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Asyl: Quartiere für Flüchtlinge am Dienstag weiterhin verzweifelt gesucht

Johanna Mikl-Leitner im Rahmen einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag
Johanna Mikl-Leitner im Rahmen einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag ©APA
Nach wie vor hat Österreich offenbar zu wenig Platz für Asylwerber. Die Zimmersuche soll am Mittwoch Erfolg haben, wenn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die zuständigen Landesräte trifft. Die Kasernennutzung via Assistenzeinsatz, wie von Mikl-Leitner gewünscht, wurde noch nicht beschlossen.
"Totaler Notstand" befürchtet
"Assistenzeinsatz" gefordert
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In den Ländern will man sich aber nicht drängen lassen. Mikl-Leitner warnte vor der Regierungssitzung einmal mehr vor einem “totalem Notstand mit Ende dieser Woche” und sprach erneut von Zeltstädten.

Mikl-Leitner fordert Assistenzeinsatz

Sie brauche Kasernen, und zwar mit “Rechtssicherheit” – also ohne die ihrer Ansicht nach reelle Gefahr, dass ein Bürgermeister erfolgreich Einspruch gegen die Kasernennutzung einlegt. Dies gehe nur mittels Assistenzeinsatz, weil so die Widmung außer Kraft gesetzt werde.

Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) hatte bereits zuvor die Martinek-Kaserne in Baden angeboten. Zum Assistenzeinsatz nahm er nicht konkret Stellung. Nur so viel: “Ich habe im Moment in ganz Österreich nur eine Kaserne, die leer steht und in einem guten Zustand ist.”

Flüchtlingsquartiere: Faymann bezweifelt Lösung

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) fand nicht, dass die Nutzung von Kasernen per Assistenzeinsatz eine gute Lösung wäre. Denn diese würde sich über den Willen von Gemeinden und Bürgermeistern hinwegsetzen. Auch wenn man so in einer Kaserne ohne Widmungsänderungen Flüchtlinge unterbringen könnte, gebe es doch aufrechte Benützungsbewilligungen, da könnten “Hunderte Anzeigen” fällig werden.

“Der Assistenzeinsatz setzt nicht die Rechtslage außer Kraft”, so der Kanzler. Er sieht “in ganz Österreich eine Reihe von Quartieren”. Aber eine Unterbringung ohne Einwilligung der Länder und Gemeinden sei “nur eine Notlösung”: “Gegen den Bürgermeister und gegen das Land, das wird ein harter und unangenehmer Prozess, den ich mir nicht wünsche.” Auch gelte es, “Massenquartiere” zu vermeiden.

Warnung vor “Schuldzuweisungen”

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) warnte indes auch vor zu lauten “Schuldzuweisungen” an die Länder. Deren Verpflichtung sei unbestritten, in letzter Zeit aber auch “dramatisch angestiegen”. Die Regierung strebe noch diese Woche eine Lösung an, und er sei zuversichtlich für das Treffen in Kärnten am Mittwoch.

Der dortige Landeshauptmann und derzeitige Vorsitzende der LH-Konferenz, Peter Kaiser (SPÖ), war ob dieser Zeitvorgaben aus dem Bund indes wenig erfreut. “Wenn man eine vernünftige Lösung will, muss man den Ländern Zeit zum Verhandeln geben”, sagte er. “Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Wenn man meint, die Frage bis Freitag lösen zu müssen, dann wird man Zwangsrequirierungen machen müssen – und das kann nur der Bund.”

“In Akquise von Asyl-Quartieren”

Andere Länder meldeten sich mit Bereitschaftsbekundungen zu Wort. Man sei “in Akquise von Quartieren”, ließ etwa in der Steiermark der zuständige LHStv. Siegfried Schrittwieser (SPÖ) wissen. Salzburg hatte am Montagabend eine Liste mit drei Unterkünften für insgesamt 85 Flüchtlinge übermittelt, die noch in dieser Woche zur Verfügung stehen sollen. In Niederösterreich hätten sich in den vergangenen Tagen “einige Privatpersonen” gemeldet und Wohnraum für Asylwerber angeboten, hieß im Büro von Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (Team NÖ). Tirol will noch diese Woche bis zu 150 Plätze schaffen.

