Am 8. April feiert die Einrichtung, die seit einem Jahr pro mente Vorarlberg heißt, 20-jähriges Bestehen mit einem Fachsymposium und einem Fest in der Kulturbühne AmBach. Die folgenden Gespräche mit Betroffenen geben Einblick.
Beratungsstelle Bregenz: Rudolf Kunz* ist Vater eines erwachsenen Sohnes, der bereits seit vielen Jahren von pro mente Vorarlberg betreut wird. Jahre der emotionalen Achterbahn liegen hinter ihm und seiner Frau. Bereits als Jugendlicher zeigte unser Sohn Martin* erste Auffälligkeiten, erzählt er. Die wurden lange Zeit von uns als exzentrisch abgetan. Als Martin, 18-jährig, von seiner Fachausbildung, EINBLICKE die er sehr gut abgeschlossen hatte, zurück kam, ging gar nichts mehr, erinnert sich Rudolf Kunz. Es war seinem Sohn unmöglich, sein Leben zu organisieren. Seine Wohnung versank im Chaos und im Müll. Er hatte immer wieder große Pläne, die aber nie umgesetzt wurden. Er wollte ein Held sein ohne Leistung, so Rudolf Kunz. Und das funktioniert nicht. Vor 6 Jahren kam Martin ins Landesnervenkrankenhaus. Die Diagnose: schizoaffektive Störung. Dieses Krankheitsbild äußert sich in Wahnideen mit wechselnden Phasen von Manien und Depressionen. Die stationäre Aufnahme im LNKH Rankweil war für uns eine echte Erleichterung. Das ständige Auf und Ab, heute so, morgen wieder anders, wir waren am Ende, blickt Kunz zurück. In dieser Zeit ergab sich der Kontakt zu pro mente. Im Rahmen der Betreuung unseres Sohnes wurden auch wir mit einbezogen. Wir sind froh, mit dem Betreuer von Martin, Markus Robin, einen Ansprechpartner zu haben, sagt er. Es tut ihm und seiner Frau gut, mit jemandem im Austausch zu sein, der sich in ihre Lage versetzen kann. Doch wir wurden auch bestärkt, klare Grenzen zu setzen. Das habe ihm und seiner Frau sehr geholfen, bei aller Liebe zu unserem Sohn, einen Schritt zurückzugehen und Martin die Verantwortung für sein Leben zurückzugeben.
Ambulante Betreuung und Begleitung
Im Zentrum der Arbeit von pro mente Vorarlberg steht die ambulante Begleitung von Menschen mit seelischen Erkrankungen. Aber es ist auch wichtig, die Angehörigen, wenn möglich, mit einzubeziehen, unterstreicht Markus Robin, psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger. Dass es heute in Vorarlberg ein dichtes therapeutisches und an den Bedürfnissen der Menschen orientiertes Netz gibt, ist das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. Ein wichtiger Schritt war dabei das Zusammenfinden der sozialpsychiatrischen Praxisgruppen in Bregenz, Dornbirn und Feldkirch zu einer gemeinsamen Kooperation und die anschließende Gründung der Psychosozialen Gesundheitsdienste GmbH (PGD).
Arbeitsprojekt Volldampf
Seit dieser Zeit hat die Einrichtung, die heute pro mente Vorarlberg heißt, die Sozialpsychiatrie im Land wesentlich mitgeprägt. Neben den Beratungsstellen gibt es Wohngemeinschaften, Tageszentren und Werkstätten. Rund 15.000 Menschen wurden seit den Anfängen begleitet. Finanziert wird das therapeutische Angebot zum großen Teil vom Land Vorarlberg und der Bereich berufliche Rehabilitation vom Bundessozialamt. Im Arbeitsprojekt Volldampf arbeitet die 30-jährige Susanne G. Jahrelang litt sie unter Angstanfällen und Herzrasen, die das erste Mal beim Autofahren aufgetaucht sind. Als ich das meinem Hausarzt erzählte, hat er das nicht ernst genommen, erinnert sie sich. Medizinisch gab es keine Auffälligkeiten, doch die Attacken kamen immer öfter. Susanne G. konnte nicht mehr arbeiten. Sie wechselte den Arzt und der erkannte, dass diesen Symptomen etwas Ernsteres zugrunde liegen muss. Seither wird sie fachärztlich betreut und durch die Beratungsstelle Bregenz umfassend begleitet. Schritte in die Lebendigkeit Seit rund einem Jahr arbeitet Susanne G. im Arbeitsprojekt Volldampf. Sie ist eine hervorragende Mitarbeiterin, erzählt die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflegerin Marlies Wolf, Leiterin von Volldampf. Zu Beginn konnte Susanne G. nur 4 Stunden täglich arbeiten, nach einer Zeit waren 6 Stunden möglich und jetzt arbeitet sie den ganzen Tag. Und wenn es mir mal nicht so gut geht, dann ist mit Marlies Wolf jemand da, der das versteht und mir Zeit lässt, bis ich mich wieder gefangen habe. Auch sonst hat sich einiges in Susannes Leben geändert. Sie ist mutiger und kraftvoller geworden. Derzeit ist sie dabei, sich um eine Lehrstelle zu bewerben. Es gibt verschiedene Bereiche, die sie interessieren und sie ist überzeugt, dass sie bald eine Ausbildungsstelle findet. Und sie hat den Schritt geschafft, sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Bisher hat sie mit ihrem Freund zusammen gelebt. Doch ich habe gespürt, dass ich einen eigenen Ort brauche, an den ich mich zurückziehen kann. Schritte wie Susanne G. machen viele Menschen, die von pro mente Vorarlberg begleitet werden. Zentrales Ziel unserer Arbeit ist es, Betroffene in ihrem Bestreben nach mehr Selbstverantwortung zu unterstützen. Sie dort abzuholen, wo sie stehen, sie zu ermutigen und befähigen, wieder auf eigenen Füßen zu stehen, betont Dr. Elmar Weiskopf, Facharzt für Psychiatrie und fachlicher Geschäftsführer der Einrichtung.
(*Namen von d. Red. geändert; Wann&Wo)
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