Externe Fachleute würden laut Nägele einen wesentlich besseren Zugang zu den Jugendlichen finden, da so die Anonymität besser gewahrt bleibt. „Es gibt aber auch einzelne Lehrpersonen, die sich diesem Thema kompetent stellen können. Doch diese brauchen die volle Rückendeckung der Schulleitung und der Schulbehörde, weil sie natürlich immer der Gefahr ausgesetzt sind, von Eltern attackiert zu werden“, weiß Nägele aus seiner langjährigen Erfahrung. Zum einen gäbe es Eltern, die eine offene und tabufreie Aufklärung fordern und zum anderen jene, die detaillierte Aufklärung wie zum Beispiel Sexpraktiken unter allen Umständen unterbinden wollen.

Eltern sind gefordert

Doch die Verantwortung allein an die Schulen abzugeben ist keine Lösung und auch nicht möglich. Eltern können sehr wohl mit einfachen Schritten zu Hause Aufklärung leisten. „Es ist notwendig, dass Eltern mit ihren Kindern über sexuelle Themen reden. Dazu könnten Eltern auch Literatur zur Hilfe nehmen”, so Nägele. So könnten die Eltern auch eine Vertrauensbasis zu ihren Kindern herstellen.

Video: Herbert Nägele im Interview

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