Asyl: Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Die in Oberösterreich zuständige Soziallandesrätin Gertraud Jahn (SPÖ) forderte indes auch mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit von der Innenministerin. Deren Pläne bekäme sie nur über die Medien ausgerichtet, Konkretes liege nicht auf dem Tisch. Mikl-Leitner plant ja, am Mittwoch auch ihre Pläne für eine Neuordnung der Erstversorgung von Asylwerbern zu präsentieren.

Die mediale Berichterstattung aus Spital am Semmering, wo sich Bewohner am Montagabend bei einer Protestveranstaltung mit teils recht deftigen Worten gegen ein Flüchtlingsheim ausgesprochen hatten, verlieh der Debatte eine weitere Facette. Seitens der Caritas mahnte Präsident Michael Landau eine “Rückkehr zum Dialog” und zu “Menschlichkeit” auf. Besonders die Bürgermeister seien gefordert. “Bund, Länder und Gemeinden müssen sich ihrer humanitären Tradition und Verantwortung besinnen.”

Debatte über Situation am Semmering

Das Flüchtlingsquartier im steirischen Spital am Semmering war am Dienstag gleich zweimal Thema im Landtag: Mittags in der Fragestunde an LH Franz Voves (SPÖ), am Nachmittag in einer Dringlichen Anfrage der FPÖ an den für Asyl zuständigen LHStv. Siegfried Schrittwieser (SPÖ). Dieser plädierte für eine humanitäre Haltung: “Wir können uns nicht von Entwicklungen in der Welt abkoppeln”.

“Eine kleine Gemeinde wird mit Fremden zugeschüttet”, zitierte FPÖ-Klubchef Hannes Amesbauer “sinngemäß” den Spitaler SPÖ-Bürgermeister Reinhard Reisinger (SPÖ). Rund 150 bis 200 Asylsuchende sollen dort einquartiert werden, möglicherweise bis 300, so der Klubchef, die ersten 50 davon schon im Hotel im Ortsteil Steinhaus. “Eine Sauerei, was da passiert ist”, so Amesbauer. Bisher seien rund 65 Personen in Spital am Semmering in Landesbetreuung untergebracht.

FPÖ kritisiert Asyl-Situation

“Spital ist in den Fokus gerückt und ist Sinnbild einer gescheiterten Asylpolitik geworden. Auch die freiheitliche Partei bekennt sich dazu, dass Menschen Asyl bekommen, weil sie verfolgt werden, aufgrund politischer oder religiöser Einstellung. Keine Frage, dass vor allem Menschen aus Syrien flüchten und nun bevorzugt werden”, so Amesbauer. Er kritisiere nicht die Asylwerber, sondern diejenigen, die ein Geschäft damit machten, erst die Schlepper, dann zum Teil auch die Heimbetreiber. “Die österreichische Asylpolitik hat versagt”, leitete Amesbauer die Dringliche in 23 Fragen ein.

Schrittwieser sagte in Beantwortung der Fragen u.a., er habe Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dazu zu bewegen versucht, das Quartier am Semmering nicht weiter mit Flüchtlingen zu besetzen: “Sie antwortete, dass sie dies angesichts der dramatische Zunahme von Asylanträgen und der fehlenden Plätze in den Bundesländern derzeit nicht könne, es gebe für sie keine Alternative.” Laut Schrittwieser wurde das Land von den Vorgängen lediglich nachträglich informiert.

