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"Auch Migranten haben Aufgaben"

Das Land setzt in Fragen der Integration auf eine Politik der kleinen Schritte. Beschleunigen lasse sich der Prozess nicht, so LH Sausgruber im "VN"-Interview.

VN: Wie beurteilen Sie die Situation der türkischstämmigen Jugendlichen in Vorarlberg?

Sausgruber: Eigentlich unverändert. Seit vielen Jahren ist ja bekannt, dass wir mit der Integrationsfrage für mehrere Generationen eine beachtliche Herausforderung zu bewältigen haben. Und das gilt für beide Seiten. Das wird leider oft übersehen.

VN: Immer noch? Ich dachte, die Sicht ist inzwischen realistischer geworden?

Sausgruber: Vor über zehn Jahren sind wir jedenfalls ziemlich kritisiert worden, als wir uns sehr dafür eingesetzt haben, dass die Zahl der Zuwanderer nicht unbegrenzt erhöht wird. Die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft hat eben auch mit der Zahl der Migranten zu tun. Und dass die Zuwanderer auch ihre Aufgaben zu erfüllen haben, wird oft zu wenig dargestellt.

VN: Welche Aufgaben sind das primär?

Sausgruber: Das wesentliche Thema ist und bleibt Bildung, und Bildung beginnt mit Deutschkenntnissen. Da führt kein Weg daran vorbei. Das wird jetzt etwas stärker auch von jenen gesehen, die bisher unsere Integrationspolitik kritisiert haben.

VN: Wie wichtig Deutsch lernen ist, betont auch der türkische Generalkonsul.

Sausgruber: Ich begrüße sehr, dass der Generalkonsul das auch so sieht. Diese Aufgabe des Bildungssystems wird bei uns jedenfalls sehr intensiv wahrgenommen. Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache werden mit dem Faktor 1,4 gezählt. Das wird zwar vom Bund nicht mehr bezahlt. Aber die Lehrer können dadurch in etwas kleineren Klassen arbeiten. Das bezahlt das Land Vorarlberg.

VN: Teilen Sie die Auffassung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, dass Integrationsunwilligkeit künftig bestraft werden soll?

Sausgruber: Ich betone bewusst beides: Unabdingbare Voraussetzung für die Integration von Zuwanderern sind die Kenntnis der Sprache und der Respekt vor der Rechtsordnung. In einzelnen extremen Fällen gibt es solche Strafen schon. Aber wir konzentrieren uns stärker darauf, ein umfangreiches Angebot zu schaffen. Erfreulich macht sich jetzt immer mehr bemerkbar, dass Migrantenorganisationen die Bildung der Kinder auch zu ihrer Aufgabe machen.

VN: Vorarlberg wird laut Prognose bis 2015 um 7,3 Prozent wachsen. Auch durch vermehrte Zuwanderung aus Deutschland. Schafft das neue Probleme, wenn die türkischen Migranten sich Zuwanderern gegenübersehen, die sich viel leichter tun?

Sausgruber: Das seh’ ich weniger. Der Zustrom von deutschsprachigen Migranten wird durchaus positiv gesehen in der Gesamtbewertung. An der Herausforderung für die bereits ansässigen Migranten ändert sich nichts. Wobei es eine Illusion wäre, zu glauben, dass deren Integration schnell abzuschließen wäre. Das braucht eben seine Zeit.

VN: Aber Sie haben keine Angst vor Berliner Verhältnissen?

Sausgruber: Man kann nie etwas ausschließen. Unsere Verhältnisse sind besser gestaltet, aber sie sind keineswegs problemfrei.

VN: Das Land hat vor fünf Jahren die Projektstelle „okay.zusammen leben“ geschaffen.

Sausgruber: Diese Projektstelle führt unter der Leitung von Dr. Eva Grabherr auch sehr unspektakuläre Projekte im Nahraum durch. In der Sprachförderung und Lernhilfe für Volksschulkinder haben sie seit 2004 mehr als 450 Kinder betreut. Es wird die frühe Sprachförderung im Kindergarten angeboten. Auch die Diözese tut viel. Das neue Schulpaket darf nicht vergessen werden…

VN: Also setzt Vorarlberg sozusagen „gewohnt pragmatisch“ auf eine Politik vieler kleiner Schritte?

Sausgruber: Ja, das kann man so sagen. Und ich möchte noch einmal betonen, dass es eine Illusion wäre, zu glauben, dass man das alles wesentlich beschleunigen kann. Das Thema Integration wird uns begleiten und es ist ein schwieriger Prozess. „Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass sich dieser Prozess wesentlich beschleunigen ließe.“


Pressemitteilung: DIE GRÜNEN Vorarlberg

Einspruch, Herr Landeshauptmann!
Im Bildungsbereich könnte viel mehr für Intergration getan werden

In seinem VN-Interview meint LH Sausgruber, es sei eine Illusion, zu glauben, dass man in der Integration alles wesentlich beschleunigen könne. Es stimmt, dass Integration nicht von heute auf morgen gelingen kann, aber die Bildung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen ist ein wesentlicher Schlüssel dazu und in diesem Bereich wird in Österrecih und speziell auch in Vorarlberg nicht alles getan!!

Vorarlberg war früher beispielgebend: Als meine Töchter Ende der 80er Jahre in die Volksschule gegangen sind, wurden Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache doppelt gerechnet, dadurch waren die Klassen gerade in Schulen mit einem hohen MigrantInnen-Anteil viel kleiner als heute und eine bessere Betreung der Kinder war möglich. Heute ist der Schlüssel auf 1:1,4 gesunken. Die Mehrkosten, die sich daraus ergeben, muss Vorarlberg nur deshalb zahlen, weil Ministerin Gehrer kein Verständins dafür hat, dass ALLE Kinder gute Bildungschancen haben sollen!!

Der Verein “okay. zusammen leben” mit Sitz in Dornbirn leistet ausgezeichnete Arbeit, aber 450 betreute Kinder seit 2004 sind einfach nur ein kleiner Teil derer, die die Unterstützung brauchen würden. Es gibt in Vorarlberg gute Ansätze, aber sie dürfen keine Einzelhilfe bleiben, sondern müssen ins Schulsystem und in die Kindergärten übernommen werden. Jugendliche aus Migrantenfamilien hätten genau das gleiche Potential wie österreichische Jugendliche eine AHS-Matura zu machen, trotzdem waren 2002/03 nur 362 von 7.104 AHS-SchülerInnen Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache und die PISA-Studie beweist: Jugendliche mit nicht-deutscher Muttersprache bekommen eine weniger gute Schulbildung, als andere.

Politisches Ziel muss sein, möglichst vielen Jugendlichen eine möglichst gute Ausbildung zu geben und ihnen damit gute Chancen am Arbeitsmarkt zu eröffnen. Im übrigen braucht die Wirtschaft diese qualifizierten Arbeitskräfte ja dringend. Die Bildungspolitik von Ministerin Gehrer bringt die Jugendlichen jedoch durch schlechter werdende Lehr- und Lernbedingungen immer weiter weg von diesem Ziel! LH Sausgruber hat recht: Bildung ist einer der Schlüsselfaktoren für Integartion, um ihn zu nutzen braucht es allerdings eine Bildungsministerin, die in die Zukunft der jungen Menschen investiert und sie nicht kaputt spart!

NR-Abg. Sabine Mandak
Die Grünen Vorarlberg


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