“Flüchtlinge vom Tod bedroht”

Schrittwieser appellierte an solidarisches Verhalten: “Es ist eine hochsoziale Aufgabe für uns Österreicher und Steirer zu bewältigen. Viele der flüchtenden Menschen sind vom Tod bedroht. Rund um Syrien und den Irak sind fünf Millionen Menschen auf der Flucht.” Wenn es gestern bei der Diskussion in Spital hieß, der Großteil davon komme nach Österreich, dann werfe dies ein Licht auf die Ernsthaftigkeit der Debatte, so Schrittwieser. Man habe mit rund 3.000 Menschen zu rechnen, die es vor dem Krieg nach Österreich geschafft haben. Quartiere könnten nicht auf Knopfdruck, sondern nur in vielen Gesprächen aufgetrieben werden. Man habe diesbezüglich mit vielen Bürgermeistern und Gemeinden Einvernehmen hergestellt, wofür er danke.

Doch die starke Verweigerung seither zwinge zu einem Verändern der Vorgangsweise. “Wenn wir kein Einvernehmen herstellen können, dann muss es auch gegen den Willen der Bürgermeister sein”, so Schrittwieser. “Wir müssen wissen, dass wir immer etwas über 14 Prozent (3.400 Personen) Anteil an den bundesweiten Flüchtlingen unterbringen müssen. Heute sind es 3.700 Plätze, in einigen Wochen vielleicht 4.000 für die Steiermark.” Er appelliere an alle in der Steiermark, mitzutun. Doch er sage auch klar, in Spital und Steinhaus sei die Zumutbarkeit überschritten worden, das habe er auch Innenministerin Mikl-Leitner mitgeteilt und sie habe es verstanden.

Internationale Verpflichtungen

Man habe aber internationale Verpflichtungen, wie durch die Genfer Konvention. “Es geht um Menschen, die um ihr Leben laufen, die vielleicht sonst ermordet werden, da kann ich mich nicht umdrehen”, so der LHStv. Mikl-Leitner habe aber auch keine Alternative. “Wir suchen in der ganzen Steiermark Quartiere, damit man in Semmering reduzieren kann, aber da müssen wir alle zusammenhelfen und zusammenhalten. Rund 70 Flüchtlinge sind kein Problem in Spital, wenn alle so handeln, dann können wir diesen Auftrag erfüllen.”

Schrittwieser erklärte weiters, das Herstellen des Einvernehmen mit den betreffenden Bürgermeistern bei der Errichtung von Flüchtlingsheimen sei bis zur Einrichtung des Quartiers in Steinhaus “Teil meines Konzepts” gewesen. “Angesichts der dramatisch steigenden Antragszahlen und der relativ geringen Bereitschaft vieler Kommunalpolitiker, sich hier solidarisch zu zeigen, bin ich gezwungen, davon abzugehen”, so der Landeshauptmannstellvertreter. Die Mitarbeiter des Flüchtlingsreferates hätten zwar weiterhin den Auftrag, das Einverständnis der Gemeindepolitik zu erreichen, gelinge dies nicht, erfolge dennoch eine Zuweisung.

Bevölkerung hält Flüchtlinge für Verbrecher

Er wolle zum Abschluss der Beantwortung auf folgendes hinweisen: “Es sitzt sehr tief in den Köpfen der Bevölkerung, dass alle Flüchtlinge, die kommen, Verbrecher sind. Die, die kommen, sind es nicht. Man könne nicht jene, die um ihr Leben laufen, mit dem Ruf nach mehr Polizei zu potenziellen Verbrechern abstempeln. Wenn wir unsere humanitäre Aufgabe wahrnehmen, retten wir Leben”, schloss Schrittwieser.

Amesbauer sagte dazu, Schrittwieser habe im Landtag Applaus, aber “draußen bei den Menschen haben Sie ihn nicht”. Nach der Landtagswahl 2015 werde es weniger Klatscher für ihn im Plenum geben. Fakt sei, dass es im Umkreis von Asylwerberheimen zu erhöhten Kriminalitäts-Fallzahlen komme. ÖVP-Abgeordneter Edi Hamedl – selbst ehemaliger Polizist – erklärte, es gehe vor allem darum, Menschlichkeit zu zeigen, schließlich handle es sich um traumatisierte Kriegsflüchtlinge. Aber er habe den Eindruck, die FPÖ sei schon im Wahlkampf.

(apa/red)

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